Schandtat Numero 18
Es war tiefste Nacht, jedoch schien der Vollmond hell genug, dass Harry Potter den Weg zum Verbotenen Wald erkennen konnte. Mit mulmigem Gefühl drehte er sich zu Ron Weasley und Hermine Granger um, die hinter ihm her stampften.
Hermine nervte die ganze Zeit schon mit ihren andauernden ängstlichen Ermahnungen, Filch könne sie entdecken. Die Jungen waren arg genervt und tuschelten miteinander. Harry meinte: "Sollen wir einfach in die andere Richtung gehen?" - "Nix da", rief Ron mit verklärtem, sabberndem Blick, "das will ich mir nicht entgehen lassen".
Hermine warf ihm einen biestigen Blick zu. "Typisch Jungs!" grummelte sie. Harry rollte mit den Augen und grummelte in seinen leicht vorhandenen Flaum: "Oh Mann, die beiden nerven!"
Zu Ron sagte er dann lauter: "Na gut, aber dann gehe ich vor. Ihr seid gerade nicht zu ertragen! Außerdem habe ich euch von Anfang an nicht geglaubt, dass da Schafe und Schäfer im Verbotenen Wald sind und dass ausgerechnet Mitternacht die beste Zeit für ein Schäferstündchen sein soll!" - "Natürlich ist Mitternacht die beste Zeit dafür", kam es besserwisserisch von Hermine. "Hast Du nicht das Schaf-Kamasutra gelesen?" Ron blickte Hermine ungläubig an, und seine Augen drohten ihm fast aus den Höhlen zu quellen. "Aber, aber, dieses Buch steht doch in der Abteilung der verbotenen und gefährlichen Bücher!" japste er.
"Du erinnert Dich doch sicher daran, dass ich mir den Tarnumhang ausgeliehen hatte..." - "Den Du erst nach zwei Wochen zurückgegeben hast!" erinnerte Harry sie, immer noch leicht verärgert, hätte er ihn doch in dieser Zeit selbst gut gebrauchen können. Da hatte nämlich der monatliche Nachttanz der Veela zufällig mal auf dem Hogwarts-Gelände stattgefunden.
In diesem Moment näherte sich ihnen ein rosa-leuchtendes Objekt aus den Baumkronen aus dem Inneren des Waldes. Es war Luna Lovegood, die verträumt summend auf einem lumineszierenden Besen herangeschwebt kam.
Doch noch bevor die drei Freunde sie oder sich fragen konnten, was das nun wieder zu bedeuten hatte, hallte eine strenge und ärgerliche Stimme durch die Nacht zu ihnen. "Ja, sind Sie denn alle von der Hormon-Fee gebissen? Was haben Sie hier draußen zu suchen?" Es war Professor McGonagall, die mit wehendem Schottenkaromuster-Nachtrock und gezücktem Zauberstab auf sie zu kam.
Unsere drei Nachtwanderer erstarrten vor Schreck, doch bevor sie noch ein Wort sagen konnten, hörten sie erneut, hastige Schritte abseits der Wege und eine wohlbekannte Stimme sagte gerade: "Also meiner ist definitiv länger."
"Also, meine Herren Kollegen!" kreischte Minerva die beiden näher kommenden Gestalten an. "Achten Sie bitte auf Ihre Themen und Ihre Wortwahl. Hier sind verbotenerweise Minderjährige anwesend!" - "Was glauben die eigentlich, warum das hier 'Verbotener Wald' heißt?" hörten sie eine weitere ihnen nicht unbekannte Stimme raunen.
Professor Snape, wie immer in Schwarz, und Professor Lupin in Hellblau, kamen zeitgleich aus dem Gebüsch, die gezückten Zauberstäbe in den Händen. "Minerva, was treiben Sie hier? Und meiner ist doch länger", wandte sich Remus Lupin wieder an Severus Snape und wie um sein Argument zu stützen, fuchtelte er seinen Zauberstab aufgeregt hin und her.
Professor McGonagall schnappte empört nach Luft. "Das kommt alles von dieser Veela-Zusammenkunft in diesem Wald. Ich werde ein ernstes Wort mit Professor Dumbledore sprechen müssen, dass er so was in Zukunft verbietet!"
Doch in diesem Augenblick sahen sie den Professor höchstpersönlich, wie er kichernd, Arm in Arm und eng umschlungen mit Bartemius Crouch durch das Unterholz schlenderte.
"Minerva, mein Augenstern", hörten sie da plötzlich ein leises Säuseln nur knapp über Kniehöhe. Alle Blicke richteten sich auf Professor Flitwick, der hinter McGonagall aufgetaucht war und nun ihr linkes Bein umklammert hielt. "Wo bleibst Du denn, mein Whiskey-Fäßchen?"
Nun regte Hermine sich auf: "Also, ich wollte nur etwas fummeln und knutschen, aber was die Erwachsenen hier abziehen, ist echt widerlich!" - "Nur etwas fummeln und knutschen? Und da gehst Du gleich mit zwei so prächtigen männlichen Exemplaren in den Wald?" kam eine Stimme aus den hohen Baumwipfeln über ihnen. "Ich will mal eines klar stellen: ICH HABE DAMIT NICHTS ZU TUN! Ich wurde hierher gelockt! Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen!" empörte ich Harry. Er wollte auf keinen Fall, dass irgendjemand auf den Gedanken kommen könnte, es liefe da eine Dreiecksbeziehung zwischen ihm, Hermine und Ron. Das würde seine Chancen bei den Mädchen erheblich verringern!
Ron hatte die Gunst der Stunde ergriffen und war schon bei dem Wort 'fummeln' tiefer im Verbotenen Wald verschwunden. "Pfui, Spinne", dachte er noch. Schon schob sich Vincent Crabbe seitlich an ihn heran. "Hey, Redhead!" hauchte er. "Hier sind mir zu viele Leute. Wollen wir uns nicht mal am Samstag beim Quidditchplatz treffen? Nach dem Spiel, meine ich, wenn keiner mehr da ist!" Wie von Taranteln gestochen sprang Ron in die Luft. "HAAARRRYYYY! Hilf mir! Hol mich hier raus!"
"SOFORT ALLE AUFHÖREN!" brüllte Harry über das Getuschel und Geflirte hinweg. "Würden sich jetzt endlich wieder alle normal benehmen? Wir machen hier doch immer noch eine Nachtwanderung, oder? Außerdem wollen wir alle zum Lagerfeuer und Barbecue im Verbotenen Wald? ODER HABE ICH DA ETWAS FALSCH VERSTANDEN???"
"Stimmt. Da war doch diese Schafherde. Hammelfleisch schmeckt einfach wunderbar über dem Holzfeuer gegart", hörte man die körperlose Stimme aus den Baumwipfeln sagen. Alle blickten verwundert in die Luft. Wer sprach dort zu ihnen?
Das schwere Stapfen von großen Füßen ließ den Erdboden erzittern, und kurz darauf stand Hagrid, der Wildhüter, vor der versammelten Schar und sah sehr grimmig aus. "Finger weg von diesen Schafen!" grollte er und schwang dabei eine bedrohliche Keule aus Hartholz. "Die gehören einer gewissen Mary, und die sucht bereits ihr kleinstes Lamm!"
Währenddessen zog Luna Lovegood weiter über ihnen ihre Kreise und sang dabei ein höchst seltsames Lied, das immer lauter und kreischiger wurde: "I kissed a salamander and I liked it! I hope my Dad don't mind it!"
"War da nicht etwas mit Deinem Bruder und Schafen?" wollte Barty Crouch von Albus Dumbledore wissen. "Ziegen, keine Schafe", antwortete Albus zerstreut. "So", meldete sich ein sichtlich entnervter Harry wieder zu Wort, "so genau wollte ich das ALLES gar nicht wissen."
"Und wann machen die Schafe nun endlich ihr Kamasutra? Bevor oder nachdem wir sie über dem offenen Feuer gegrillt haben?" fragte ein deutlich erregter Crabbe, dessen Gelüste sich jetzt aber wieder eher auf das Essen konzentrierten als auf andere Dinge.
Harry rollte mit den Augen. Die einen dachten nur ans Fummeln, die anderen ans Essen, nur er, er wusste nicht woran er denken sollte! Er gab ein jammervolles Stöhnen von sich. In diesem Augenblick flog Luna mit ihrem rosa Leuchtbesen zu ihm herab, packte ihn am Kragen und zog ihn vor sich auf den Stiel. "Das wollte ich schon seit Jahren mal machen!" gluckste sie glücklich und raste auf die nächste hohe Eiche zu.
Hermine schnappte sich Ron am Kragen und rannte dem Besen mit gezücktem Zauberstab hinterher. "ACCIO! ACCIO HARRY!" schrie Hermine, worauf Ron nur ein entsetztes "Hast Du sie noch alle?" hervorbrachte.
Der Leuchtbesen krachte gegen die Eiche, und Harry und Luna konnten sich nur noch mit Mühe auf einen dickeren Ast retten. Jetzt saßen sie hier oben fest, während auf dem Boden noch heftig diskutiert wurde.
Hagrid jedoch kümmerte das alles überhaupt nicht mehr. Während er eine große Axt zückte und begann, die alte Eiche zu fällen, summte und brummte er ein alter Kinderlied vor sich hin:
Unter den wuchtigen Schlägen erbebte der Baum bis in die Spitze. Luna klammerte sich an Harry und die Eiche. Die Worte wollten ihr nicht so leicht wie gewohnt von den Lippen, so hörte es sich eher kläglich an, als sie meinte: "Harry, ich kann schweben. Ich hol' uns hier runter."
Von all dem bekam Filius Flitwick, der klitzekleine Zauberkraftlehrer, offensichtlich nichts mit, denn er umklammerte noch immer Minerva McGonagalls linkes Bein unter ihrem Nachtrock. Er versuchte sogar an seinem großen Schwarm hinaufzuklettern, um ihr seinen Zeigefinger ins Ohr zu stecken, aber sie schüttelte ihn genervt ab. Auch andere Lehrkörper schien jetzt nichts mehr zu halten, woraufhin Vincent Crabbe sich verschreckt ins Unterholz verzog.
Mittlerweile erzitterte die Eiche immer mehr. Harry fühlte sich schwer geschüttelt und blickte entsetzt in den Abgrund. "Du kannst wirklich schweben?" fragte er Luna. Diese nickte und richtete den Zauberstab auf ihn. "WINGARDIUM LEVIOSA!"
"NEIN, LIEBE LUNA!" hauchte plötzlich wieder die körperlose Stimme aus den Baumkronen. "DU KANNST NICHT SCHWEBEN! ICH WERDE EUCH RETTEN! ICH BIN DIE GUTE FEE GALAKTIKA VOM FERNEN STERN ANDROMEDA!!!"
"Pappalapapp!" knurrte Hagrid. "Du bist die alte Eule Trelawney. Und dieser Wald muss weg, damit ich hier Ein-Familien-Bungalow-Fertighäuser errichten und verkaufen kann!" Munter schlug Hagrid weiter auf den Stamm der Eiche ein, und Harry verzweifelte so langsam aber sicher in der Spitze der selbigen. Hermine und Ron stritten noch immer, aber über ein anderes Thema, sie hatten ihn Harry total vergessen!
"ZACK! KLAMOTTENTAUSCH!" sprang plötzlich Severus Snape mit einem neuen irrsinnigen Vorschlag aus dem Gebüsch und riss sich den schwarzen Umhang vom Leib. Er stürmte auf Minerva zu und wollte sich ihren schottenkarierten Nachtrock anziehen, aber die Lehrerin für Verwandlungen rang noch immer mit Flitwick, um sich den kleinen Kerl vom Hals zu schaffen.
Harry reichte es jetzt endgültig. Mit einer Hand hielt er sich an einem Ast fest, mit der anderen holte er seinen Zauberstab hervor und verpasste Ron und Hermine ein paar Schockzauber, um ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu erringen.
Severus Snape war es inzwischen sichtlich peinlich ohne Klamotten herum zu laufen, und da er das Nachtgewand von Minerva McGonagall nicht ergattern konnte, wandte er sich fragend zu Remus Lupin um. "Hellblau, steht Ihnen nicht, Severus", antwortete dieser geistesgegenwärtig und ergriff die Flucht.
Ron sagte auch eher etwas verkniffen: "Hermine, musstest Du heute unbedingt einen Minirock anziehen?" Hermine schüttelte den Kopf. "Also, das ist zwar meiner, aber den hatte ich heute doch gar nicht an! Außerdem war das mit dem Klamottentausch wohl eher eine Schnapsidee vom ollen Snape!"
Remus Lupin starrte derweil gebannt auf die Wolken am Nachthimmel. "Hatte vorhin nicht jemand was von Vollmond erzählt? Severus? War bei unserem Saufgelage heute Nacht vielleicht zufällig ein Fläschchen Wolfsbanntrank dabei? Ich meine, wenn nicht, dann... HOWWWWWWWWWLLLLLL!!!"
Minerva schüttelte Flitwick endlich ab, ging auf Snape zu und baute sich vor ihm auf: "SEVERUS SNAPE! HAST DU HEUTE DEINE PFLICHTEN VERNACHLÄSSIGT?!" Snape schluckte und nickte.
"So, meine Wertesten!" mischte sich nun auch wieder der Schulleiter Albus Dumbledore in das Geschehen ein. "So kann das doch hier nicht weiter gehen. Wir fassen uns jetzt mal alle an den Schultern und dann... POLONAISE BIS IN HAGRIDS HÜTTE!!!" Alle jubelten auf. Auch Hagrid reihte sich ein und fasste Crabbe von hinten an die Schultern.
Nur Luna und Harry bleiben auf ihrem Baum zurück. "Hey!" brüllte Harry. "Und was ist mit uns?" Über ihm hatte es sich Luna auf einem stabilen Ast so richtig bequem gemacht und reichte ihm mit einem "Komm rauf, hier ist es schön kuschelig", eine Hand nach unten, die Harry mit dem Gedanken 'Was soll's?' ergriff und sich hochziehen ließ.
Kaum, dass er neben Luna auf dem Ast saß, kam eine Schafherde zwischen den Bäumen hindurch, unter ihnen eines mit einem Slytherinschal, welches sich direkt unter ihrem Baum in einen Menschen verwandelte. "Ich glaub 's nicht!" rief Harry schockiert. "Das... das ist... das ist ja...", stotterte Luna. "Draco Malfoy", bestätigte Harry und wollte sich lieber nicht vorstellen, was Draco bei den Schafen gemacht und ob er vielleicht auch in den verbotenen Bereichen der Bibliothek nach dem Kamasutra gestöbert hatte.
"Määäähhh!" blökte Draco laut und schüttelte sich, zog seinen Schal enger um den Hals und folgte dem Gesang der Polonaisekette, die sich immer weiter vom Ort des Geschehens entfernte. Die Schafherde folgte ihm unaufdringlich.
Doch noch in Sichtweite von Luna und Harry kam ein blond gelocktes Mädchen, das eine Kette um den Hals trug, die deutlich sichtbar verkündete, dass sie Mary hieß, auf die Schafherde zu gerannt und rief: "Lämmchen! Mein Lämmchen! Da bist Du ja!" und warf sich in Dracos einladend geöffnete Arme.
Die von Dumbledore angeführte Polonaisegruppe bewegte sich immer weiter auf Hagrids Hütte zu und sang dabei lautstark, textsicher, aber nur jeden zweiten Ton treffend: "Die Karawane zieht weiter, der Schulleiter hat Durst..." Severus Snape hatte zwichenzeitlich den Umhang von Flitwick in einen Lendenschurz umfunktioniert - es war doch ein wenig kühl.
Vor Hagrids Hüttentür angekommen, zückte der Wildhüter jedoch wieder seine Axt und stellte sich der Polonaise breitbeinig in den Weg. "Hier kommt ihr net rein!" verkündete er. "Jetzt da der Immobilienmarkt total zusammengebrochen ist, lohnen sich keine Ein-Familien-Bungalow-Fertighäuser auf dem Schulgelände mehr. Außerdem sind mir die Feuerwhiskey-Vorräte ausgegangen. Und wenn ich mich nicht irre, läuft immer noch ein wilder Werwolf im Wald herum. Und das mit den ganzen Schäfern und Schafen da drinnen, die sich zu ihrem jährlichen Nachttanz getroffen haben. Das bedeutet Ärger, wenn ich mich nicht irre. Und ich irre mich nie, wenn ich mich nicht irre."
"Hat da jemand etwas von Nackttanz gesagt?" fragte die gerade hinzu gekommene Sybill Trelawney mit einem Leuchten in den Augen.
Harry hatte die Hockerei auf der Eiche nun endgültig satt, und er begann wagemutig den Abstieg. "Bleib hier", säuselte Luna traurig. "Ohne Dich ist alles doof!" Und sie begann aufzuzählen: "Eiche doof! Verbotener Wald doof! Schafe doof! Besen doof! Quidditch doof! Lehrer doof! Ravenclaw doof! Hogwarts doof! Klitterer doof!" Harry warf ihr einen traurigen Blick hinauf. "Schade, Lunchen, vielleicht wäre an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit was aus uns beiden geworden!"
"Dann eben nicht!" erklärte Luna fröhlich und schwebte nun tatsächlich an ihm vorbei auf den Waldboden. "Ich hoffe die anderen haben mir noch was von der Festtagstorte übrig gelassen!" Mit diesen Worten und wild in alle Richtungen rudernden Armen verschwand sie irgendwo in der Dunkelheit.
Vor Hagrids Hütte ging das wilde Durcheinander weiter. Hermine, scheinbar taub und blind für ihre Umgebung, kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Ich habe das untrügliche Gefühl, etwas sehr Wichtiges vergessen zu haben."
Harry streifte unterdessen immer tiefer in den Verbotenen Wald hinein. In der Ferne hörte er das unheilvolle Heulen eines Wolfes und hin und wieder auch ein leises Blöken. Mit einem fast schon gehässigen Grinsen verwandelte er sich in seine neuste Animagusgestalt, einen Wolf. Können Wölfe grinsen? Dieser tat es! Nun denn, also ging das Schaf im Wolfsfell den Wolf im Schafsfell suchen. Zudem war er in Wolfsgestalt besser dran sollte er Remus Lupin über den Weg laufen.
"Ey, Potter-Bengel", sagte da ein äußerst arrogant wirkender Lupin, der in seiner Menschengestalt an einer Fichte lehnte und sich die Fingernägel feilte. "Seit wann kannst Du Dich in einen Wolf verwandeln? Also ich bin gar kein Werwolf, weißt Du. Ich habe das nur immer behauptet, weil die Mädels nun mal auf das Tier im Manne abfahren. Was da so heult ist übrigens ein Schäferhund. Und der hat ganz viele Freunde, und die sind gar nicht gut auf Wölfe zu sprechen. Also, ich an Deiner Stelle..."
Andernorts stieß Hermine einen schrillen Schrei aus: "HARRY! WIR HABEN HARRY VERGESSEN! IHN EINFACH HILFLOS ZURÜCK GELASSEN! IM VERBOTENEN WALD! MIT LUNA! BEI DEN GANZEN GEFÄHRLICHEN TIEREN! UND LUPIN! UND... UND... WAS SIND WIR NUR FÜR FREUNDE!" – "Schlechte", kommentierte Ron, packte sie an der Hand und führte die nun vor Verzweiflung schluchzende Hermine in den Wald zurück.
Währenddessen war die 'Schlacht' an Hagrids Hütte in vollem Gange. Snape knutschte mit Sybill. Minerva hatte den Liebesschwüren Flitwicks nachgegeben. Die wild blökenden Schafe, verwirrt über das ganze unübersehbare Getümmel, überrannten Mary und Draco, die zu Boden gingen. Und Dumbledore klatschte in die Hände. Sofort stoben Sybill und Severus sowie Filius und Minerva auseinander. Snape spuckte sogar angewidert auf den Boden vor Hagrids Hütte.
"Herrschaften!" verkündete Dumbledore, während er seinem Bruder Aberforth noch einen tadelnden Blick zu warf, denn dieser hatte seine seltsamen Vorlieben nun wohl doch von Ziegen auf Schafe ausgeweitet. "Ich glaube, an diesem ganzen skandalösen Treiben sind nur diese Veela schuld. Wir sollten jetzt vielleicht alle mal wieder vernünftig werden. So sehr vom Aussterben sind die Zauberer und Hexen nun auch wieder nicht bedroht, dass wir in dieser Nacht unbedingt ganz viele neue machen müssten. Ich glaube, im Speisesaal oben im Schloss gibt es noch warmen Eierpunsch. Also, wenn ich Sie bitten dürfte."
Minerva McGonagall raffte als erste ihren schottenkarierten Nachtrock um sich und ging voran, nicht ohne einen letzten sehnsüchtigen Blick auf Filius Flitwick. Ob wohl stimmte, was man sich über kleine Männer erzählte? Mit diesem Gedanken kam ihr Severus' Nase in den Sinn. Ob wohl auch dieses Muggelsprichwort stimmte?
Harry blickte Lupin begeistert an und verwandelte sich ganz schnell zurück in seine ursprüngliche Gestalt. "Wo sind die Schäfer? Darum sind wir doch in den Wald gekommen." Lupin lächelte etwas schief. "Wir ja auch, mein Junge, Professor Snape und ich. Da soll es auch so ein paar Schäferinnen geben... ! Weißt Du überhaupt um die Besonderheiten dieser Nacht?"
Harry schaute zum Himmel, sah die Sternenbilder und den Mond, aber mehr auch nicht! Er sah Remus an und meinte dann jäh: "Was ist denn besonders? Bin ich Trelawney? Ich sehe nichts! Und wieso bist Du kein Werwolf?"
"Also, ich glaube, Du bist der dämlichste Schüler, den ich je hatte!" schüttelte Lupin den Kopf. "Außerdem hast Du mir nicht zugehört. Ich bin gar kein Werwolf. Nie gewesen. War alles nur Show für die Mädels!"
Auch Harry schüttelte den Kopf. Was hatte dieser Typ denn plötzlich? Warum musste er ihn unbedingt beleidigen? Konnte dieser Fatzke wirklich ein Freund seiner Eltern gewesen sein? Hatte sicher irgendwas mit der Besonderheit dieser Nacht zu tun. Leicht angesäuert stapfte er tiefer in den Wald hinein, wo bereits eine große Versammlung von Schäfern und Schäferinnen um ein riesiges Lagerfeuer versammelt war und mit Fässern und Flaschen voller alkoholischer Getränken Berge von vegetarischem Grillgut genossen.
Während Harry und Remus sich aufmachten, sich der rauschenden Party anzuschließen, waren Hermine und Ron wieder im Wald unterwegs, auf der Suche nach ihrem verlorenen Freund, als vor ihnen ein Licht aus dem Dunkel auftauchte. Hermine war wie vor den Kopf gestoßen und wollte es nicht glauben, als sie näher kamen und sie erkannte, um was es sich handelte. Aber ein Blick in Rons verklärtes Gesicht und das überlaute Geräusch seines in Erwartung einer Mahlzeit knurrenden Magens bestätigte ihren Verdacht ebenso wirksam wie Rons folgende Worte: "Wow! Ich wusste ja gar nicht, dass es im Verbotenen Wald ein Fly-In von Merlin-Burger gibt! Tolle Leuchtreklame! Ich bin übrigens am Verhungern!"
"Ron, dass ist kein Fly-In von Merlin-Burger, das ist eine Waldamorgana. Dein knurrender Magen spielt Dir nur was vor und projiziert das ganze auch noch auf meine Pupillen!" Sie blinzelte zweimal heftig und das Fly-In verschwand. Doch statt dessen tauchte etwas gänzlich Anderes auf.
Hermine dachte, sie sähe nicht richtig: Ein kleines, schiefes Häuschen voll von Süßigkeiten, Keksen, Lakritzen und Lebkuchen. 'Das ist nichts Gutes', dachte sie noch, doch Ron war begeistert. "Auch nicht schlecht", rief er, stürzte zum Häuschen und griff mit beiden Händen zu.
Da stand auf einmal eine schlanke, verführerische Frau mit wallendem, blonden Haar und wunderschönen grünen Augen vor ihm. "Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen anstatt an mir?" säuselte sie. Ron, den Mund voller Schokolade und die Hände voll Zuckerbrezeln, nahm überhaupt keine Notiz von ihr. "KNUSPER, KNUSPER, KNÄUSCHEN, ICH BIN VIEL LECKERER ALS MEIN HÄUSCHEN!" rief die dralle Blondine.
"Bemühen Sie sich nicht, Werteste. Solange dieser Herr dort Essen vor Augen und greifbar hat, wird alle Liebesmüh vergeblich sein!" klärte Hermine die Fremde auf. "Aber, aber...", stammelte diese, "ich bin's doch, das Zuckermäuschen aus dem Knusperhäuschen! Alle Männer sind doch immer ganz... Noch nie ist mir so etwas..." Verwirrt drehte sie sich um.
"Warten Sie", rief Hermine. "Wozu brauchen wir Männer? Wer sagt denn, dass wir zwei nicht ebenso Spaß haben können?!" Das Gesicht der Blondine hellte sich auf. "Recht haben Sie! Kommen Sie, ich zeig Ihnen mein trautes Heim!" Und mit diesen Worten zog sie Hermine durch die von Baumkuchen umrahmte Tür ins Innere des Knusperhäuschens.
War es Zufall, dass Hermine auf einmal die Zeilen eines aktuellen Chartbreakers durch den Kopf schossen?
Nur ganz weit hinten in ihrem klugen Köpfchen tauchte schemenhaft der Gedanke an Ron auf. Ron, wer war noch mal Ron... ?
Da saßen sie nun. Harry naschte gerade ein gegrilltes Sojawürstchen am Spieß und warf Remus verstohlene Blicke zu, der sich mit einer der Schäferinnen eine Schale Spaghettisalat teilte und sie dabei mit einem verliebten Hundeblick anhimmelte. Suchend ging Harrys Blick die große Runde entlang und blieb bei dem Schaf mit dem Slytherinschal hängen. Es sah so fluffig aus, aber wieso war Draco wieder ein Schaf? Und wieso fluffig?
Der Junge, der von seiner Freundin vergessen wurde, lag derweil wie ein vollgefressener Käfer auf dem Rücken, alle Viere von sich gestreckt, sein Bauch zum Platzen gefüllt mit den Leckereien des Häuschens, dem mittlerweile eine ganze Wand fehlte, was aber den beiden Frauen im Haus noch nicht aufgefallen war, und stöhnte ganz erbärmlich.
"Aaauuh, warum hab ich nur dieses ganze süße Zeugs in mich reingestopft? Hermine, Hermine...", wimmerte er. "Professor Snape, ich brauche einen Zaubertrank gegen Magenschmerzen und Völlegefühl! Ich glaube nicht, dass ich das gerade gedacht habe! Snape? Wohl kaum! Und wer braucht schon Hermine?! Sei ein Mann, Ron! Du hast es gegessen, Du kannst es auch verdauen!"
Doch weit gefehlt. Genau in diesem Moment begann er sich zu übergeben, wie er sich noch nie in seinem Leben übergeben hatte, wenn man mal von dem Zwischenfall mit den Schnecken vor ein paar Jahren absah.
Harry dachte immer noch über die Anwesenheit des fluffigen Slytherin-Schafes nach. Konnte es wirklich Draco sein? Und wenn ja, sollte er es/ihn vielleicht von hier weglocken, sich in einen Wolf verwandeln und ihm den Schrecken seines jungen Lebens verpassen? Wäre das ein Spaß!
Während Harry noch überlegte war Ron fertig damit, seinen Mageninhalt von sich zu geben, aber es ging ihm immer noch nicht besonders gut. Um sich von seiner Übelkeit abzulenken begann er ein sehr eingängiges Lied mit den Fingern zu schnippen und zu summen und zu singen:
Aus den Tiefen des Waldes hörte Professor Snape seinen Namen. Widerwillig ließ er ab von seinem Tun und horchte in den Wind. Da sang jemand seinen Namen! Wild fluchend rappelte er sich vom Boden auf. "Ich hasse Schüler!" Denn diese abwechselnd tiefe und dann wieder kieksende Stimme gehörte eindeutig einem voller ungesteuerter Hormone steckendem Pubertierenden.
Er folgte dem Gesang und begann ebenfalls zu summen. Der Rhythmus war aber auch mehr als eingängig. Dann sah er den Schüler.
Alle möglichen Schüler hätte er jetzt hier erwartet, aber nicht Ron Weasley. Warum sollte ausgerechnet dieser rotschöpfige, immer hungrige Junge ihn hergerufen haben? Wenn er nicht plötzlich eine liebliche Stimme vernommen hätte, die ihn mit sanftem Gesäusel beim Namen rief, wäre Snape glatt in die Überreste von Rons Hexenhäuschen-Exzess getreten. Er begann an seinem Verstand zu zweifeln. Warum hörte er ständig Stimmen, die seinen Namen riefen? Und wo war er hier überhaupt? Vor ihm stand ein Knusperhäuschen, dem eine komplette Wand fehlte, so dass man ins Innere spähen konnte, und was er dort sah, verschlug ihm die Sprache...
Währenddessen versuchte Harry, dem Schaf mit dem Slytherin-Schal näher zu kommen. Er betrachtete sich das Tier genauer und wurde plötzlich von diesem angesprochen: "Verzieh' Dich! Ich will nicht, dass meine Tarnung auffliegt."
"Tarnung?" fragte Harry nach. "Ja, Tarnung!" - "Du bist nicht Malfoy, oder?" - "Nein, bin ich nicht. Ich bin Ralph, der Wolf und versuche Sam, den Schäfer zu überlisten, der übrigens auch eine gute Tarnung hat. Er verwandelt sich manchmal in einen großen, schwarzen Hirtenhund."
'Sirius!' schoss es durch Harrys Gedanken. "Ist dieser Sam hier in der Nähe?" wollte Harry wissen. "Er diskutiert dort drüben am Feuer gerade mit der Frau im Schottenmorgenmantel." Harry sah hinüber, riss die Augen auf, schnellte in die Höhe, breitete die Arme aus und schrie: "Sirius, Sirius, endlich sehe ich Dich wieder."
"Ey, Harry! Leidest Du an Alzheimer? Wir haben uns doch erst heute morgen gesehen. Du wohnst doch mit mir und meiner kurvenreichen Freundin Anna Kurvikowa in dem Hexenhäuschen hier im Verbotenen Wald, seit meine Unschuld bewiesen wurde. Manchmal mache ich mir echt Sorgen um die Rumsmurmel zwischen Deinen Schultern, die Du Deinen Kopf nennst, Bürschchen!" kläffte der schwarze Hund, der tatsächlich Harrys Patenonkel Sirius Black in seiner Animagusgestalt war.
In diesem Moment fiel ein Entzauberungszauber auf die Lichtung und statt jeder Menge Schafe standen dort plötzlich jede Menge Wölfe, die sich als Hirtenhunde getarnt hatten, und schafsäugige bis schafsköpfige Menschen, die sich aus irgendwelchen anderen Gründen als Schafe getarnt hatten. Wo die richtigen Schafe geblieben waren, wusste niemand, nicht einmal Mary, die immer noch ihr kleines Lamm suchte. Bis, ja bis das erste Schafe aus einer uralten Ulme fiel. Irgendein Witzbold hatte alle Schafe aus den Herden der Schäfer und Schäferinnen, die sich hier zum alljährlichen Schäfer-Nacht-Nackttanz getroffen hatten, in Vögel und andere Piepmätze verwandelt und sie fielen nun wieder zurückverwandelt reihenweise aus der Luft und den Bäumen.
Im Schloss näherte sich unterdessen unter der Regie Dumbledores der 'besondere' Abend seinem alljährlichen Höhepunkt, an dem traditionell nur Lehrer teilnehmen durften, wozu Lehrer verschiedener Schulen einmal im Jahr zusammen kamen, jedes Jahr an einer anderen Schule, um ihren geheimen Lehrerritualen zu frönen. Alle Ein- und Ausgänge zu den Schülerunterkünften waren magisch versiegelt worden. Um die Ausreißer würde man sich später kümmern müssen.
Diese geheimen Lehrerrituale wiederum waren so geheim, dass sich alle Teilnehmer schon einen Tag später nicht erinnern konnten, was sie da eigentlich getan hatten und warum. Deshalb wurde ebenso alljährlich ein "ACH, DA WAR JA NOCH WAS"-Trank gebraut und allen Lehrern verabreicht, die an eben jenen Ritualen teilnehmen sollten beziehungsweise mussten. Die Nebenwirkungen allein jedoch waren schon fürchterlich. Die Köpfe schwollen kurzzeitig auf Ballongröße an. Ein Rattern im Schädel ertönte, als führe ein Zug direkt durch den Hypothalamus. Anschließend fielen alle in eine Art Trance, stierten mit riesigen Augen in der Gegend herum und wankten mal hierhin, mal dorthin. War alles überstanden, trafen sich die Teilnehmer wie von Zauberhand geführt alle im Raum der Wünsche wieder.
Albus Dumbledore versuchte sich gerade als DJ und schob sich eine Baseballkappe verkehrt herum auf den Kopf. "It's cool man...", murmelte er in seinen langen Bart und legte die neusten Scheiben auf. Und während sich die Lehrer in ihren seltsamen Gewandungen auf der Tanzbühne wälzten, wippte er summend mit den Füßen, tippte dann einmal mit dem Zauberstab gegen sich selbst, dann gegen das Super-High-Zauber-Magic-Sound-Gerät und mischte sich in trashiger Lederkleidung mit wild gelocktem Graubart und supercooler magischer Sonnenbrille mit Scheibenwischern und Sinnesschirmen unter die Menge.
Unterdessen hatte sich Ron in der Nähe des stark ramponierten Knusperhäuschens gerade einigermaßen erholt, als ganz in der Nähe eine schnarrende, blechern klingende Stimme ertönte: "Autobots, zu mir!" Im Widerhall dieser befehlsgewohnten Stimme war das Knacken von Ästen zu hören, so laut, als würden ganze Bäume umgerissen.
Ron rutschte auf dem Hosenboden rückwärts in Richtung des vom Einsturz bedrohten Knusperhäuschens. "Gwarp? Bist Du das?" fragte er beinahe ängstlich, wobei das nur Einbildung sein konnte, da Ron bekanntermaßen nie ängstlich war.
Aus seinem Versteck hinter einem Busch heraus sah er einen riesigen Schatten auf sich zu wanken, riesiger als alles, was er in seinem bisherigen Leben je gesehen hatte, riesiger noch als Gwarp. Hektisch überlegte er, wo er sich in Sicherheit bringen könnte. Doch es war bereits zu spät: Der Schatten fiel über seine hingekauerte Gestalt - und auf die von Severus Snape, der von seiner Umgebung absolut nichts mitbekam und immer noch gebannt auf das Geschehen im Hexenhäuschen starrte.
Mit einem Mal zerriss ein ohrenbetäubendes Blöken die Stille der Nacht. Der gesamte Waldboden verwandelte sich in ein gigantisches Vlies aus Schafsfellen. Eng an eng quetschten und zwängten sich die mähenden Tiere aneinander und zwischen Bäumen, Büschen und Gestrüpp hindurch. Und sie waren überall, im Wald, auf dem Schlossgelände, im See, ja selbst durch das Schulgebäude trippelten sie. Selbst den vergnügungssüchtigen Lehrern wuselten sie zwischen den tanzenden Beinen herum. Da half kein noch so guter Sicherheitszauber.
Und worauf starrte Severus Snape denn nun so gebannt? Drei wunderhübsche, halb nackte Hexen, saßen im Knusperhäuschen und spielten Strip-Poker. Gerade legte Hermine einen Royal Flush aus, und Sybill Trelawney und die unbekannte blonde Hexe entfernten etwas grummelnd je einen Seidenstrumpf. "Hey Sev, ...hicks... komm rüber ...hicks... und spiel mit uns. ...hicks... Es macht ...hicks... höllischen Spaß. ...hicks...", lallte Sybill.
Doch bevor Severus sich in Bewegung setzen konnte, wurde er von einer Faust mitten auf sein Kinn getroffen. "Untersteh' Dich und glotz' meine Freundin Anna auf diese Weise an!" schrie Sirius Black. In Sekundenschnelle entwickelte sich ein Muggelfaustkampf, der auch als Ringkampf auf dem von allerlei Schafausscheidungen bedeckten Waldboden ohne alle Regeln geführt wurde, in dem sich die seit Jahrzehnten aufgestaute Feindseligkeit zwischen den beidem Männer unbarmherzig Bahn brach. Da wurde geschubst, geschlagen, getreten, geboxt und an den Haaren gerissen.
Bis jemandem in einem lichten Moment - zufällig war das, man konnte es kaum glauben, der noch immer durch den Wald irrende Vincent Crabbe - einfiel, dass man sich mit einem Zauberstab viel effektiver zur Wehr setzen konnte. Aber der von ihm benutzte und zur Trennung der beiden Kontrahenten bestimmte Stimuliszauber prallte gegen einen Baum, knallte blitzend zurück, und Crabbe fiel bewusstlos zu Boden. Und der Zauberblitz hatte ungeahnte Folgen.
Mit einem Mal erwachte der gesamte Waldboden zum Leben samt Gräsern, Farnen, Moosen, Erde und Laub. Alles knäulte und bauschte sich zusammen, bis sich über den Großteil des Verbotenen Waldes das größte, gewaltigste Schaf erhob, das die Welt je gesehen hatte. Mit dröhnender, klingender und irgendwie blökend meckernder Stimme begann es zu sprechen:
"Ich bin Sheepira, die Gottesmutter aller Schafe! Heute Nacht soll eine grausame Freveltat an meinen Kindern verübt werden! Die größten und bedeutendsten Köche der Muggel- und Zaubererwelt wollen meine Schäfchen durch den Fleischwolf drehen und daraus den größten und leckersten Schafs-Hackfleisch-Eintopf aller Zeiten kochen! Verhindert es, ihr durchgedrehten Zauber-Flitzpiepen oder spürt bis in alle Ewigkeit die Rache derer, die Eure gesamte Welt ermäht hat!"
Wie zur Demonstration hob das Riesenschaf das puschelige Schafsschwänzchen, das aus einem Holunderbusch bestand, und köttelte in die Landschaft, was wie ein Steinschlag klang und ein kurzes Erdbeben auslöste.
Nachdem die Erde wieder zur Ruhe gekommen war, waren Harry und Remus ebenso wie die Schäfer und Schäferinnen, die ihren Schäfchen gefolgt waren, die es zu ihrer Gottesmutter gezogen hatte und die jetzt geschlossen auf dem Boden knieten - so unglaublich es auch klingen mag, ja doch, man muss es 'Knien' nennen - und ihrer Göttin huldigten, worin die Schäfer und Schäferinnen nach kurzem, ungläubigen Staunen einfielen, auf der Lichtung angekommen, um zu sehen, was dort los war.
Nach einem kurzen, gelangweilten Blick auf Sirius und Severus ging es Harry durch den Kopf: 'Und ich habe immer noch keine Veela gesehen!' Er packte Ron, der neben ihm aufgetaucht war, am Kragen und zerrte ihn hinter sich her zwischen die Bäume. Es brauchte jedoch nur ein Wort von Harry – "Veela!" – und Ron gab seinen Widerstand auf und hastete an Harrys Seite mit beschwingten Schritten weiter.
Hermine, die die beiden verschwinden sah, fragte sich, was sie denn nun schon wieder anstellen würden und folgte ihnen, gerade so noch einen Zipfel von Rons hinter ihm her flatternden Umhang erkennend, der ihr den Weg wies. 'Meine Güte, haben die ein Tempo drauf!', dachte sie bei sich, als sie schon beinahe zehn Minuten hinter den beiden her gehechelt war und so langsam außer Puste geriet. "Wissen diese Hohlköpfe eigentlich, wo sie hin wollen?" dachte sie ein paar Minuten später und schlug sich erschrocken auf den Mund, als ihr auffiel, dass sie diesen Gedanken laut geäußert hatte. Sie blieb einen Moment stehen, um zu lauschen.
Das vernehmliche Knacken der Äste und die stampfenden Schritte von Ron und Harry brachte sie zu der Erkenntnis, dass die beiden wohl nichts gehört hatten. Zudem waren sie in eine heftige Diskussion vertieft, von der Hermine allerdings wegen der Entfernung nichts mitbekam.
"Warte mal, Fransenkopf!" sagte Ron gerade zu Harry und blieb ganz plötzlich stehen. "Das Treffen der Veela ist doch schon längst vorbei, deshalb warst Du ja so sauer, dass Hermine den Tarnumhang ausgeliehen hatte."
Harry zog eine ungeduldige und säuerliche Miene: "Ja, aber wer sagt denn, dass da nicht noch mehr von der Sorte im Wald sind, irgendwo ganz tief drinnen?"
Ron pflanzte sich im Schneidersitz unter eine Ulme und sah aus, als würde ihn keine Macht der Welt mehr von der Stelle bewegen: "Du bist ein alter Lügenbold, Du alte Narbenfresse!"
Die Heftigkeit dieses Ausspruchs schockierte Harry dann doch etwas. Und gleichzeitig spürte er eine undefinierbare Wut in sich aufsteigen.
In Hogwarts war die Lehrerparty vollends entgleist, und Hagrid saß noch immer grummelnd in seiner Hütte. Es wurde Zeit, dass die Turmuhr endlich 3:23 Uhr schlug und diesem ganzen Spuk ein Ende bereitete. Dieser Verbotene Wald und der verfluchte Zauberer, der diesen ganzen Blödsinn vor 323 Jahren herbei geschworen hatte. Und seit dieser Zeit verwandelte sich alle 23 Jahre der Verbotenen Wald in einen verwunschenen Wald. Und das immer am 23.3. Die Zeit des Lammens.
In diesem Augenblick gab es ein malmendes Geräusch, und das Dach der Hütte des Wildhüters verschwand zwischen den mahlenden Zähnen der Schafsgöttin Sheepira. Wie ein Bündel Gras verschwanden Ziegeln und Dachlatten in einem der vielen Schafsmägen. Völlig entsetzt starrte Hagrid in die glubschigen Schafsaugen des Reisenviehs. Er liebte zwar alle Arten von gefährlichen und ungewöhnlichen Kreaturen, aber das ging nun wirklich zu weit!
Das war jetzt das dritte Mal, dass er das alles mitmachen musste. Das dritte Mal, dass dieses dumme Mutterschaf sein Häuschen demolierte. Es reichte ihm! Endgültig! Hagrid griff nach seiner riesengerechten Armbrust, schoss auf das Riesenschaf und ... traf. Das Schaf fiel zu Boden. 'Das tat gut!' dachte Hagrid. Ein schlechtes Gewissen würde nicht aufkommen, wusste er doch, dass die Schafsmuttergöttin nicht wirklich getötet werden konnte. Aber bis 3:23 Uhr und die nächsten 23 Jahre würde er nun Ruhe haben.
Im linken Teil der östlichen Doppelturmhälfte des Südturms schlug unterdessen eine angeknackste Glocke misstönend 2:22 Uhr und läutete damit die letzte Phase des Wahnsinnszaubers ein. Alles und alle schienen sich in Zeitlupe zu bewegen. Sämtliche Schutzzauber um das Schlossgelände brachen summend in sich zusammen, und alle Lebewesen in einem Umkreis von mehreren Meilen wurden wie Eisen von einem starken Magneten zur Großen Halle von Hogwarts gezogen. Dorfbewohner von Hogsmeade wandelten wie im Schlaf neben Zentauren und anderen magischen Kreaturen aus dem Verbotenen Wald auf das Schloss zu. Slytherins und Gryffindors schwebten auf Zehenspitzen und händchenhaltend durch die Doppelflügeltüren der Großen Halle.
Die Lehrer wanden sich drinnen in einem großen Knäuel auf dem Steinfußboden. Severus Snape zwirbelte Minerva McGonagalls Ohrläppchen zwischen seinen Fingerspitzen. Filius Flitwick knabberte sabbernd mit verklärtem und abwesenden Blick an Sybill Trelawneys Schals und Tüchern herum. Hagrid betrat den Raum, während er seinen Saurüden Fang ordentlich knuddelte und knutschte.
Und Albus Dumbledore besah sich das Treiben mit einem verträumten Lächeln Woran er wohl dachte? Und er wartete darauf die letzte wichtige Aufgabe des Abends zu erledigen. Als endlich auch die letzten Jugendlichen von dem extra für diese Gelegenheit vor Jahrhunderten modifizierten Aufrufezauber angelockt aus dem Wald ins Schloss zurück kamen, und ein Blick auf die Uhr ihm betätigte, dass es bereits 3:17 Uhr war und damit höchste Zeit, wandte sich Dumbledore Harry, Ron, Hermine und einem nur teilweise wieder menschlichen Draco-Schaf zu. Darum würde er sich auch noch kümmern müssen, dachte Dumbledore seufzend. Er modifizierte ihre Gedächtnisse. Die anderen Schüler, die sich die ganze Zeit im Schloss befunden hatten, würden sich ohne sein Zutun an nichts mehr erinnern. Das war Teil des besonderen Zaubers, der in dieser Nacht über Hogwarts lag.
Um 3:23 Uhr stimmten die Glocken von Hogwarts und unten in Hogsmeade ein ohrenbetäubendes und schräges, beinahe schon blökendes Läuten an, und alle Wesen und Personen, die nicht in die Schule gehörten verschwanden wieder aus den ehrwürdigen Hallen der Lehranstalt. Die Schüler kehrten in ihre Betten zurück, und die Lehrer machten sich murrend ans Aufräumen.
Am nächsten Tag erinnerte nichts mehr und sich kaum einer an die nächtlichen Ausschweifungen des Lehrkörpers. Nur das dümmliche Grinsen, das die Mitglieder des Kollegiums ausnahmslos alle noch für mehrere Tage zeigten irritierte die Schüler und forderte zu wilden Spekulationen auf.
Es war tiefste Nacht, jedoch schien der Vollmond hell genug, dass Harry Potter den Weg zum Verbotenen Wald erkennen konnte. Mit mulmigem Gefühl drehte er sich zu Ron Weasley und Hermine Granger um, die hinter ihm her stampften.
Hermine nervte die ganze Zeit schon mit ihren andauernden ängstlichen Ermahnungen, Filch könne sie entdecken. Die Jungen waren arg genervt und tuschelten miteinander. Harry meinte: "Sollen wir einfach in die andere Richtung gehen?" - "Nix da", rief Ron mit verklärtem, sabberndem Blick, "das will ich mir nicht entgehen lassen".
Hermine warf ihm einen biestigen Blick zu. "Typisch Jungs!" grummelte sie. Harry rollte mit den Augen und grummelte in seinen leicht vorhandenen Flaum: "Oh Mann, die beiden nerven!"
Zu Ron sagte er dann lauter: "Na gut, aber dann gehe ich vor. Ihr seid gerade nicht zu ertragen! Außerdem habe ich euch von Anfang an nicht geglaubt, dass da Schafe und Schäfer im Verbotenen Wald sind und dass ausgerechnet Mitternacht die beste Zeit für ein Schäferstündchen sein soll!" - "Natürlich ist Mitternacht die beste Zeit dafür", kam es besserwisserisch von Hermine. "Hast Du nicht das Schaf-Kamasutra gelesen?" Ron blickte Hermine ungläubig an, und seine Augen drohten ihm fast aus den Höhlen zu quellen. "Aber, aber, dieses Buch steht doch in der Abteilung der verbotenen und gefährlichen Bücher!" japste er.
"Du erinnert Dich doch sicher daran, dass ich mir den Tarnumhang ausgeliehen hatte..." - "Den Du erst nach zwei Wochen zurückgegeben hast!" erinnerte Harry sie, immer noch leicht verärgert, hätte er ihn doch in dieser Zeit selbst gut gebrauchen können. Da hatte nämlich der monatliche Nachttanz der Veela zufällig mal auf dem Hogwarts-Gelände stattgefunden.
In diesem Moment näherte sich ihnen ein rosa-leuchtendes Objekt aus den Baumkronen aus dem Inneren des Waldes. Es war Luna Lovegood, die verträumt summend auf einem lumineszierenden Besen herangeschwebt kam.
Doch noch bevor die drei Freunde sie oder sich fragen konnten, was das nun wieder zu bedeuten hatte, hallte eine strenge und ärgerliche Stimme durch die Nacht zu ihnen. "Ja, sind Sie denn alle von der Hormon-Fee gebissen? Was haben Sie hier draußen zu suchen?" Es war Professor McGonagall, die mit wehendem Schottenkaromuster-Nachtrock und gezücktem Zauberstab auf sie zu kam.
Unsere drei Nachtwanderer erstarrten vor Schreck, doch bevor sie noch ein Wort sagen konnten, hörten sie erneut, hastige Schritte abseits der Wege und eine wohlbekannte Stimme sagte gerade: "Also meiner ist definitiv länger."
"Also, meine Herren Kollegen!" kreischte Minerva die beiden näher kommenden Gestalten an. "Achten Sie bitte auf Ihre Themen und Ihre Wortwahl. Hier sind verbotenerweise Minderjährige anwesend!" - "Was glauben die eigentlich, warum das hier 'Verbotener Wald' heißt?" hörten sie eine weitere ihnen nicht unbekannte Stimme raunen.
Professor Snape, wie immer in Schwarz, und Professor Lupin in Hellblau, kamen zeitgleich aus dem Gebüsch, die gezückten Zauberstäbe in den Händen. "Minerva, was treiben Sie hier? Und meiner ist doch länger", wandte sich Remus Lupin wieder an Severus Snape und wie um sein Argument zu stützen, fuchtelte er seinen Zauberstab aufgeregt hin und her.
Professor McGonagall schnappte empört nach Luft. "Das kommt alles von dieser Veela-Zusammenkunft in diesem Wald. Ich werde ein ernstes Wort mit Professor Dumbledore sprechen müssen, dass er so was in Zukunft verbietet!"
Doch in diesem Augenblick sahen sie den Professor höchstpersönlich, wie er kichernd, Arm in Arm und eng umschlungen mit Bartemius Crouch durch das Unterholz schlenderte.
"Minerva, mein Augenstern", hörten sie da plötzlich ein leises Säuseln nur knapp über Kniehöhe. Alle Blicke richteten sich auf Professor Flitwick, der hinter McGonagall aufgetaucht war und nun ihr linkes Bein umklammert hielt. "Wo bleibst Du denn, mein Whiskey-Fäßchen?"
Nun regte Hermine sich auf: "Also, ich wollte nur etwas fummeln und knutschen, aber was die Erwachsenen hier abziehen, ist echt widerlich!" - "Nur etwas fummeln und knutschen? Und da gehst Du gleich mit zwei so prächtigen männlichen Exemplaren in den Wald?" kam eine Stimme aus den hohen Baumwipfeln über ihnen. "Ich will mal eines klar stellen: ICH HABE DAMIT NICHTS ZU TUN! Ich wurde hierher gelockt! Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen!" empörte ich Harry. Er wollte auf keinen Fall, dass irgendjemand auf den Gedanken kommen könnte, es liefe da eine Dreiecksbeziehung zwischen ihm, Hermine und Ron. Das würde seine Chancen bei den Mädchen erheblich verringern!
Ron hatte die Gunst der Stunde ergriffen und war schon bei dem Wort 'fummeln' tiefer im Verbotenen Wald verschwunden. "Pfui, Spinne", dachte er noch. Schon schob sich Vincent Crabbe seitlich an ihn heran. "Hey, Redhead!" hauchte er. "Hier sind mir zu viele Leute. Wollen wir uns nicht mal am Samstag beim Quidditchplatz treffen? Nach dem Spiel, meine ich, wenn keiner mehr da ist!" Wie von Taranteln gestochen sprang Ron in die Luft. "HAAARRRYYYY! Hilf mir! Hol mich hier raus!"
"SOFORT ALLE AUFHÖREN!" brüllte Harry über das Getuschel und Geflirte hinweg. "Würden sich jetzt endlich wieder alle normal benehmen? Wir machen hier doch immer noch eine Nachtwanderung, oder? Außerdem wollen wir alle zum Lagerfeuer und Barbecue im Verbotenen Wald? ODER HABE ICH DA ETWAS FALSCH VERSTANDEN???"
"Stimmt. Da war doch diese Schafherde. Hammelfleisch schmeckt einfach wunderbar über dem Holzfeuer gegart", hörte man die körperlose Stimme aus den Baumwipfeln sagen. Alle blickten verwundert in die Luft. Wer sprach dort zu ihnen?
Das schwere Stapfen von großen Füßen ließ den Erdboden erzittern, und kurz darauf stand Hagrid, der Wildhüter, vor der versammelten Schar und sah sehr grimmig aus. "Finger weg von diesen Schafen!" grollte er und schwang dabei eine bedrohliche Keule aus Hartholz. "Die gehören einer gewissen Mary, und die sucht bereits ihr kleinstes Lamm!"
Währenddessen zog Luna Lovegood weiter über ihnen ihre Kreise und sang dabei ein höchst seltsames Lied, das immer lauter und kreischiger wurde: "I kissed a salamander and I liked it! I hope my Dad don't mind it!"
"War da nicht etwas mit Deinem Bruder und Schafen?" wollte Barty Crouch von Albus Dumbledore wissen. "Ziegen, keine Schafe", antwortete Albus zerstreut. "So", meldete sich ein sichtlich entnervter Harry wieder zu Wort, "so genau wollte ich das ALLES gar nicht wissen."
"Und wann machen die Schafe nun endlich ihr Kamasutra? Bevor oder nachdem wir sie über dem offenen Feuer gegrillt haben?" fragte ein deutlich erregter Crabbe, dessen Gelüste sich jetzt aber wieder eher auf das Essen konzentrierten als auf andere Dinge.
Harry rollte mit den Augen. Die einen dachten nur ans Fummeln, die anderen ans Essen, nur er, er wusste nicht woran er denken sollte! Er gab ein jammervolles Stöhnen von sich. In diesem Augenblick flog Luna mit ihrem rosa Leuchtbesen zu ihm herab, packte ihn am Kragen und zog ihn vor sich auf den Stiel. "Das wollte ich schon seit Jahren mal machen!" gluckste sie glücklich und raste auf die nächste hohe Eiche zu.
Hermine schnappte sich Ron am Kragen und rannte dem Besen mit gezücktem Zauberstab hinterher. "ACCIO! ACCIO HARRY!" schrie Hermine, worauf Ron nur ein entsetztes "Hast Du sie noch alle?" hervorbrachte.
Der Leuchtbesen krachte gegen die Eiche, und Harry und Luna konnten sich nur noch mit Mühe auf einen dickeren Ast retten. Jetzt saßen sie hier oben fest, während auf dem Boden noch heftig diskutiert wurde.
Hagrid jedoch kümmerte das alles überhaupt nicht mehr. Während er eine große Axt zückte und begann, die alte Eiche zu fällen, summte und brummte er ein alter Kinderlied vor sich hin:
"Mary had a little lamb ,
Its fleece was white as snow;
And everywhere that Mary went,
The lamb was sure to go.
He followed her to school one day;
Which was against the rule;
It made the children laugh and play;
To see a lamb at school.
"Why does the lamb love Mary so?"
The eager children cry;
"Why, Mary loves the lamb, you know,"
The teacher did reply."
Unter den wuchtigen Schlägen erbebte der Baum bis in die Spitze. Luna klammerte sich an Harry und die Eiche. Die Worte wollten ihr nicht so leicht wie gewohnt von den Lippen, so hörte es sich eher kläglich an, als sie meinte: "Harry, ich kann schweben. Ich hol' uns hier runter."
Von all dem bekam Filius Flitwick, der klitzekleine Zauberkraftlehrer, offensichtlich nichts mit, denn er umklammerte noch immer Minerva McGonagalls linkes Bein unter ihrem Nachtrock. Er versuchte sogar an seinem großen Schwarm hinaufzuklettern, um ihr seinen Zeigefinger ins Ohr zu stecken, aber sie schüttelte ihn genervt ab. Auch andere Lehrkörper schien jetzt nichts mehr zu halten, woraufhin Vincent Crabbe sich verschreckt ins Unterholz verzog.
Mittlerweile erzitterte die Eiche immer mehr. Harry fühlte sich schwer geschüttelt und blickte entsetzt in den Abgrund. "Du kannst wirklich schweben?" fragte er Luna. Diese nickte und richtete den Zauberstab auf ihn. "WINGARDIUM LEVIOSA!"
"NEIN, LIEBE LUNA!" hauchte plötzlich wieder die körperlose Stimme aus den Baumkronen. "DU KANNST NICHT SCHWEBEN! ICH WERDE EUCH RETTEN! ICH BIN DIE GUTE FEE GALAKTIKA VOM FERNEN STERN ANDROMEDA!!!"
"Pappalapapp!" knurrte Hagrid. "Du bist die alte Eule Trelawney. Und dieser Wald muss weg, damit ich hier Ein-Familien-Bungalow-Fertighäuser errichten und verkaufen kann!" Munter schlug Hagrid weiter auf den Stamm der Eiche ein, und Harry verzweifelte so langsam aber sicher in der Spitze der selbigen. Hermine und Ron stritten noch immer, aber über ein anderes Thema, sie hatten ihn Harry total vergessen!
"ZACK! KLAMOTTENTAUSCH!" sprang plötzlich Severus Snape mit einem neuen irrsinnigen Vorschlag aus dem Gebüsch und riss sich den schwarzen Umhang vom Leib. Er stürmte auf Minerva zu und wollte sich ihren schottenkarierten Nachtrock anziehen, aber die Lehrerin für Verwandlungen rang noch immer mit Flitwick, um sich den kleinen Kerl vom Hals zu schaffen.
Harry reichte es jetzt endgültig. Mit einer Hand hielt er sich an einem Ast fest, mit der anderen holte er seinen Zauberstab hervor und verpasste Ron und Hermine ein paar Schockzauber, um ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu erringen.
Severus Snape war es inzwischen sichtlich peinlich ohne Klamotten herum zu laufen, und da er das Nachtgewand von Minerva McGonagall nicht ergattern konnte, wandte er sich fragend zu Remus Lupin um. "Hellblau, steht Ihnen nicht, Severus", antwortete dieser geistesgegenwärtig und ergriff die Flucht.
Ron sagte auch eher etwas verkniffen: "Hermine, musstest Du heute unbedingt einen Minirock anziehen?" Hermine schüttelte den Kopf. "Also, das ist zwar meiner, aber den hatte ich heute doch gar nicht an! Außerdem war das mit dem Klamottentausch wohl eher eine Schnapsidee vom ollen Snape!"
Remus Lupin starrte derweil gebannt auf die Wolken am Nachthimmel. "Hatte vorhin nicht jemand was von Vollmond erzählt? Severus? War bei unserem Saufgelage heute Nacht vielleicht zufällig ein Fläschchen Wolfsbanntrank dabei? Ich meine, wenn nicht, dann... HOWWWWWWWWWLLLLLL!!!"
Minerva schüttelte Flitwick endlich ab, ging auf Snape zu und baute sich vor ihm auf: "SEVERUS SNAPE! HAST DU HEUTE DEINE PFLICHTEN VERNACHLÄSSIGT?!" Snape schluckte und nickte.
"So, meine Wertesten!" mischte sich nun auch wieder der Schulleiter Albus Dumbledore in das Geschehen ein. "So kann das doch hier nicht weiter gehen. Wir fassen uns jetzt mal alle an den Schultern und dann... POLONAISE BIS IN HAGRIDS HÜTTE!!!" Alle jubelten auf. Auch Hagrid reihte sich ein und fasste Crabbe von hinten an die Schultern.
Nur Luna und Harry bleiben auf ihrem Baum zurück. "Hey!" brüllte Harry. "Und was ist mit uns?" Über ihm hatte es sich Luna auf einem stabilen Ast so richtig bequem gemacht und reichte ihm mit einem "Komm rauf, hier ist es schön kuschelig", eine Hand nach unten, die Harry mit dem Gedanken 'Was soll's?' ergriff und sich hochziehen ließ.
Kaum, dass er neben Luna auf dem Ast saß, kam eine Schafherde zwischen den Bäumen hindurch, unter ihnen eines mit einem Slytherinschal, welches sich direkt unter ihrem Baum in einen Menschen verwandelte. "Ich glaub 's nicht!" rief Harry schockiert. "Das... das ist... das ist ja...", stotterte Luna. "Draco Malfoy", bestätigte Harry und wollte sich lieber nicht vorstellen, was Draco bei den Schafen gemacht und ob er vielleicht auch in den verbotenen Bereichen der Bibliothek nach dem Kamasutra gestöbert hatte.
"Määäähhh!" blökte Draco laut und schüttelte sich, zog seinen Schal enger um den Hals und folgte dem Gesang der Polonaisekette, die sich immer weiter vom Ort des Geschehens entfernte. Die Schafherde folgte ihm unaufdringlich.
Doch noch in Sichtweite von Luna und Harry kam ein blond gelocktes Mädchen, das eine Kette um den Hals trug, die deutlich sichtbar verkündete, dass sie Mary hieß, auf die Schafherde zu gerannt und rief: "Lämmchen! Mein Lämmchen! Da bist Du ja!" und warf sich in Dracos einladend geöffnete Arme.
Die von Dumbledore angeführte Polonaisegruppe bewegte sich immer weiter auf Hagrids Hütte zu und sang dabei lautstark, textsicher, aber nur jeden zweiten Ton treffend: "Die Karawane zieht weiter, der Schulleiter hat Durst..." Severus Snape hatte zwichenzeitlich den Umhang von Flitwick in einen Lendenschurz umfunktioniert - es war doch ein wenig kühl.
Vor Hagrids Hüttentür angekommen, zückte der Wildhüter jedoch wieder seine Axt und stellte sich der Polonaise breitbeinig in den Weg. "Hier kommt ihr net rein!" verkündete er. "Jetzt da der Immobilienmarkt total zusammengebrochen ist, lohnen sich keine Ein-Familien-Bungalow-Fertighäuser auf dem Schulgelände mehr. Außerdem sind mir die Feuerwhiskey-Vorräte ausgegangen. Und wenn ich mich nicht irre, läuft immer noch ein wilder Werwolf im Wald herum. Und das mit den ganzen Schäfern und Schafen da drinnen, die sich zu ihrem jährlichen Nachttanz getroffen haben. Das bedeutet Ärger, wenn ich mich nicht irre. Und ich irre mich nie, wenn ich mich nicht irre."
"Hat da jemand etwas von Nackttanz gesagt?" fragte die gerade hinzu gekommene Sybill Trelawney mit einem Leuchten in den Augen.
Harry hatte die Hockerei auf der Eiche nun endgültig satt, und er begann wagemutig den Abstieg. "Bleib hier", säuselte Luna traurig. "Ohne Dich ist alles doof!" Und sie begann aufzuzählen: "Eiche doof! Verbotener Wald doof! Schafe doof! Besen doof! Quidditch doof! Lehrer doof! Ravenclaw doof! Hogwarts doof! Klitterer doof!" Harry warf ihr einen traurigen Blick hinauf. "Schade, Lunchen, vielleicht wäre an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit was aus uns beiden geworden!"
"Dann eben nicht!" erklärte Luna fröhlich und schwebte nun tatsächlich an ihm vorbei auf den Waldboden. "Ich hoffe die anderen haben mir noch was von der Festtagstorte übrig gelassen!" Mit diesen Worten und wild in alle Richtungen rudernden Armen verschwand sie irgendwo in der Dunkelheit.
Vor Hagrids Hütte ging das wilde Durcheinander weiter. Hermine, scheinbar taub und blind für ihre Umgebung, kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Ich habe das untrügliche Gefühl, etwas sehr Wichtiges vergessen zu haben."
Harry streifte unterdessen immer tiefer in den Verbotenen Wald hinein. In der Ferne hörte er das unheilvolle Heulen eines Wolfes und hin und wieder auch ein leises Blöken. Mit einem fast schon gehässigen Grinsen verwandelte er sich in seine neuste Animagusgestalt, einen Wolf. Können Wölfe grinsen? Dieser tat es! Nun denn, also ging das Schaf im Wolfsfell den Wolf im Schafsfell suchen. Zudem war er in Wolfsgestalt besser dran sollte er Remus Lupin über den Weg laufen.
"Ey, Potter-Bengel", sagte da ein äußerst arrogant wirkender Lupin, der in seiner Menschengestalt an einer Fichte lehnte und sich die Fingernägel feilte. "Seit wann kannst Du Dich in einen Wolf verwandeln? Also ich bin gar kein Werwolf, weißt Du. Ich habe das nur immer behauptet, weil die Mädels nun mal auf das Tier im Manne abfahren. Was da so heult ist übrigens ein Schäferhund. Und der hat ganz viele Freunde, und die sind gar nicht gut auf Wölfe zu sprechen. Also, ich an Deiner Stelle..."
Andernorts stieß Hermine einen schrillen Schrei aus: "HARRY! WIR HABEN HARRY VERGESSEN! IHN EINFACH HILFLOS ZURÜCK GELASSEN! IM VERBOTENEN WALD! MIT LUNA! BEI DEN GANZEN GEFÄHRLICHEN TIEREN! UND LUPIN! UND... UND... WAS SIND WIR NUR FÜR FREUNDE!" – "Schlechte", kommentierte Ron, packte sie an der Hand und führte die nun vor Verzweiflung schluchzende Hermine in den Wald zurück.
Währenddessen war die 'Schlacht' an Hagrids Hütte in vollem Gange. Snape knutschte mit Sybill. Minerva hatte den Liebesschwüren Flitwicks nachgegeben. Die wild blökenden Schafe, verwirrt über das ganze unübersehbare Getümmel, überrannten Mary und Draco, die zu Boden gingen. Und Dumbledore klatschte in die Hände. Sofort stoben Sybill und Severus sowie Filius und Minerva auseinander. Snape spuckte sogar angewidert auf den Boden vor Hagrids Hütte.
"Herrschaften!" verkündete Dumbledore, während er seinem Bruder Aberforth noch einen tadelnden Blick zu warf, denn dieser hatte seine seltsamen Vorlieben nun wohl doch von Ziegen auf Schafe ausgeweitet. "Ich glaube, an diesem ganzen skandalösen Treiben sind nur diese Veela schuld. Wir sollten jetzt vielleicht alle mal wieder vernünftig werden. So sehr vom Aussterben sind die Zauberer und Hexen nun auch wieder nicht bedroht, dass wir in dieser Nacht unbedingt ganz viele neue machen müssten. Ich glaube, im Speisesaal oben im Schloss gibt es noch warmen Eierpunsch. Also, wenn ich Sie bitten dürfte."
Minerva McGonagall raffte als erste ihren schottenkarierten Nachtrock um sich und ging voran, nicht ohne einen letzten sehnsüchtigen Blick auf Filius Flitwick. Ob wohl stimmte, was man sich über kleine Männer erzählte? Mit diesem Gedanken kam ihr Severus' Nase in den Sinn. Ob wohl auch dieses Muggelsprichwort stimmte?
Harry blickte Lupin begeistert an und verwandelte sich ganz schnell zurück in seine ursprüngliche Gestalt. "Wo sind die Schäfer? Darum sind wir doch in den Wald gekommen." Lupin lächelte etwas schief. "Wir ja auch, mein Junge, Professor Snape und ich. Da soll es auch so ein paar Schäferinnen geben... ! Weißt Du überhaupt um die Besonderheiten dieser Nacht?"
Harry schaute zum Himmel, sah die Sternenbilder und den Mond, aber mehr auch nicht! Er sah Remus an und meinte dann jäh: "Was ist denn besonders? Bin ich Trelawney? Ich sehe nichts! Und wieso bist Du kein Werwolf?"
"Also, ich glaube, Du bist der dämlichste Schüler, den ich je hatte!" schüttelte Lupin den Kopf. "Außerdem hast Du mir nicht zugehört. Ich bin gar kein Werwolf. Nie gewesen. War alles nur Show für die Mädels!"
Auch Harry schüttelte den Kopf. Was hatte dieser Typ denn plötzlich? Warum musste er ihn unbedingt beleidigen? Konnte dieser Fatzke wirklich ein Freund seiner Eltern gewesen sein? Hatte sicher irgendwas mit der Besonderheit dieser Nacht zu tun. Leicht angesäuert stapfte er tiefer in den Wald hinein, wo bereits eine große Versammlung von Schäfern und Schäferinnen um ein riesiges Lagerfeuer versammelt war und mit Fässern und Flaschen voller alkoholischer Getränken Berge von vegetarischem Grillgut genossen.
Während Harry und Remus sich aufmachten, sich der rauschenden Party anzuschließen, waren Hermine und Ron wieder im Wald unterwegs, auf der Suche nach ihrem verlorenen Freund, als vor ihnen ein Licht aus dem Dunkel auftauchte. Hermine war wie vor den Kopf gestoßen und wollte es nicht glauben, als sie näher kamen und sie erkannte, um was es sich handelte. Aber ein Blick in Rons verklärtes Gesicht und das überlaute Geräusch seines in Erwartung einer Mahlzeit knurrenden Magens bestätigte ihren Verdacht ebenso wirksam wie Rons folgende Worte: "Wow! Ich wusste ja gar nicht, dass es im Verbotenen Wald ein Fly-In von Merlin-Burger gibt! Tolle Leuchtreklame! Ich bin übrigens am Verhungern!"
"Ron, dass ist kein Fly-In von Merlin-Burger, das ist eine Waldamorgana. Dein knurrender Magen spielt Dir nur was vor und projiziert das ganze auch noch auf meine Pupillen!" Sie blinzelte zweimal heftig und das Fly-In verschwand. Doch statt dessen tauchte etwas gänzlich Anderes auf.
Hermine dachte, sie sähe nicht richtig: Ein kleines, schiefes Häuschen voll von Süßigkeiten, Keksen, Lakritzen und Lebkuchen. 'Das ist nichts Gutes', dachte sie noch, doch Ron war begeistert. "Auch nicht schlecht", rief er, stürzte zum Häuschen und griff mit beiden Händen zu.
Da stand auf einmal eine schlanke, verführerische Frau mit wallendem, blonden Haar und wunderschönen grünen Augen vor ihm. "Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen anstatt an mir?" säuselte sie. Ron, den Mund voller Schokolade und die Hände voll Zuckerbrezeln, nahm überhaupt keine Notiz von ihr. "KNUSPER, KNUSPER, KNÄUSCHEN, ICH BIN VIEL LECKERER ALS MEIN HÄUSCHEN!" rief die dralle Blondine.
"Bemühen Sie sich nicht, Werteste. Solange dieser Herr dort Essen vor Augen und greifbar hat, wird alle Liebesmüh vergeblich sein!" klärte Hermine die Fremde auf. "Aber, aber...", stammelte diese, "ich bin's doch, das Zuckermäuschen aus dem Knusperhäuschen! Alle Männer sind doch immer ganz... Noch nie ist mir so etwas..." Verwirrt drehte sie sich um.
"Warten Sie", rief Hermine. "Wozu brauchen wir Männer? Wer sagt denn, dass wir zwei nicht ebenso Spaß haben können?!" Das Gesicht der Blondine hellte sich auf. "Recht haben Sie! Kommen Sie, ich zeig Ihnen mein trautes Heim!" Und mit diesen Worten zog sie Hermine durch die von Baumkuchen umrahmte Tür ins Innere des Knusperhäuschens.
War es Zufall, dass Hermine auf einmal die Zeilen eines aktuellen Chartbreakers durch den Kopf schossen?
"I kissed a girl and I liked it.
Us girls, we are so magical
Soft skin, red lips, so kissable
Hard to resist, so touchable
Too good to deny it
Ain't no big deal, it's innocent…"
Nur ganz weit hinten in ihrem klugen Köpfchen tauchte schemenhaft der Gedanke an Ron auf. Ron, wer war noch mal Ron... ?
Da saßen sie nun. Harry naschte gerade ein gegrilltes Sojawürstchen am Spieß und warf Remus verstohlene Blicke zu, der sich mit einer der Schäferinnen eine Schale Spaghettisalat teilte und sie dabei mit einem verliebten Hundeblick anhimmelte. Suchend ging Harrys Blick die große Runde entlang und blieb bei dem Schaf mit dem Slytherinschal hängen. Es sah so fluffig aus, aber wieso war Draco wieder ein Schaf? Und wieso fluffig?
Der Junge, der von seiner Freundin vergessen wurde, lag derweil wie ein vollgefressener Käfer auf dem Rücken, alle Viere von sich gestreckt, sein Bauch zum Platzen gefüllt mit den Leckereien des Häuschens, dem mittlerweile eine ganze Wand fehlte, was aber den beiden Frauen im Haus noch nicht aufgefallen war, und stöhnte ganz erbärmlich.
"Aaauuh, warum hab ich nur dieses ganze süße Zeugs in mich reingestopft? Hermine, Hermine...", wimmerte er. "Professor Snape, ich brauche einen Zaubertrank gegen Magenschmerzen und Völlegefühl! Ich glaube nicht, dass ich das gerade gedacht habe! Snape? Wohl kaum! Und wer braucht schon Hermine?! Sei ein Mann, Ron! Du hast es gegessen, Du kannst es auch verdauen!"
Doch weit gefehlt. Genau in diesem Moment begann er sich zu übergeben, wie er sich noch nie in seinem Leben übergeben hatte, wenn man mal von dem Zwischenfall mit den Schnecken vor ein paar Jahren absah.
Harry dachte immer noch über die Anwesenheit des fluffigen Slytherin-Schafes nach. Konnte es wirklich Draco sein? Und wenn ja, sollte er es/ihn vielleicht von hier weglocken, sich in einen Wolf verwandeln und ihm den Schrecken seines jungen Lebens verpassen? Wäre das ein Spaß!
Während Harry noch überlegte war Ron fertig damit, seinen Mageninhalt von sich zu geben, aber es ging ihm immer noch nicht besonders gut. Um sich von seiner Übelkeit abzulenken begann er ein sehr eingängiges Lied mit den Fingern zu schnippen und zu summen und zu singen:
"Snape, Snape, Severus Snape.
Snape, Snape, Severus Snape… ."
Aus den Tiefen des Waldes hörte Professor Snape seinen Namen. Widerwillig ließ er ab von seinem Tun und horchte in den Wind. Da sang jemand seinen Namen! Wild fluchend rappelte er sich vom Boden auf. "Ich hasse Schüler!" Denn diese abwechselnd tiefe und dann wieder kieksende Stimme gehörte eindeutig einem voller ungesteuerter Hormone steckendem Pubertierenden.
Er folgte dem Gesang und begann ebenfalls zu summen. Der Rhythmus war aber auch mehr als eingängig. Dann sah er den Schüler.
"Ron, Ron, Ron Weasley!"
Alle möglichen Schüler hätte er jetzt hier erwartet, aber nicht Ron Weasley. Warum sollte ausgerechnet dieser rotschöpfige, immer hungrige Junge ihn hergerufen haben? Wenn er nicht plötzlich eine liebliche Stimme vernommen hätte, die ihn mit sanftem Gesäusel beim Namen rief, wäre Snape glatt in die Überreste von Rons Hexenhäuschen-Exzess getreten. Er begann an seinem Verstand zu zweifeln. Warum hörte er ständig Stimmen, die seinen Namen riefen? Und wo war er hier überhaupt? Vor ihm stand ein Knusperhäuschen, dem eine komplette Wand fehlte, so dass man ins Innere spähen konnte, und was er dort sah, verschlug ihm die Sprache...
Währenddessen versuchte Harry, dem Schaf mit dem Slytherin-Schal näher zu kommen. Er betrachtete sich das Tier genauer und wurde plötzlich von diesem angesprochen: "Verzieh' Dich! Ich will nicht, dass meine Tarnung auffliegt."
"Tarnung?" fragte Harry nach. "Ja, Tarnung!" - "Du bist nicht Malfoy, oder?" - "Nein, bin ich nicht. Ich bin Ralph, der Wolf und versuche Sam, den Schäfer zu überlisten, der übrigens auch eine gute Tarnung hat. Er verwandelt sich manchmal in einen großen, schwarzen Hirtenhund."
'Sirius!' schoss es durch Harrys Gedanken. "Ist dieser Sam hier in der Nähe?" wollte Harry wissen. "Er diskutiert dort drüben am Feuer gerade mit der Frau im Schottenmorgenmantel." Harry sah hinüber, riss die Augen auf, schnellte in die Höhe, breitete die Arme aus und schrie: "Sirius, Sirius, endlich sehe ich Dich wieder."
"Ey, Harry! Leidest Du an Alzheimer? Wir haben uns doch erst heute morgen gesehen. Du wohnst doch mit mir und meiner kurvenreichen Freundin Anna Kurvikowa in dem Hexenhäuschen hier im Verbotenen Wald, seit meine Unschuld bewiesen wurde. Manchmal mache ich mir echt Sorgen um die Rumsmurmel zwischen Deinen Schultern, die Du Deinen Kopf nennst, Bürschchen!" kläffte der schwarze Hund, der tatsächlich Harrys Patenonkel Sirius Black in seiner Animagusgestalt war.
In diesem Moment fiel ein Entzauberungszauber auf die Lichtung und statt jeder Menge Schafe standen dort plötzlich jede Menge Wölfe, die sich als Hirtenhunde getarnt hatten, und schafsäugige bis schafsköpfige Menschen, die sich aus irgendwelchen anderen Gründen als Schafe getarnt hatten. Wo die richtigen Schafe geblieben waren, wusste niemand, nicht einmal Mary, die immer noch ihr kleines Lamm suchte. Bis, ja bis das erste Schafe aus einer uralten Ulme fiel. Irgendein Witzbold hatte alle Schafe aus den Herden der Schäfer und Schäferinnen, die sich hier zum alljährlichen Schäfer-Nacht-Nackttanz getroffen hatten, in Vögel und andere Piepmätze verwandelt und sie fielen nun wieder zurückverwandelt reihenweise aus der Luft und den Bäumen.
Im Schloss näherte sich unterdessen unter der Regie Dumbledores der 'besondere' Abend seinem alljährlichen Höhepunkt, an dem traditionell nur Lehrer teilnehmen durften, wozu Lehrer verschiedener Schulen einmal im Jahr zusammen kamen, jedes Jahr an einer anderen Schule, um ihren geheimen Lehrerritualen zu frönen. Alle Ein- und Ausgänge zu den Schülerunterkünften waren magisch versiegelt worden. Um die Ausreißer würde man sich später kümmern müssen.
Diese geheimen Lehrerrituale wiederum waren so geheim, dass sich alle Teilnehmer schon einen Tag später nicht erinnern konnten, was sie da eigentlich getan hatten und warum. Deshalb wurde ebenso alljährlich ein "ACH, DA WAR JA NOCH WAS"-Trank gebraut und allen Lehrern verabreicht, die an eben jenen Ritualen teilnehmen sollten beziehungsweise mussten. Die Nebenwirkungen allein jedoch waren schon fürchterlich. Die Köpfe schwollen kurzzeitig auf Ballongröße an. Ein Rattern im Schädel ertönte, als führe ein Zug direkt durch den Hypothalamus. Anschließend fielen alle in eine Art Trance, stierten mit riesigen Augen in der Gegend herum und wankten mal hierhin, mal dorthin. War alles überstanden, trafen sich die Teilnehmer wie von Zauberhand geführt alle im Raum der Wünsche wieder.
Albus Dumbledore versuchte sich gerade als DJ und schob sich eine Baseballkappe verkehrt herum auf den Kopf. "It's cool man...", murmelte er in seinen langen Bart und legte die neusten Scheiben auf. Und während sich die Lehrer in ihren seltsamen Gewandungen auf der Tanzbühne wälzten, wippte er summend mit den Füßen, tippte dann einmal mit dem Zauberstab gegen sich selbst, dann gegen das Super-High-Zauber-Magic-Sound-Gerät und mischte sich in trashiger Lederkleidung mit wild gelocktem Graubart und supercooler magischer Sonnenbrille mit Scheibenwischern und Sinnesschirmen unter die Menge.
Unterdessen hatte sich Ron in der Nähe des stark ramponierten Knusperhäuschens gerade einigermaßen erholt, als ganz in der Nähe eine schnarrende, blechern klingende Stimme ertönte: "Autobots, zu mir!" Im Widerhall dieser befehlsgewohnten Stimme war das Knacken von Ästen zu hören, so laut, als würden ganze Bäume umgerissen.
Ron rutschte auf dem Hosenboden rückwärts in Richtung des vom Einsturz bedrohten Knusperhäuschens. "Gwarp? Bist Du das?" fragte er beinahe ängstlich, wobei das nur Einbildung sein konnte, da Ron bekanntermaßen nie ängstlich war.
Aus seinem Versteck hinter einem Busch heraus sah er einen riesigen Schatten auf sich zu wanken, riesiger als alles, was er in seinem bisherigen Leben je gesehen hatte, riesiger noch als Gwarp. Hektisch überlegte er, wo er sich in Sicherheit bringen könnte. Doch es war bereits zu spät: Der Schatten fiel über seine hingekauerte Gestalt - und auf die von Severus Snape, der von seiner Umgebung absolut nichts mitbekam und immer noch gebannt auf das Geschehen im Hexenhäuschen starrte.
Mit einem Mal zerriss ein ohrenbetäubendes Blöken die Stille der Nacht. Der gesamte Waldboden verwandelte sich in ein gigantisches Vlies aus Schafsfellen. Eng an eng quetschten und zwängten sich die mähenden Tiere aneinander und zwischen Bäumen, Büschen und Gestrüpp hindurch. Und sie waren überall, im Wald, auf dem Schlossgelände, im See, ja selbst durch das Schulgebäude trippelten sie. Selbst den vergnügungssüchtigen Lehrern wuselten sie zwischen den tanzenden Beinen herum. Da half kein noch so guter Sicherheitszauber.
Und worauf starrte Severus Snape denn nun so gebannt? Drei wunderhübsche, halb nackte Hexen, saßen im Knusperhäuschen und spielten Strip-Poker. Gerade legte Hermine einen Royal Flush aus, und Sybill Trelawney und die unbekannte blonde Hexe entfernten etwas grummelnd je einen Seidenstrumpf. "Hey Sev, ...hicks... komm rüber ...hicks... und spiel mit uns. ...hicks... Es macht ...hicks... höllischen Spaß. ...hicks...", lallte Sybill.
Doch bevor Severus sich in Bewegung setzen konnte, wurde er von einer Faust mitten auf sein Kinn getroffen. "Untersteh' Dich und glotz' meine Freundin Anna auf diese Weise an!" schrie Sirius Black. In Sekundenschnelle entwickelte sich ein Muggelfaustkampf, der auch als Ringkampf auf dem von allerlei Schafausscheidungen bedeckten Waldboden ohne alle Regeln geführt wurde, in dem sich die seit Jahrzehnten aufgestaute Feindseligkeit zwischen den beidem Männer unbarmherzig Bahn brach. Da wurde geschubst, geschlagen, getreten, geboxt und an den Haaren gerissen.
Bis jemandem in einem lichten Moment - zufällig war das, man konnte es kaum glauben, der noch immer durch den Wald irrende Vincent Crabbe - einfiel, dass man sich mit einem Zauberstab viel effektiver zur Wehr setzen konnte. Aber der von ihm benutzte und zur Trennung der beiden Kontrahenten bestimmte Stimuliszauber prallte gegen einen Baum, knallte blitzend zurück, und Crabbe fiel bewusstlos zu Boden. Und der Zauberblitz hatte ungeahnte Folgen.
Mit einem Mal erwachte der gesamte Waldboden zum Leben samt Gräsern, Farnen, Moosen, Erde und Laub. Alles knäulte und bauschte sich zusammen, bis sich über den Großteil des Verbotenen Waldes das größte, gewaltigste Schaf erhob, das die Welt je gesehen hatte. Mit dröhnender, klingender und irgendwie blökend meckernder Stimme begann es zu sprechen:
"Ich bin Sheepira, die Gottesmutter aller Schafe! Heute Nacht soll eine grausame Freveltat an meinen Kindern verübt werden! Die größten und bedeutendsten Köche der Muggel- und Zaubererwelt wollen meine Schäfchen durch den Fleischwolf drehen und daraus den größten und leckersten Schafs-Hackfleisch-Eintopf aller Zeiten kochen! Verhindert es, ihr durchgedrehten Zauber-Flitzpiepen oder spürt bis in alle Ewigkeit die Rache derer, die Eure gesamte Welt ermäht hat!"
Wie zur Demonstration hob das Riesenschaf das puschelige Schafsschwänzchen, das aus einem Holunderbusch bestand, und köttelte in die Landschaft, was wie ein Steinschlag klang und ein kurzes Erdbeben auslöste.
Nachdem die Erde wieder zur Ruhe gekommen war, waren Harry und Remus ebenso wie die Schäfer und Schäferinnen, die ihren Schäfchen gefolgt waren, die es zu ihrer Gottesmutter gezogen hatte und die jetzt geschlossen auf dem Boden knieten - so unglaublich es auch klingen mag, ja doch, man muss es 'Knien' nennen - und ihrer Göttin huldigten, worin die Schäfer und Schäferinnen nach kurzem, ungläubigen Staunen einfielen, auf der Lichtung angekommen, um zu sehen, was dort los war.
Nach einem kurzen, gelangweilten Blick auf Sirius und Severus ging es Harry durch den Kopf: 'Und ich habe immer noch keine Veela gesehen!' Er packte Ron, der neben ihm aufgetaucht war, am Kragen und zerrte ihn hinter sich her zwischen die Bäume. Es brauchte jedoch nur ein Wort von Harry – "Veela!" – und Ron gab seinen Widerstand auf und hastete an Harrys Seite mit beschwingten Schritten weiter.
Hermine, die die beiden verschwinden sah, fragte sich, was sie denn nun schon wieder anstellen würden und folgte ihnen, gerade so noch einen Zipfel von Rons hinter ihm her flatternden Umhang erkennend, der ihr den Weg wies. 'Meine Güte, haben die ein Tempo drauf!', dachte sie bei sich, als sie schon beinahe zehn Minuten hinter den beiden her gehechelt war und so langsam außer Puste geriet. "Wissen diese Hohlköpfe eigentlich, wo sie hin wollen?" dachte sie ein paar Minuten später und schlug sich erschrocken auf den Mund, als ihr auffiel, dass sie diesen Gedanken laut geäußert hatte. Sie blieb einen Moment stehen, um zu lauschen.
Das vernehmliche Knacken der Äste und die stampfenden Schritte von Ron und Harry brachte sie zu der Erkenntnis, dass die beiden wohl nichts gehört hatten. Zudem waren sie in eine heftige Diskussion vertieft, von der Hermine allerdings wegen der Entfernung nichts mitbekam.
"Warte mal, Fransenkopf!" sagte Ron gerade zu Harry und blieb ganz plötzlich stehen. "Das Treffen der Veela ist doch schon längst vorbei, deshalb warst Du ja so sauer, dass Hermine den Tarnumhang ausgeliehen hatte."
Harry zog eine ungeduldige und säuerliche Miene: "Ja, aber wer sagt denn, dass da nicht noch mehr von der Sorte im Wald sind, irgendwo ganz tief drinnen?"
Ron pflanzte sich im Schneidersitz unter eine Ulme und sah aus, als würde ihn keine Macht der Welt mehr von der Stelle bewegen: "Du bist ein alter Lügenbold, Du alte Narbenfresse!"
Die Heftigkeit dieses Ausspruchs schockierte Harry dann doch etwas. Und gleichzeitig spürte er eine undefinierbare Wut in sich aufsteigen.
In Hogwarts war die Lehrerparty vollends entgleist, und Hagrid saß noch immer grummelnd in seiner Hütte. Es wurde Zeit, dass die Turmuhr endlich 3:23 Uhr schlug und diesem ganzen Spuk ein Ende bereitete. Dieser Verbotene Wald und der verfluchte Zauberer, der diesen ganzen Blödsinn vor 323 Jahren herbei geschworen hatte. Und seit dieser Zeit verwandelte sich alle 23 Jahre der Verbotenen Wald in einen verwunschenen Wald. Und das immer am 23.3. Die Zeit des Lammens.
In diesem Augenblick gab es ein malmendes Geräusch, und das Dach der Hütte des Wildhüters verschwand zwischen den mahlenden Zähnen der Schafsgöttin Sheepira. Wie ein Bündel Gras verschwanden Ziegeln und Dachlatten in einem der vielen Schafsmägen. Völlig entsetzt starrte Hagrid in die glubschigen Schafsaugen des Reisenviehs. Er liebte zwar alle Arten von gefährlichen und ungewöhnlichen Kreaturen, aber das ging nun wirklich zu weit!
Das war jetzt das dritte Mal, dass er das alles mitmachen musste. Das dritte Mal, dass dieses dumme Mutterschaf sein Häuschen demolierte. Es reichte ihm! Endgültig! Hagrid griff nach seiner riesengerechten Armbrust, schoss auf das Riesenschaf und ... traf. Das Schaf fiel zu Boden. 'Das tat gut!' dachte Hagrid. Ein schlechtes Gewissen würde nicht aufkommen, wusste er doch, dass die Schafsmuttergöttin nicht wirklich getötet werden konnte. Aber bis 3:23 Uhr und die nächsten 23 Jahre würde er nun Ruhe haben.
Im linken Teil der östlichen Doppelturmhälfte des Südturms schlug unterdessen eine angeknackste Glocke misstönend 2:22 Uhr und läutete damit die letzte Phase des Wahnsinnszaubers ein. Alles und alle schienen sich in Zeitlupe zu bewegen. Sämtliche Schutzzauber um das Schlossgelände brachen summend in sich zusammen, und alle Lebewesen in einem Umkreis von mehreren Meilen wurden wie Eisen von einem starken Magneten zur Großen Halle von Hogwarts gezogen. Dorfbewohner von Hogsmeade wandelten wie im Schlaf neben Zentauren und anderen magischen Kreaturen aus dem Verbotenen Wald auf das Schloss zu. Slytherins und Gryffindors schwebten auf Zehenspitzen und händchenhaltend durch die Doppelflügeltüren der Großen Halle.
Die Lehrer wanden sich drinnen in einem großen Knäuel auf dem Steinfußboden. Severus Snape zwirbelte Minerva McGonagalls Ohrläppchen zwischen seinen Fingerspitzen. Filius Flitwick knabberte sabbernd mit verklärtem und abwesenden Blick an Sybill Trelawneys Schals und Tüchern herum. Hagrid betrat den Raum, während er seinen Saurüden Fang ordentlich knuddelte und knutschte.
Und Albus Dumbledore besah sich das Treiben mit einem verträumten Lächeln Woran er wohl dachte? Und er wartete darauf die letzte wichtige Aufgabe des Abends zu erledigen. Als endlich auch die letzten Jugendlichen von dem extra für diese Gelegenheit vor Jahrhunderten modifizierten Aufrufezauber angelockt aus dem Wald ins Schloss zurück kamen, und ein Blick auf die Uhr ihm betätigte, dass es bereits 3:17 Uhr war und damit höchste Zeit, wandte sich Dumbledore Harry, Ron, Hermine und einem nur teilweise wieder menschlichen Draco-Schaf zu. Darum würde er sich auch noch kümmern müssen, dachte Dumbledore seufzend. Er modifizierte ihre Gedächtnisse. Die anderen Schüler, die sich die ganze Zeit im Schloss befunden hatten, würden sich ohne sein Zutun an nichts mehr erinnern. Das war Teil des besonderen Zaubers, der in dieser Nacht über Hogwarts lag.
Um 3:23 Uhr stimmten die Glocken von Hogwarts und unten in Hogsmeade ein ohrenbetäubendes und schräges, beinahe schon blökendes Läuten an, und alle Wesen und Personen, die nicht in die Schule gehörten verschwanden wieder aus den ehrwürdigen Hallen der Lehranstalt. Die Schüler kehrten in ihre Betten zurück, und die Lehrer machten sich murrend ans Aufräumen.
Am nächsten Tag erinnerte nichts mehr und sich kaum einer an die nächtlichen Ausschweifungen des Lehrkörpers. Nur das dümmliche Grinsen, das die Mitglieder des Kollegiums ausnahmslos alle noch für mehrere Tage zeigten irritierte die Schüler und forderte zu wilden Spekulationen auf.
[first published October, 22nd 2008 – February, 28th 2009]

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hat es Euch gefallen?
Wenn ja, schön, wenn nicht, auch nicht weiter schlimm.
Sagt uns einfach die Meinung!