Es war der Herbst nach Harrys letztem Schuljahr. Ein neues aufregendes Leben tat sich vor ihm auf. Die Ausbildung zum Auror hatte sich als anspruchsvoll aber genau richtig für ihn erwiesen. Seine Freunde Hermine, Ron und Ginny wohnten bei ihm. Jeder hatte sein eigenes Zimmer, auch wenn nicht oft alle genutzt wurden.
Alles könnte so schön sein, Harry könnte so glücklich sein, wenn... ja wenn er nicht in letzter Zeit ständig so merkwürdige Briefe bekäme.
"Mein herzallerliebstes Schnuckiputzidutzischnuckelleinchen!" musste er da regelmäßig lesen. Unterschrieben waren die Briefe alle mit: "Deine hingebungsvolle Hermine Granger", aber er wusste, dass Hermy sie nicht geschrieben haben konnte, denn die hatte sich neulich beim Nasebohren während des Gardinenaufhängens beide Arme gebrochen und trug seit Wochen Gips.
Das Dumme war, dass Hermine noch nicht mal ihren Zauberstab halten konnte. Sie hatte schon probiert zu zaubern, indem sie ihn zwischen die Zähne nahm, aber das war total in die Hose gegangen. Nämlich in Rons, der daraufhin minutenlang mit qualmendem Hosenboden durch das Wohnzimmer gehüpft war und dabei unsägliche Flüche ausgestoßen hatte.
Nein, die Briefe mussten wirklich von jemand anderem sein. Aber wer konnte in Frage kommen? Harry überlegte und ging im Geiste mögliche Faninnen durch: Cho Chang, Ginny, Luna, Sybill Trelawney… Aber er war sich nicht sicher, ob die Handschrift wirklich von einer Frau war. Vielleicht war sie auch von einem Schwein, einem nichtregistrierten Animagus vielleicht, denn man konnte wirklich sagen, dass es eine wahre "Sauklaue" war.
Also machten Harry und Ron inzwischen bei jedem Brief ein Spiel daraus und spielten Rätselraten: "Was für ein Wort könnte das wohl sein?" Wer die meisten Wörter erkannte, hatte gewonnen. Es war nicht einfach. Manchmal waren die Buchstaben so verdreht als ob sie jemand in einen Würfelbecher geworfen hätte, dann ausgekippt und einfach hingeschrieben.
Soweit wäre es ja noch ganz lustig gewesen, aber irgendwie fühlte Harry sich in letzter Zeit beobachtet. War es BB? Oder vielleicht doch mal wieder Dolores Umbridge, die alte Sabberhexe? Aber Dolores konnte es nicht sein. Sie durfte ohne Aufsicht noch nicht mal mehr einen Stift halten. Und das war auch gut so! Oder war es doch jene sagenumwobene Gestalt, an die er alljährlich Briefe geschrieben hatte, ohne je eine Antwort zu erhalten?
Ach Unsinn! Es war bestimmt das Zaubereiministerium. Genau! Er hatte ihnen immer wieder gesagt, dass er keine Leibwache oder Ehrengarde wollte. Aber hatten sie auf ihn gehört?! Nein!!!! Jetzt ließen sie ihn heimlich verfolgen. Ganz sicher. Was sonst???!!! Harry schüttelte den Kopf. Das war doch alles totaler Unsinn.
Draco Malfoy lächelte leicht vor sich hin. Lief doch alles nach Plan! Sollte er endlich sein herzallerliebstes Schnuckiputzidutzischnuckelleinchen outen und auf Harry Potter loslassen? Er sah sich sein Schnuckiputzidutzischnuckelleinchen noch einmal an. Ja, er konnte es wagen, Harry damit zu konfrontieren. Was Ginny davon hielt, konnte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen. Aber so konnte er vielleicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: einerseits Harry bloßstellen und andererseits Ginny endlich einmal...
Ein dröhnendes Hämmern gegen die Tür ließ ihn herumwirbeln. So ein Mist! Wer störte ihn denn ausgerechnet jetzt? Wo er sich gerade in den schönsten Farben ausmalen wollte...
Und wieder hämmerte es gegen die Tür und eine Stimme rief: "Draco, mach endlich auf! Ich bin es! Captain Jack Sparrow!"
"Heyo, Captain Jack!" knurrte Draco. "Lassen Sie mich in Ruhe, wo ich mir doch gerade ausmale, wie unglaublich schön es wäre, wenn ich endlich einmal Ginny Weasley die Haare bürsten und mit Lockenwicklern eindrehen könnte!"
Jack Sparrow verdrehte die Augen. Bei Ginny an Lockendrehen denken, das konnte auch nur Draco einfallen. Wenn er Ginnys Bild vor Augen hatte, dann kamen ihm ganz andere Gedanken. Gut, ihre langen Haare, die in den verschiedensten Rottönen schimmern konnten, je nachdem, wie das Licht auf sie fiel, waren natürlich wunderschön. Aber noch viel aufregender war sich vorzustellen, dass er den ganzen Nachmittag und den Abend, ja selbst die ganze Nacht damit zubringen würde, mit ihr Halma zu spielen, eines jener wunderbaren Muggelspiele, von denen sie vorher sicher nie etwas gehört hatte.
Draco starrte in das Gesicht seines Besuchers, der ganz verklärt ins Nichts starrte. Woran der wohl gerade dachte? Und überhaupt, was hatte er sich für einen komischen Tarnnamen zugelegt? Wie war er nur auf diese Idee gekommen? Warum konnte er nicht seinen richtigen Namen benutzen? So wie Draco auch? Aber so war er nun mal, der gute, alte Severus Snape, sein Patenonkel. Er wollte nach außen immer den kalten Menschen darstellen, aber im Inneren war er... die coole Socke!
Und völlig verwirrt, denn er hatte das mit dem schlechten Gewissen gerade überhaupt nicht verstanden, denn während Draco und Captain Jack gerade in Gedanken mit Ginnys Haaren Halma spielten, klingelte Harry Potters Handy mit dem Radetzky-Marsch! Dieser komische Marsch war Dracos Klingelton. Was wollte er denn jetzt von ihm? Er machte sich doch gerade zurecht, um mit Ginny einen drauf zu machen.
Er wollte gerade das Gespräch annehmen, als Ginny das Zimmer betrat. "Schatz, könntest Du mir bitte mal helfen? Ich krieg diesen verdammten Lockenwickler nicht mehr raus, der hat sich irgendwie total verheddert!" Mit einem irritierten Blick starrte sie das Telefon an.
Es war eines dieser neumodischen Dinger, die ein verrückter alter Zauberer vor kurzem erfunden hatte. Sie waren Muggelhandys nachempfunden, hatte ihr Vater begeistert erklärt. Aber sie konnten ja so viel mehr, waren voller Magie. Aber dass Harry eines hatte, hatte sie noch gar nicht gewusst. Und wer rief ihn bitteschön um diese Zeit an? Etwa eine heimliche Verehrerin? Eine Freundin? Ginny geriet in Rage. Sie riss Harry das Handy aus der Hand und nahm den Anruf entgegen.
Draco wartet erst gar nicht ab, wer sich meldete, denn es konnte sich ja eigentlich nur Harry melden und fing deshalb direkt an zu sprechen. "Seven of Nine rieb sich die Hände! Hatte sie doch alles erreicht", sagte Draco mit verstellter Stimme und dachte dabei an die rattenscharfe Ex-Borg in ihrem immer viel zu engen Ganzkörperanzug, bevor er sich das Ohr zuhalten musste, weil schon Ginnys schriller und spitzer Wutschrei darin widerhallte.
Wie eine Furie drehte Ginny sich zu Harry um, ihre Augen schossen spitze Blitze! "Harry! Was zum Teufel soll das jetzt wieder bedeuten? Was fällt diesem impertinenten, platinblondierten Lackaffen eigentlich ein?" Denn trotz verstellter Stimme hatte sie Draco sofort erkannt.
Harry zuckte hilflos mit den Schultern. "Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon Du sprichst, Schatzilein!" - "Jetzt stell Dich nicht blöd!" schrie Ginny ihn an. "Also gut. Ja, das war Draco." - "Und? Wo hat er die Nummer her? Warum ruft er an?" - "Die Nummer hat er von Ron. Der wollte mich ärgern. Ich hätte ihn wohl auch mal ein Duell gewinnen lassen sollen. Den letzten Käferkrabbelnaufdirrum-Fluch hat er mir wirklich übel genommen. Und jetzt ruft Draco ständig an und redet so merkwürdiges Zeugs. Ich weiß auch nicht. Total meschugge der Kerl!"
Da das Gespräch am Handy aber noch nicht beendet war, bekam Draco alles mit und musste grinsen.
Die Hobbydramatiker waren ratlos aber nicht wortlos. Also wird auch diese Geschichte ein Ende finden. Fragt sich nur, was für eins.
Draco lachte am anderen Ende noch immer. Niemand würde sein Geheimnis je erfahren.
Plötzlich keifte Ginny: "Ich weiß Bescheid! Ja! Ihr braucht gar nicht so zu tun, als wäre ich zu dumm, es herauszufinden!" Ihr Gesicht lief puterrot an. "Ich weiß es schon, seit die ersten Briefe kamen und die Anrufe begannen!"
Harry blickte ratlos. "A... a... aber ich w… weiß echt n... nichts, Schatzimaus." Hektisch blickten seine Augen hin und her.
"Ach, stell dich doch nicht dümmer als Du bist", kreischte Ginny. "Das, was der blöde Blonddepp macht ist ein uraltes Aufnahmeritual. Als ob das nicht jeder wüsste." Harrys Verwunderung wurde immer größer. Mit einem Seufzen ließ Ginny die Bombe platzen: "Dracos Aufnahmeprüfung für die Handwerkerinnung. Er will doch Friseur werden!"
"Wollen wir das nicht alle irgendwie?" säuselte Harry und war Ginny dabei behilflich, ihr den völlig verhedderten Lockenwickler aus dem Haar zu zwirbeln.
So vergingen die Tage und auch die Wochen. Harry bekam auch weiterhin merkwürdige Briefe und seltsame Anrufe – nicht immer von Draco. Ein durch seine überreizten Nerven hervorgerufener Wutausbruch vor dem Zaubereiminister führte zu der Erkenntnis, dass er nicht von Ministeriumsleuten verfolgt wurde.
Draco hing auch weiterhin seinen Träumen nach und bereitete sich auf seine Aufnahmeprüfung vor. Sein Plan lief auch ohne ihn. Die verrückte Halbblut-Hexe, die er dafür eingespannt hatte – unwissentlich – brauchte seine Führung nicht mehr. Ein kleiner Stups in die richtige Richtung und ein wenig Ermunterung, mehr hatte sie schließlich nicht gebraucht.
Professor Snape, der sich als Geist immer noch wie ein Lebender verhielt und daher darauf bestand, anzuklopfen, statt einfach durch die Türe zu schweben – denn natürlich war er tot – hatte ihn nicht mehr besucht, denn ihm gefiel zwar der Plan aber nicht Dracos großer Berufswunsch.
Und so kam es, dass eines Tages, als Harry Potter gerade im Ministerium aus dem Fahrstuhl in die Eingangshalle trat, um seinen Heimweg anzutreten, Draco auftauchte. Er wollte unbedingt mit Harry sprechen und so gingen sie noch einen Kaffee trinken.
"Also, was ist so wichtig, dass Du unbedingt mit mir sprechen musst?" fragte Harry. Draco war etwas verlegen und wurde rot. "Na ja, ich wollte Dich fragen...", und er brach ab. Warum war es auch nur so schwierig, diese Frage zu stellen? "Also, ich möchte gerne wissen..." Hoffentlich mache ich mich nicht lächerlich, dachte Draco und sprach weiter: "Könntest Du Dir vorstellen, dass ..." Und wieder legte er eine Pause ein.
"Draco, rede endlich mal zu Ende. Was willst Du mich fragen?" Draco atmete tief durch, bevor er endlich die Frage komplett stellen konnte: "Würdest Du Dich bereit erklären, mir bei meiner Aufnahmeprüfung zum Friseur Modell zu sitzen, damit ich an deinen Haaren zeigen kann, was ich schon kann? Deine Haare sind echt eine Herausforderung."
Draco wollte sicher gehen, dass niemand ihn der Mittäterschaft verdächtigen würde. Er gab vor, ganz der harmlose Kerl zu sein, der kein Wässerchen trüben konnte. Aber an Harrys Haaren war er trotz allem interessiert, da brauchte er sich nicht wirklich verstellen. Seine Augen bekamen einen sehnsuchtsvollen Ausdruck, als er an eine dieser wunderbaren Fernsehsendungen dachte - eine interessante Erfindung der Muggel, die er heimlich belauscht hatte - und in der es um Starfriseure und deren Einfluss auf die Weltpolitik ging.
Unterdessen hatte auch Hermine Probleme mit ihren Haaren. Beide Arme im Gips und ein Ron, der zu gar nichts zu gebrauchen war, was Kamm und Bürste betraf. Noch dazu die Einladung, die sie bekommen hatte. Dafür musste sie gut aussehen! Sollte sie sich die Blöße geben und Draco um Hilfe bitten? Er wäre ja eigentlich der letzte... Aber... verdammt... sie brauchte Hilfe! Und Draco sollte wirklich gut sein, hatte sie gehört. Und schließlich ging es um ihre Karriere und um die Rechte Magischer Geschöpfe. Denn sie war eingeladen, eine Rede vor dem Verein zur Befreiung Magischer Geschöpfe zu halten.
Unterdessen war am anderen Ende Englands eine Halbblut-Hexe damit beschäftigt, einen Brief zu schreiben. Einen äußerst seltsamen Brief. Gespickt nicht nur mit zahlreichen Rechtschreibfehlern, schlechter Grammatik und geschrieben in einer Sauklaue, nein, auch mit Liebesbezeigungen und schwülstigen Reden. Dieser Brief war adressiert an HARRY POTTER, den ich liebe und bewundere. Und endete mit DEIN GRÖßTER FAN! Die dich liebende - noch - Unbekannte.
Sie warf ihre verklumpten und fettigen Haare laut lachend in den Nacken und murmelte immer wieder: "Ich kriege Dich schon, Potter-Baby! Eines Tages bist Du der meine, Harry-Boy!"
Sie klebte den Brief mit einem speziellen Betörungszauber zu - der aber nur wirkte, wenn der, der den Brief öffnet nicht bereits unsterblich verliebt war - und zog ihre Lippen mit einem knallroten Lippenstift nach, bevor sie einen dicken Schmatzer auf den Umschlag drückte.
Am nächsten Tag kam Harry in die Küche und auf dem Tisch lag der besagte Brief mit dem roten Kussmund. "Oh, nein. Nicht schon wieder einer!" stöhnte Harry und machte den Brief auf. Er las ihn lautlos durch und wurde rot dabei. Außerdem merkte er, wie sich bestimmte Körperteile bei ihm regten!
Hermine hatte in der Zwischenzeit, Draco zu sich eingeladen. Ihre Haare waren wirklich schlimm dran. Zum Glück ließ sich Draco nie lange bitten. Mit gekonnten Fingern fuhr er durch Hermines Wuschelhaar und säuselte: "Also, wirklich meine Liebe... etwas mehr Pflege... etwas mehr Glanz und Duft."
Er verpasste ihr eine Pflegespülung mit Bier und Ei und schon waren ihre Haare noch schlimmer verfilzt als vorher, sodass nur noch eine Radikalkur half und Hermine fortan als Sinnéad O'Granger durch London laufen musste.
"Das gibt es doch nicht! Draco, was, beim Merlin, hast Du getan??" schimpfte Hermine wutentbrannt. Und bevor Hermine ihm einen gemeinen Fluch aufhalsen konnte, ergriff Draco schnellstens die Flucht.
Und Ron erinnerte sie mit einem gemurmelten "Hat er Dir mit den Haaren auch den Verstand genommen?" daran, dass sie schließlich eine Hexe sei und sich die Haare nachwachsen lassen solle, statt wie eine Wahrsagerkugel durch die Gegend zu laufen. Das nahm Hermine gar nicht gut auf, aber merkwürdige Geräusche aus der Küche lenkten sie ab.
Währenddessen war ein riesiger Krach bei Harry und Ginny entfacht. Sie hatte den Brief entdeckt und auch gelesen. Da Harry immer noch steif da stand, konnte er es nicht verhindern und konnte somit auch Ginnys Wutausbruch nicht ausweichen. Sämtliche Nackenhaare hatten sich ihm gesträubt! Wer war diese verrückte Person? Ihm kam ein Verdacht.
Er packte sein fliegendes Motorrad und fuhr geradewegs zum Buckingham Palace, um Camilla Parker-Bowles oder wie auch immer die Scheinfrau von Prince Charles, der in Wahrheit ein Verhältnis mit seinem Butler hatte, sich gerade nennen mochte, denn in Wirklichkeit war es die unter Vielsafttrank stehende Millicent Bullstrode, die ihm die ganze Zeit diese Briefe geschrieben hatte und die sich als Camilla ausgab, glaubte jedenfalls irgendwer irgendwo, dachte Harry benommen. Und irgendwo würde irgendwer irgendetwas unternehmen müssen, um irgendwann aus diesem abstrusen Schlamassel wieder herauszukommen.
Am Buckingham Palace angekommen musste er feststellen, dass besagte Dame nicht anwesend war. Er wäre der Queen fast über die Füße gefahren - She was not amused! Aber ein speziell am Königshofe eingesetzter Verbindungszauberer belegte sie schnell mit einem Vergessenszauber und führte dann ein ernstes Gespräch mit Harry über die Geheimhaltung der Zauberei.
Nach der gehörigen Standpauke kam Harry schnell auf sein Anliegen. Und ebenso schnell stellte sich heraus, dass besagte Millicent Bullstrode nicht die verrückte Briefeschreiberin war. Millicent war ganz und gar auf einen anderen Harry fixiert, auf Prince Harry nämlich. Man hatte sie schon wiederholt in verschiedenen Verkleidungen und Verkörperungen anderer Personen aus der Nähe der königlichen Familie entfernen müssen. Wie auch gerade jetzt erst wieder.
Also stand Harry wieder am Anfang. Er musste das Rätsel endlich lösen! Jetzt bekam er schon drei Mal am Tag Post von dieser Verrückten. Langsam wurde es ihm unheimlich.
Hermine hielt unterdessen den Brief von einem Earl in den gegipsten Händen. Es war der Earl of Early Coming. Hermine war etwas verwirrt. Sie kannte ihn überhaupt nicht. Was sollte er von ihr wollen? Sie hielt gerade ein Konzert im Regents Park mit ihrem Superhit "Nothing Compares 2U", als sie einen von diesen seltsamen Briefen, die eigentlich für Harry Potter bestimmt waren, auf die Bühne geworfen bekam.
Sie apparierte schnell nach Hause. Sie hielt gerade ihren Zauberstab zwischen den Zähnen als sie ihn plötzlich ausspuckte und laut nach Ron rief. Im Zimmer war wie aus dem Nichts ein riesiger Blumenstrauß - alles rote und rosa Rosen - mit lauter darum fliegenden Herzen erschienen, die in einer schrillen Melodie immer wieder sangen: "Harry, ich liebe Dich, liebe Dich, liebe Dich".
Hermine kratzte sich ihren nunmehr kahlen Kopf, stemmte die Fäuste in die Seite und ging auf den Blumenstrauß zu mit einem Blick, der die Niagarafälle zu Eis gefrieren lassen würde. Ihre Stimmung besserte sich natürlich nicht gerade, als auch noch Pralinenschachteln, die verdächtig nach denen mit Liebestrank versetzten aus Georges Laden aussahen, und ein rosa Bernhardiner mit rosa Schleifchen und einem Herzen statt eines Rumfässchens um den Hals im Zimmer erschienen, noch bevor sie den Rosenstrauß erreicht hatte.
Sie kochte vor Wut. Und ausgerechnet in diesem Moment kam Harry zur Tür herein – Ron hatte sich wohlweislich fern gehalten. Wild mit den eingegipsten Armen fuchtelnd, machte sie ihm bittere Vorwürfe.
"Ich versuche es doch", nutze er eine Atempause Hermines zu seiner Verteidigung, "aber ich weiß nicht, von wem sie kommen, und ich kriege es einfach nicht raus." - "Dann lass Dir helfen", schlug Hermine jetzt ruhiger vor. "Du hast eine ganze Abteilung Auroren zur Verfügung." - "Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich meinen Kollegen diese Briefe zeige oder ihnen etwas hiervon erzähle?" Er zeigte auf die Unmengen Herzen, Pralinen, Kuscheltiere und so weiter. Das Zimmer sah aus, als wäre eine rosa Bombe eingeschlagen.
Hermine dachte bei sich, dass sie das wohl auch niemandem erzählen würde, aber...
"Sie könnte verrückt sein, weißt Du." - "Hermine, sie KÖNNTE nicht nur, sie IST!" - "Ja, klar. Dann könnte sie auch gefährlich sein."
Harry wollte schon widersprechen. Was war an all dem denn gefährlich? Aber er geriet ins Grübeln. Er schüttelte den Kopf. Das brachte ihn auch nicht weiter.
"Hilf mir lieber hier aufzuräumen, bevor Ginny kommt." - "SO?" Hermine streckte ihm die verletzten Arme hin. "Entschuldige. Warum bist Du auch nicht zu einem Heiler ins St. Mungos gegangen statt zu einem Muggelarzt?"
Sie stöhnte. Wie oft sollte sie das eigentlich noch erzählen?! Sie holte tief Luft, aber bevor sie auch nur einen Ton herausbrachte, erschien Ron in der Türe. "Brauchst Du Hilfe Harry?"
Harry nickte, und mit ein paar einfachen Zaubern war alles bis auf den Bernhardiner verschwunden. Den wollte Ron unbedingt behalten. "Er könnte gefährlich sein", mahnte Hermine. "Ja, für die Augen. Dieses Rosa ist ja fast schon Pink und tut den Augen weh! Ich bringe ihn ins St. Dragons, das Hospital für magische Tierwesen. Da lasse ich ihn auf versteckte Zauber überprüfen und von dem Rosa befreien."
So vergingen die Tage. Der nun nicht mehr rosa Hund lebte sich schnell ein. Es kamen immer wieder Briefe und Präsente. Besonders schlimm war Weihnachten. Mit der Zeit wurden die Briefe immer aufdringlicher: Harry sollte sich von Ginny trennen, er sollte sich mit der Unbekannten an verschiedenen Orten treffen, und so weiter und so fort.
Harry ignorierte die Briefe. Bis Ginny eines Tages nach dem Training mit faulen Eiern und Tomaten beworfen wurde. Alle drängten ihn nun, doch die Hilfe seiner Kollegen in Anspruch zu nehmen, was Harry dann auch zähneknirschend endlich tat. Weiter brachte ihn das allerdings auch nicht. Sie konnten die Briefeschreiberin einfach nicht finden. Ginny wurde von ihrem Verein ein Personenschutz gestellt, da sie dachten es wäre ein Fan einer gegnerischen Mannschaft gewesen. Derlei war wohl schon öfter vorgekommen.
Es wurde ein wenig ruhiger und Harry hoffte schon, dass der Spuk endlich vorbei sei. Doch dann kam der Valentinstag. Und endlich war es soweit. Der völlig durchgeknallte und besessene Fan zeigte endlich sein wahres Gesicht, indem er oder sie oder es aus einer gewaltigen, ri-rarosanen Marzipantorte sprang, die er/sie/es Harry zusammen mit einem schnulzige Liebeslieder singenden Hippogreif direkt ins Wohnzimmer geliefert hatte. Sahne, Marzipan und Milliarden von sirrenden Schmetterlingsfliegen flogen Harry ins Gesicht, an die Wände und die Decke und natürlich den Fußboden, dann stand er/sie/es endlich vor ihm. Es war niemand anderes als Rosamunde Pilcher und sie trug ein Bunny-Kostüm.
Harry und Ginny waren zunächst sprachlos, allerdings fand Harry zuerst seine Stimme wieder und stotterte: "Ro... Ro... Ro... Ro-sa-munde, schenk' mir Dein Herz und sag jaaaaa... Ro-sa-munde, frag' doch nicht erst die Mama. Ro-sa-munde, schenk' mir Dein Sparkassenbuch..."
Zur allgemeinen Verwunderung zog Rosamunde ein Täschchen hervor, griff hinein und überreichte Harry ein kleines blaues Büchlein. Harry zögerte, dann nahm er es und schlug es auf. Es war tatsächlich ein Sparkassenbuch, und das darin eingetragene Guthaben belief sich auf 0,1/5 Kröpeken, denn diese Rosamunde war gar nicht die berühmte Schriftstellerin Rosamunde Pilcher, sondern ein Asteroid des Hauptgürtels, der am 3. August 1904 vom deutschen Astronom Max Wolf in Heidelberg entdeckt wurde. Er nannte sich Rosamunde nach der Titelfigur der Oper Rosamunde von Franz Schubert. Und es dauerte gar nicht lange, da begann er auch schon mit den Stimmübungen: "Do, re, mi, fa, so, la, di..."
"Moment!" knurrte Harry und trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf eine nahe Tischplatte. "Das kann doch jetzt nicht wirklich euer Ernst sein!? Ein Asteroid, noch dazu ein opernsingender soll mir all diese Briefe geschrieben und all diese Geschenke gemacht haben? Wem wollt ihr denn das erzählen? Ich bin nicht so blöd, wie Ron aussieht!"
Da packte ihn die blanke Wut. Er schnappe sich den Hippogreif und das singende Etwas und beförderte sie äußerst unsanft, mit einem gewaltigen Tritt in den Allerwertesten, oder wo auch immer es ihnen besonders wehtat, auf die Straße. Damit würde er ein für alle Mal Ruhe haben, glaubte er, aber er hatte sich leider geirrt. Ganz gewaltig sogar.
Denn der Asteroid kam zurück gehüpft wie ein Flummi. "Du wirst mich nicht los! Ich liebe Dich so sehr", schrie der Asteroid und begann erneut zu singen: "Ti amo..." Gleichzeitig begann er rosa zu glühen. Eine mechanische Stimme aus dem Inneren knarrte: "Die Selbstzerstörungssequenz wurde soeben aktiviert. Sie haben noch 10... 9 ... 8..."
Harry schaute entsetzt auf den Asteroiden, bevor er Hermine, Ginny und Ron am Ärmel packte und mit ihnen nach draußen apparierte. Mit einem nervösen Blick über die Schulter wollte er sich überzeugen, dass sie vor den Trümmern des explodierenden Hauses sicher waren, aber es kam mal wieder ganz anders als erwartet. Denn der Asteroid explodierte zwar, aber nicht mit geballter Spreng- und Feuerkraft, sondern in einem wahren sinnflutartigen Regen aus Rosenblütenblättern und rosa Schleim, der bald nicht nur das Haus, die Strasse, sondern ganz London von oben bis unten bedeckt hatte. Dazu sang Placido Flamingo: "That's Amore!" Überall flatterten bunt schillernde Schmetterlinge umher und skandierten mit ohrenbetäubender Bassstimme: "Heirate mich! Sofort! Heirate mich! Sofort!"
Harry gab sich geschlagen. Wie konnte er noch länger widerstehen? So ein hartnäckiger Fan musste erhört werden. Elton John wurde Trauzeuge. Und somit kam es zur ersten Eheschließung zwischen einer Romanfigur und einer Puppe aus der Sesamstrasse, bezeugt von einem dicken Brillenträger mit Toupet in der Weltgeschichte der Literatur und überhaupt! Die Trauzeremonie fand im allseits beliebten Ragnarök statt, umgeben von tanzenden Hellebarden und überwacht vom allsehenden Dunkelbunten Donnerstag, der von allen unbemerkt ein frisches Bierfass in ein Loch ohne Boden verwandelt hatte, welches leise vor sich hintropfte.
Dieses Tropfen wiederum rief bei Harry eine Assoziation hervor, wie er einst vor langer Zeit zum ersten Mal im Tropfenden Kessel stand und mit großen Augen und noch größeren Ohren die ihm noch so fremde Zauberwelt betrachtete. Damals als er noch jung war, den Kopf voll mit verrückten Flausen und mit Hagrid an seiner Seite. Wo er gerade zum ersten Mal von "Du weißt schon wem!" gehört hatte.
"Ja, ja, der gute alte Voldemort! Was der wohl jetzt so treibt?" murmelte er laut vor sich hin, vollkommen vergessen habend, dass der Name noch immer mit einem tödlichen Fluch belastet war. Und während Gandalf donnerte: "DU KANNST NICHT VORBEI!" sank Harry offensichtlich tödlich getroffen von einem Schwall schalen Bieres leblos zu Boden oder Fliesen oder wie auch immer.
Ja, liebe Leute, so fand der berühmte Harry Potter sein Ende - der einst so strahlende Held in einer Pfütze schalen Bieres am Boden liegend, ein Bild des Jammers. Doch es war nicht vorbei, es würde nie vorbei sein, solange das Böse weiter existieren durfte. Gollum! Gollum!
Nach einer kleinen Weile rappelte sich Harry wieder auf und blickte mit suchenden Augen umher. Wo war er? Wie war er hier hinein geraten? Was würde als Nächstes passieren. Und wer war dieses hässliche Männchen, dass dauernd schrie: "Mein Schatz!"?
Es war niemand anderes als der nette, gut aussehende und sympathische Sméagol, der ihm einen goldenen Ring anbot mit den Worten: "Dein Schatz! Dein Geschenk!" und dann die Augen schloss und mit gespitzten Lippen auf einen ordentlichen Schmatz wartete. Aber Harry gab ihm nur einen vergoldeten Schnatz aus rostigem Altmetall, also beschloss Gollgol oder Sméagum ihm auch weiterhin nervende und zuckersüße Briefe voller Liebesschwüre und schwülstiger Sympathiebezeugungen zu schreiben und zu schicken und zwar per fliegenden Olifanten, die fortan alle in Harrys Vorgarten wohnen wollen würden.
Nachdem die ersten Olifanten und auch anderes Getier im Vorgarten gelandet waren, und auch die Nachbarn einiges mitbekommen hatten, entschloss Harry sich drastischere Maßnahmen zu ergreifen. Er riss sich mit schnellen Bewegungen die Kleider vom Körper und begann eine alte, irische Melodie zu pfeifen, da ihm der Arzt das Singen aus Rücksicht auf den schwindenden Vogelbestand in diesem Teil des Londoner Vorortes verboten hatte. Die Melodie war aber doch eher britisch - 'Love Hurts' und dem konnte er nur zustimmen. Und es brach dem Liebesgetier die flauschigen, flatternden Herzen. Sie sanken samt und sonders danieder in Vorgärten und auf Trottoire und bildeten schon bald eine rottende und stinkende Masse Bioabfalls. Doch dann sang Harry doch noch "The Wild Rover" und alle Kadaver waren verschwunden.
Plötzlich spürte Harry einen ziemlich unsanften – um nicht zu sagen einen festen, nein, einen äußerst gemeinen – Schlag auf den Hinterkopf und wie durch einen Nebel hörte er die immer lauter werdenden Worte: "Harry! Harry! Verdammt, Harry! Jetzt reicht es aber! Harry!"
Und da schlug er die Augen auf. Er stand noch immer mitten im Zimmer, umgeben von Marzipantortenspritzern und Schmetterlingsfliegen, und ein rosa Nebel umgab ihn.
Hermine, die ihm zuvor den Schlag auf den Kopf verpasst hatte, schüttelte ihn grob und schrie ihm ins Gesicht: "Harry! Komm zu Dir!" Harry schüttelte den Kopf, um ihn frei zu bekommen. "Alles klar, Hermine", meinte er, nur noch ein wenig benommen.
"Das Zeugs hat ihn aber ganz schön mitgenommen", meinte Ron. Harry sah ihn fragend an und Hermine erklärte es ihm: "Der rosa Nebel hat Dich eingehüllt. Es ist irgendein Verwirrungs-Liebeszauber. Du hast ganz glasige Augen bekommen und vor Dich hin gebrabbelt. Und als Du immer wieder von einer großen Liebe gefaselt hast, der Du folgen müsstest, da haben wir versucht, Dich zu 'wecken'. Das Zeugs hat Dich wirklich ziemlich schlimm erwischt." Hermine wollte ihm lieber nicht alles sagen, das wäre zu schlimm für ihn gewesen.
Harry drehte sich zu Ginny, streckte seine Hand aus, und sie ergriff sie, kam in seine Arme und gab ihm einen Kuss. "DU bist meine große Liebe!"
In der ganzen Aufregung hatten sie die junge Halbblut-Hexe, die aus der Torte gesprungen war, ganz vergessen. Sie stieß einen gellenden Schrei aus und stürzte auf Harry zu. Dabei schrie sie, dass es in den Ohren schrillte: "Wenn ich Dich nicht haben kann, soll Dich auch keine andere bekommen!" Sie erhob ihren Zauberstab. "AVA…" Weiter kam sie nicht. Gleich mehrere Schockzauber trafen sie und schickten sie zu Boden.
In der Aurorenzentrale, wo die Hexe befragt wurde, bevor man sie in die geschlossene Abteilung des St. Mungos überführte, kam heraus, dass sie Amanda Umbridge war, die verleugnete, da zur Hälfte Muggel, Nichte von Dolores Umbridge. Sicherheitshalber wurde Harrys Post auch in Zukunft von der Magischen Strafverfolgung kontrolliert, um einem neuerlichen Angriff eines verrückten Fans zuvorkommen zu können und ihn vor deren Aufdringlichkeit zu bewahren.
Harry führte fortan ein ruhiges Leben, nicht ahnend, welche Unmengen von Fanpost an ihn sich im Ministerium stapelten, um einmal im Monat vernichtet zu werden.
Ende gut. Alles gut.
[first published December, 12th 2007 – January, 3rd 2008]

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