Zum zehnten Mal schon an diesem Tag verfluchte Harry sich und die ganze Situation, in der er sich dank Ginny und Hermine befand. Zugegeben das Prospekt klang toll:
"Der etwas andere Urlaubsort! Leben auf dem Bauernhof, wie vor hundert Jahren! Eine einmalige Gelegenheit, ein anderes Zeitalter kennenzulernen!"
"Garunz!" grunzte das Schwein und sprang erst mal aus dem Gatter mitten zwischen die frisch gewaschene Wäsche, die zum Trocknen in der Sonne hing. Wer, zum Voldemort, hatte nun schon wieder dieses blöde Tor offen gelassen?! Hier wollte ihn doch jemand ärgern! Und das sollte Urlaub sein?! Erst hatte er noch vor Sonnenaufgang die Kühe gemolken, dann hatte er ausgemistet... alles noch vor dem Frühstück. Eigentlich sollte er jetzt das Gras mähen und die dummen Rindviecher füttern. Sollte er das Schwein vielleicht einfach ignorieren?
Und schon wieder kam dieser komische alte Kauz in seinen langen, roten Unterhosen auf die Veranda vor seinem hölzernen Farmhaus. "Yiehaa!" schnaufte er und spuckte schwarzen Kautabak in den Sand vor seinem Haus. "Wer hat hier behauptet, dass das hier Urlaub ist? Ich bin Old MacDonald. Und wenn ihr nicht sofort meine alte Sau, Hildegard, wieder einfangt, dann knallt's!" Er hob eine zweiläufige Finte in die Luft und gab einen ohrenbetäubenden Schuss ab.
Harry nahm die Beine in die Hand und setzte der flink galoppierenden Sau nach. Er hatte Mühe mitzuhalten. Diesem alten Hinterwäldler Old MacDonald hätte er gerne einen saftigen Ganz-Körper-Klammerfluch aufgehalst, aber Ginny hatte vorsorglich alle Zauberstäbe eingesammelt und versteckt. Die wilde Hilde rannte über die angrenzende Wiese, schlug Haken, täuschte rechts und links an und steuerte geradewegs auf eine riesige Schlammsuhle zu.
Ron und Hermine waren derweil damit beschäftigt, Heu in der nahen Scheune zu wenden. Während Hermine sich einige Halme aus den Haaren zupfte, wollte Ron auf die Heugabel gestützt eine kleine Pause im Stehen machen, aber da hatte er seine Rechnung ohne Martha MacDonald, die Mutter vom alten MacDonald gemacht.
"Keine Müdigkeit, mein Sohn! Die Pferde wollen gefüttert werden. Sonst können sie nachher nicht den Pflug ziehen. Danach gibt es dann Frühstück."
Ron blickte hoffnungsvoll auf. "Oh, ja! Frühstück! Ich hab einen Bärenhunger." Er warf Hermine einen giftigen Blick zu. "Warum nur, müssen wir hier Urlaub machen? Aufstehen, wenn der Hahn kräht, schuften bis zum Sonnenuntergang. Was daran ist das einmalige Erlebnis?"
"Es erweitert den Horizont, liebster Göttergatte!" zischte Hermine angesäuert. Sie hatte Rons Genörgel soooo satt! Gut... zugegeben... sie hatte es sich auch ein klein wenig anders vorgestellt. Warum hatten sie und Ginny auch nicht das Kleingedruckte gelesen? Dass man sich nicht aussuchen kann, wo die Reise hingeht. Sie hatten von saftigen grünen Wiesen in gemäßigtem Klima geträumt. Irgendwo in Europa, wo man sie verstand und sie die anderen verstehen konnten. Aber wo waren sie gelandet? In Kansas! Diese Hitze... diese Sprache... Aber sie würde sich NICHT beklagen! Nicht vor Ron zumindest.
Ginny war derweil den Tränen nahe. Dieses dumme, dumme Schwein! Die schönen weißen Bettlaken waren jetzt voller Schlammspritzer. Jetzt musste sie noch mal mit dem Waschbrett und der ekligen Kernseife an den Fluss und schrubben, schrubben, schrubben.
Doch kaum hatte sie das Ufer erreicht, kam auch schon die Sau Hildegard gefolgt von Harry angewetzt. Mit lautem Geschrei und Gequieke stolperten sie über den Wäschekorb und im nächsten Augenblick lagen Ginny, Harry, das Schwein und die Bettlaken im Fluss.
"Na wenigstens bin ich jetzt wieder halbwegs sauber, nachdem ich diese Sau durch die Schlammsuhle gejagt habe." Seufzend reckte Harry seine Arme. "Und erfrischend ist es auch noch. Komm rein, Ginny, wir schwimmen eine Runde vor dem Frühstück."
Doch bevor Ginny dieser Aufforderung nachkommen konnte, stand der in rote Long-Johns gekleidete MacDonald mit geladener Flinte hinter ihnen. "Nicht bewegen!"
Sofort sprang Harry - ganz der Held, den wir alle kennen und lieben - vor seine Angetraute, um sie mit seinem Körper vor allem Übel zu schützen, während Ginny die Arme in die Luft reckte.
"Wir machen es auch nie wieder! Was auch immer wir falsch gemacht haben! Wir haben jedenfalls nicht gefaulenzt! Bitte nicht... wie auch immer dieses Muggelzeugs heißt", flehte sie doch etwas ängstlich.
"Unsinn! Da hinter Euch! Nicht umdrehen! Nicht bewegen, verdammt!"
Harry erstarrte und klammerte sich ganz unheldenhaft an Ginny.
"Was?" stotterte er mit einem unsicheren Zittern in der Stimme. "Was ist das da hinter uns?"
Ginny hielt die Luft an und warf einen schnellen Blick über die Schulter zurück.
"Nein!" stammelte sie. "Das glaube ich jetzt nicht!"
Ein markerschütterndes Knurren erfüllte die Luft, und es war so laut, dass nun auch Ron, Hermine und Großmutter MacDonald den Hügel herab zum Fluss gerannt kamen.
Am Flussufer wuchs ein kleiner Berg wie von selbst, und ein schwarzes, pelziges Wesen blinzelte und schnüffelte, dabei seltsames Geknurre von sich gebend, aus dem Erdreich. MacDonald legte die Flinte an und drückte ab.
"KAWUMM!"
"WAS TUN SIE DA, SIE UNTERBELICHTETER, HINTERWÄLDLERISCHER VOLLIDIOT!" schrie in dem Moment Charlie Weasley, der seinen ersten 'Urlaub' seit unzähligen Jahren ausgerechnet hier, ausgerechnet mit seinen Geschwistern und Schwägern verbrachte. Aber jetzt schien es doch interessant zu werden. Zum Glück war der Kerl nicht gerade treffsicher.
"Das ist ein seltener, mittelamerikanischer Wasserdrache! Die stehen nach dem internationalen Zauberabkommen über bedrohte Magische Tiere unter Artenschutz!"
"Ohje, ohje!" Martha MacDonald raufte sich die wirren, grauen Haare. "Malcolm!" fauchte sie ihren Sohn an und riss ihm die Flinte aus der Hand. "Jetzt ist aber Schluss mit Schuss! Und zieh' Dir endlich Hosen und Hemd an! Und ihr anderen..." Sie winkte Harry, Ron, Hermine, Ginny und Charlie zu sich heran. "Ihr bekommt jetzt erst mal die hier zurück!"
Sie kramte in einer großen, bunten Handtasche mit einem Schnappverschluss und holte die Zauberstäbe der fünf heraus. "Im Prospekt steht ja nun mal was von Urlaub. Und mit Magie geht die Farmarbeit bestimmt schneller und leichter von der Hand! Und heute Mittag gibt es erst mal ein ordentliches Barbecue! Und jetzt kommt auf die Veranda zum Frühstücken!"
Alle sahen sich verwundert an. Was hatte denn dieser Stimmungswechsel schon wieder zu bedeuten?
"Und was wird aus dem Wasserdrachen?" fragte Charlie und sah sich nach dem Erdhügel um, aus dem das Tier gekrochen war. Allen blieb die Luft weg, als sie beobachten mussten, wie der Drache versuchte, Hildegard, das Schwein anzuknabbern.
"Ey, Du Drachentier!" Charlie trat beherzt auf das 'Ungeheuer' zu. "Dir bekommt wohl der Aufenthalt in der neuen Welt nicht. Kaum raus aus Schottland und schon vergisst Du, dass eigentlich nur Fisch auf Deiner Speisekarte steht!"
"Du, großer Bruder!" Rons Grinsen war breiter denn je. "Ich glaube, dieser Drache will die Hildegard nicht fressen. Schau!"
Charlie rieb sich die Augen, als das Seeungeheuer, der Sau einen dicken Schmatz auf die dicken Schweinebacken gab und dabei verliebt schnurrte. Charlie blinzelte verdutzt. "Hmm, ein sehr ungewöhnliches Verhalten für einen Wasserdrachen. Das werde ich genauer beobachten müssen. Geht ihr schon einmal vor. Ich komme dann nach."
Das ließ sich Ron nicht zweimal sagen und trabte erschreckend schnell hoch zur Veranda, immer den köstlichen Gerüchen folgend. "Oh, Kaffee, ich komme!"
Mhm, Knutschen, dachte Harry. Dazu waren wir die letzten Tage viel zu erledigt. Ob...? Die anderen waren alle mit Drachen oder dem Frühstück beschäftigt... und wenn es hier jetzt lockerer zuging... "Hey, Ginny! Hast Du Dir schon mal den Heuboden angesehen?"
Ginny verzog das Gesicht. "Ja, gestern! Als ich die Pferde füttern durfte. Und dieses dicke, braune Pferd mir fast die Finger abgebissen hätte. Freiwillig gehe ich da nicht nochmal rein. Los komm', ich hab auch Hunger."
Martha MacDonald hatte sich an diesem Morgen selbst übertroffen. Da leuchteten goldgelbe Rühreier neben kross gebratenem Speck, dicken, saftigen Pfannkuchen mit Ahornsirup, Toast mit Butter und süßer Marmelade.
"Wer viel arbeitet muss kräftig essen", dröhnte Grandma MacDonald und goss für alle Kaffee ein.
"Aber ich habe noch eine andere Idee!" meinte sie plötzlich.
Sie verschwand wieselflink im Inneren des Bauernhauses und kam nach kurzer Zeit mit einigen Decken wieder heraus. "Wir machen ein Picknick in der Heuscheune! Ein Picknick auf dem Heuboden! Los jetzt, nehmt alles mit in die Scheune!" Sie drückte Hermine und Ron die Decken in die Hände und verteilte das Frühstück auf ihren Sohn, Harry und Ginny. "Nun macht schon! Nichts ist belebender als ein Frühstück im Heu!"
Ginny warf Harry einen mehr als genervten Blick zu. Also so hatte Harry sich das nicht gedacht! Erst eine Ginny die nichts peilt und dann das. Aber vielleicht konnte er Ginny ja noch vor dem Heuboden retten. Flink rannte er hinter Misses MacDonald her und rief: "Wie wäre es denn mit einem Picknick im Obstgarten? Unter den Obstbäumen ist es schön schattig!"
Er musste es ja wissen, denn er hatte sich mit dem Wässern dort immer extra viel Zeit gelassen. Dank Magie war es dort wie in einer Oase in der Wüste. Sogar das Gras war dort saftig und grün. Und Martha MacDonald ließ sich nur zu gern überreden.
"Draußen schmeckt es doch auch noch mal so gut!" tönte sie, und so saßen sie schon bald unter den Bäumen und ließen es sich ordentlich schmecken. Auch Charlie Weasley war nun wieder mit dabei, nachdem sich der Wasserdrache - schon wieder vollkommen untypisch für seine Art - tief ins Erdreich eingebuddelt hatte.
Kaum war das vorzügliche Frühstück verspeist, sprang Martha auf und tippe das schmutzige Geschirr und die wenigen Essensreste mit ihrem Zauberstab an. Alles erhob sich in die Luft, und sie ließ es vor sich her in Richtung Farmhaus schweben. Ginny und Hermine rief sie zu: "Kommt, Mädels! Ich zeige euch meine nigel-nagel-neue, magische Geschirrspülmaschine!"
Doch die beiden lehnten dankend ab, wobei Ginny Hermine einen eindeutig genervten und verneinenden Blick zuwarf. Martha zuckte die Schultern und war schon bald im Haus verschwunden.
Old MacDonald nahm seine Gäste zur Seite, kaum dass seine Mutter außer Sicht- und Hörweite war. Er hatte sich inzwischen eine hellblaue Latzhose angezogen und einen breiten Strohhut aufgesetzt. Die Finger hatte er in die Hosenträger gehakt, als er vor allem Charlie verschwörerisch zuraunte: "Nichts für ungut, Leute. Ich hoffe, ihr nehmt uns die ganze Schufterei nicht übel, Folks! Wir wollten nur mal testen, was ihr Jungspunde aus dem alten Europa so drauf habt! Aber jetzt mal genug von diesem Muggelviehzeug!" Er gab der Sau Hildegard einen leichten Tritt, als sie versuchte, sich an sein rechtes Bein zu schmiegen. "Pferde, Kühe, Schafe, die alle haben wir nur zur Tarnung. Kommt mit, wenn ihr unsere eigentlichen Attraktionen sehen wollt!"
Charlie grinste über beide Backen und stieß Ginny seinen Ellenbogen in die Seite. "Old MacDonald had a farm. Ee i ee i o!" sang er ihr leise ins Ohr. Und Ginny hätte es vielleicht noch lustiger gefunden, wenn er dieses Lied in den vergangenen Tagen nicht schon so oft angestimmt hätte.
Die Feriengäste folgten dem alten Malcolm MacDonald durch ein vertrocknetes Stück Wald am Fluss in ein schmales Tal zwischen den nahen Hügeln. Vor ihnen lag eine mit Maschendraht eingezäunte Weide.
"Aber", murmelte Malcolm vor sich hin, "vielleicht könnt ihr sie gar nicht sehen?"
Doch sie konnten sie alle sehen. Spätestens seit der letzten Schlacht gegen Lord Voldemort konnten sie sie sehen. Auf der Weide graste etwa ein Dutzend dürrer Tiere, die ein wenig wie halb verhungerte, schwarze Pferde mit großen, lederartigen Flügeln aussahen. Gerade kam noch eins mit einem Schafskadaver den Hügel herunter geflogen, auf den sich die anderen stürzten, sobald es gelandet war.
"Och, das sind Thestrale", verkündete Ron unbeeindruckt. "Die kennen wir. Unser Freund Hagrid hält welche auf dem Schlossgelände von Hogwarts, unserer alten Schule. Sie ziehen die Kutschen, mit denen die Schüler vom Bahnhof zum Schloss fahren."
Malcolm grummelte fast schon beleidigt vor sich hin. Etwas mehr Begeisterung hatte er schon erwartet. "Thestrale kennt ihr also schon. Na gut, Folks, dann wollen wir doch mal sehen, was ihr zu meinen anderen Lieblingen sagt."
Sprach 's, und war schon ein gutes Stück weiter am Zaun entlanggegangen.
Und dieses Mal waren sie alle gebührend beeindruckt. "Aetons", erklärte Malcolm MacDonald nur.
"Aetons sind eine Rasse geflügelter Pferde. Newt Scamander beschreibt sie als prächtige Rotfüchse, die bei den britischen Pferdeliebhabern der Magischen Welt sehr beliebt sind. Es sind sehr feurige Reit- und Zugpferde. Sehr temperamentvoll", gab Hermine ihr gesammeltes Wissen zum Besten.
Charlie und Ron rollten daraufhin mit den Augen und bewunderten die Pferde. Eine recht große Herde von ihnen graste auf der eingezäunten Weide. In der Ferne konnten sie Stallungen entdecken. Und ein Gelände, das wohl dem Training diente.
"Außerdem sind sie schwer auszubilden und, was kaum einer weiß, sie sind vollkommen unempfindlich gegenüber Feuer", ergänzte MacDonald.
"Ist das da etwa ein Porlock?" wollte in dem Moment Ginny wissen und zeigte auf ein kleines Wesen, das zwischen einer Stute und ihrem Fohlen kaum sichtbar war. "Ich dachte, die sind nur in England heimisch."
Bevor MacDonald ihr antworten konnte, schaltete sich Hermine erneut ein, um in Lexikon-Manier zu referieren: "Der Porlock ist ein Tierwesen. Das auf zwei Beinen gehende, paarhufige Wesen kommt in der südwestenglischen Grafschaft Dorset und in Südirland vor. Es hat ein dichtes, zotteliges Fell, und sein Kopf verschwindet fast unter seiner üppigen, struppigen Haarmähne. Seine Arme wirken schmächtig und enden in vier stummeligen Fingern. Das einzige, wofür ein Porlock lebt und sich einsetzt ist es, Pferde zu hüten. Wie seine Schützlinge ernährt er sich hauptsächlich von Gras. Da der höchstens 60 cm lange Porlock sehr scheu ist, versteckt er sich meistens vor menschlichen Blicken inmitten 'seiner' Pferde. Porlocks gehörten als Zweibeiner ursprünglich zu den magischen Wesen, mit denen der Magische Rat unter dem Vorsitz von Burdock Muldoon im Mittelalter eine politische Zusammenarbeit aufbauen wollte. Da Porlocks aber nicht sprechen können, wurden sie später als Tierwesen eingestuft und haben auch heute noch diesen Status, gegen den sie nie aufbegehrt haben."
MacDonald sah sie leicht verstimmt an. "Mag sein, wie es will! Ich habe mir zwei aus England kommen lassen, um die Pferde zu hüten. Die Porlocks machen sie ruhiger."
"Bilden Sie sie selbst aus?" wollte Harry wissen, der mit einem Funkeln in den Augen auf die Pferde starrte. Geflügelte Pferde fehlten noch in seiner Sammlung von 'Reittieren' - Drachen, Hippogreife und Thestrale. Er wollte unbedingt eines reiten! In dem Moment kam eines der geflügelten Pferde ganz nah an den Zaun heran und reckte seinen Kopf Harry entgegen Der nutze die Gelegenheit sofort, um es zwischen den Ohren zu kraulen.
Malcolm MacDonald warf ihm einen verwunderten Blick zu. So zutraulich waren sie Fremden gegenüber sonst nicht. "Nein, das macht mein Neffe. Er wohnt in der Nähe und kommt jeden Tag her." Nach einem Blick auf die Uhr fügte MacDonald hinzu: "Er müsste jeden Moment hier sein."
Und tatsächlich hörten sie das charakteristische Plopp einer Apparation, und schon stand einige Meter von ihnen entfernt ein großer, schlanker, junger Mann, der sie fröhlich angrinste. "Howdie, alle miteinander. Ich bin Bobert Bedford. Wie ich sehe, bewundert ihr unsere Schönheiten."
Er trat näher an das Gatter heran und pfiff kleine, melodische Töne. Die Aetons richteten ihre Ohren auf und setzten sich dann in Bewegung. Vor und zurück, seitwärts, im Kreis.
"Wow!" Ron war sichtlich beeindruckt. "Tanzende Pferde, äh Aetons."
Auch der Rest der Truppe betrachtete fasziniert dieses Schauspiel. Bob Bedford lächelte und klatschte einmal laut in die Hände, und die Herde stob davon.
"Wie machen Sie das?" Harry hatte seine Sprache wiedergefunden, und der Wunsch nach einem Ritt auf diesen grazilen Wesen war stärker denn je.
MacDonald grinste und knuffte seinem Neffen in die Rippen. "It's magic! Er ist ein echter Pferdeflüsterer."
"Aber ich bin nicht nur ein Pferdeflüsterer", hauchte Bob Bedford in Richtung Ginny und Hermine und warf ihnen einen verführerischen Schlafzimmerblick zu. "Ich weiß auch jenseits von Afrika, was Frauen wollen, und das nicht nur beim Fliegenfischen unten am Fluss, der aus der Mitte entspringt."
"Für wen hält der sich?" flüsterte Ginny Hermine zu, "Bel Bibson?"
Unmerklich hatten sie sich von der Koppel der Aetons entfernt, wobei Harry immer wieder sehnsüchtige Blicke über die Schultern zurück warf. Bei nächster Gelegenheit würde er hierher zurückkommen, nahm er sich fest vor. Und dann: "Up, up and away!"
Und während er sich noch fragte, warum die MacDonalds eigentlich fliegende Tiere auf eingezäunten Weiden hielten, hatte Ron bereits die Bewohner der nächsten Koppel entdeckt.
Ein erstauntes "Uff!" ließ Harry herumwirbeln. Er musste mehrfach blinzeln, um glauben zu können, was er da sah. Diese Wesen – es waren etwa zwanzig an der Zahl, schätzte er – wirkten, als hätte sie jemand aus verschiedenen Tieren zusammengesetzt. Sie waren groß und massig wie Mastschweine. Auch der Kopf mit der Rüsselnase, den eckigen Ohren und den kleinen Knopfaugen war schweineähnlich. Jedoch war der ganze, gewaltige Körper mit dichter, weißer Wolle bedeckt. Und die Tiere standen auf vier krummen Kuhbeinen mit großen Paarhufen. Dazu passte auch das pralle, rosa Euter mit den vier Zitzen, das jedem unter dem Bauch baumelte. Nur das Hinterteil war mit weichen, weißen Daunenfedern bedeckt und endete in einem Büschel langer, weißer Schwanzfedern.
"Sind sie nicht herzallerliebst?" quiekte Malcolm MacDonald und presste sich beide Hände ans Herz.
"Ja,… schon…", sagte Harry vorsichtig, "aber was sind sie?"
"Sie sind meine neuste Züchtung", der Stolz ließ Old MacDonald mindestens einen halben Meter wachsen. "Sie gehören zur Familie der Wolper Tingerus. Ich nenne sie liebevoll meine Ei-Le-Wos!"
"Ei-Le-Was?" stöhnte Ron.
"Na, eierlegende Wollmilchsäue", verkündete Bobert Bedford und drängte sich unangenehm nah an Hermines Seite. "Und sie halten genau, was der Name verspricht!" hauchte er in ihre Richtung und beugte den Kopf zu ihr herab. "Onkelchen hat recht: Die Muggelviecher können bald einpacken."
Als hätte er ein Stichwort gegeben, trabte plötzlich eine Dreiergruppe Kühe auf die Hexen und Zauberer zu. Sie warfen die Beine im Takt einer Musik, die nur sie hören konnten, in die Luft, und sangen dazu ein Lied, das allen irgendwie bekannt vorkam:
"Old MacDonald had a farm
Ee i ee i o
And on his farm he had some cow
Ee i ee i oh
With a moo-moo here
And a moo-moo there
Here a moo, there a moo
Everywhere a moo-moo
Old MacDonald had a farm
Ee i ee i o."
"Siehste!" grinste Charlie und knuffte Ginny erneut in die Seite. "Das Lied ist echt der Knaller!"
Und niemand wunderte sich, dass nach kurzer Zeit auch noch die Sau Hildegard in den Chor der Kühe einstimmte, sich in die Ballettreihe der Muggelviecher einreihte und ebenfalls die vier Tanzbeine schwang.
"With an oink-oink here
And an oink-oink there
Here an oink, there an oink
Everywhere an oink-oink!"
"Hrmpf", schnaubte Hermine durch zusammen gepresste Lippen und versuchte etwas Abstand zwischen sich und Bobert Bedford zu bringen. "Ich wollte einen Urlaub auf einem Bauernhof! Keine irre Freak-Show mit mutierten Dingens... Was ist das hier eigentlich? Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Züchtungen, Dressuren und Experimente legal sind!"
"Aber, über die schwere Arbeit in den ersten Tagen hast Du Dich auch beklagt", versuchte Ron sie zu beschwichtigen.
"Habe ich gaaaaar nicht!!!"
"Hast Du doch!!!"
"Nicht!"
"Doch!"
Nicht schon wieder, dachte Harry bei sich. Die beiden brauchten ihre täglichen Streitereien wie die Luft zum Atmen. Und wieder warf Harry einen sehnsüchtigen Blick zurück Richtung Aetonweide. Und da reifte eine Idee in seinem Kopf. Da gab es doch dieses riesige Grundstück in Godrics Hollow, am Ortsrand, hinter einem kleinen Wäldchen. Er hatte schon länger ein Auge darauf geworfen, da es einfach schön gelegen war, um dort ein wenig Quidditch zu spielen. Natürlich mit den nötigen Anti-Muggel-Zaubern. Genauso gut könnte er daraus auch etwas anderes machen. Harry grinste von einem Ohr zum anderen. GENAU!!!!
"Mister MacDonald...?"
"Malcolm, mein Junge."
"Also, Malcolm, wie viel kostet eigentlich so ein Aeton?"
"Ah, Feuer gefangen?!"
"Vielleicht."
"So etwa 160.000 britische Galleonen", flüsterte MacDonald ihm den entsprechenden Betrag ins Ohr.
Harry musste erst mal schlucken. Doch so viel?! Schnell überschlug er, wie viele geflügelte Pferde er sich für den Anfang würde leisten können.
"Kosten weniger als ein Abraxaner. Sind vor allem günstiger im Unterhalt. Wollte eigentlich Abraxaner züchten. Das habe ich aber aufgegeben. Sie mögen einfach keinen amerikanischen Whisky. Musste Single Malt aus Schottland und Irland besorgen. Und der verträgt das magische Reisen nicht, verdirbt den Geschmack. Und was für Mengen die geschluckt haben! Das wurde mir zu teuer. Da habe ich auf Aetons umgestellt."
Also erst mal das Grundstück, ein Stall, Zaun, dann die Pferde... Was noch? Fliegende Pferde über Godrics Hollow. Da fiel ihm noch etwas ein: "Wieso fliegen die eigentlich nicht?"
"Och, die fliegen schon. Schau hin!"
Und tatsächlich. Ein Blick zurück zeigte Harry ein in der Luft kreisendes Aeton. "Aber sie fliegen nicht weg?" fragte er neugierig nach.
"Zauber. Die Luft ist sozusagen 'eingezäunt'", erklärte Malcolm MacDonald ihm.
Den Zauber musste er dann auch lernen. Vielleicht doch erst mal einige Bücher über die Zucht magischer Pferde? Konnte ja nicht schaden. Was die anderen wohl sagen würden? Abbringen lassen würde er sich von dieser Idee jedenfalls nicht!!!!!
"Harry!" Ginnys Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schien ihm mit ihren braunen Augen direkt in den Kopf zu schauen. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er gewettet, sie beherrsche Legilimentik, die hohe Kunst, Gefühle und Erinnerungen aus den Gedanken eines anderen herauszuziehen. Und während er sich noch irritiert wünschte, damals in den Okklumentik-Stunden mit Professor Severus Snape besser aufgepasst zu haben, hörte er sie in einem leicht tadelnden, aber auch belustigten Tonfall sagen:
"Harry, ich sehe es Dir praktisch an der Nasenspitze an. Du bist ganz versessen darauf, auf den Rücken von einem von diesen Aetons zu steigen und ein paar Runden durch die Luft zu drehen. Und wenn es das nicht ist, was Dich beschäftigt, dann heckst Du irgendeinen Plan aus, wie Du selber diese Tiere züchten kannst."
Harry sagte nichts und versuchte sich auch nichts anmerken zu lassen. Ginny legte ihm zärtlich einen Arm um die Schulter und flüsterte ihm leise ins Ohr: "Mal ehrlich, was willst Du denn mit einer Herde fliegender Pferde? Warum arbeiten wir nicht lieber an einer Herde kleiner Harrys und Ginnys?"
Harry schluckte. Nichts würde ihn jemals von der Idee der Zucht magischer Pferde abbringen, nichts außer seiner heiß geliebten Ginny.
"Und was bitte bedeutet für Dich Urlaub auf dem Bauernhof?" wollte Ron gerade lautstark von Hermine wissen. "Harte Arbeit rund um die Uhr? Ställe ausmisten und Felder pflügen? Ist es das, was Du unter Urlaub verstehst? Warum erklärst Du uns nicht endlich, was Du von diesem Urlaub erwartet hast?"
"Jedenfalls keine Tiershow wie in den Büchern von Newt Scamander!" blaffte Hermine zurück. "So was würde vielleicht Luna Lovegood gefallen, aber ich brauche das nicht!"
"Na, dann ist es ja gut!" brüllte Ron.
"Sage ich irgendwas anderes?" entgegnete Hermine in der gleichen Lautstärke.
Charlie Weasley beachtete die eigenartigen Spannungen zwischen seinen Geschwistern und ihren Liebsten nicht weiter sondern näherte sich der Weide mit den Aetons. Einer der prächtigen Rotfüchse legte kurz die Ohren an, dann trat er federnd an den Zaun und stupste ihn mit den weichen Nüstern an. Charlie legte eine flache Hand an seinen Hals, woraufhin das Tier seine mächtigen Flügel weit spreizte.
"Also, gegen einen kleinen Rundflug mit einer von diesen Schönheiten hätte ich auch nichts einzuwenden!" murmelte Charlie in Richtung Old MacDonald und Bobert Bedford.
"Aber ich!" warf Bedford, der selbsternannte Pferdeflüsterer ein. "Ich habe etwas einzuwenden. Die Aetons sind in der Mauser! Sie können zwar selber fliegen, aber es ist ihnen in diesem Zustand unmöglich auch noch die Last eines Reiters zu tragen!"
Malcolm MacDonald strahlte seinen Neffen an. "Er ist so ein kluger Junge, Folks!" erklärte er stolz. "Er ist wirklich magic!"
In diesem Moment gellte ein schriller Schrei vom Farmhaus zu ihnen herüber. In aller Eile hasteten sie zurück zu Martha MacDonald.
"Hilfe! Hilfe! Hilfe!" kreischte die alte Dame immer wieder, während sie hustend und schnaubend auf der Veranda im Kreis herumlief. Aus dem Inneren des alten Holzhauses drangen dichte, schwarze Rauchschwaden nach draußen. Von drinnen war ein eigentümliches Rumpeln und Rattern und Quietschen und Schleifen zu hören.
"Ma, was ist denn passiert?" wollte Malcolm wissen und war augenblicklich noch aufgeregter als seine alte Frau Mutter.
"Die magische Geschirrspülmaschine!" heulte sie immer wieder. "Meine nigel-nagel-neue, magische Geschirrspülmaschine!"
"Keine Angst, meine Damen", hauchte Bobert Bedford und schaffte es in einer Bewegung sowohl Ginny als Hermine zu berühren und ihnen unangenehm feucht und warm an die Ohren zu pusten. "Ich werde nicht zulassen, dass solchen Schönheiten wie euch etwas passiert!"
"Was ist denn mit dieser Maschine?" wollte Malcolm weiter von seiner Mutter wissen.
"Erst hat sie sich über die Wäschetrommel hergemacht und Deine roten Unterhosen verschluckt!" krähte Martha. "Dann hat sie angefangen durch die Küche und schließlich durch die ganze Hütte zu rumpeln. Jetzt sprüht sie Funken und setzt alles in Brand! Jetzt tu doch mal endlich jemand irgendwas!"
Alle schauten sich starr vor Schreck an. Im Inneren des Holzhauses klirrte Glas, gefolgt von einem lauten Poltern und Krachen. Waren da am Ende des Ganges, den sie durch die offene Tür einsehen konnten, Flammen zu sehen?
"Meine Bücher!" kreischte Hermine.
"Unser ganzes Gepäck!" wimmerte Ron im gleichen Tonfall.
"Und was ist mit meiner Hütte? Meinem Zuhause?" polterte Old MacDonald, schob sie alle beiseite und hastete schon im nächsten Augenblick mit einem großen Blecheimer auf den nahen Brunnen zu.
Doch noch bevor er eine Eimerkette bilden konnte, hatte Hermine schon ihren Zauberstab gezückt. "Aquamente!" brüllte sie aus Leibeskräften, und ein gewaltiger Wasserstrahl ergoss sich über die Hütte. Es dampfte und zischte, doch das Feuer schien erloschen.
"Ach, Ma", jammerte MacDonald. "Wie oft hab' ich es Dir schon gesagt, die Maschine ist für das Geschirr und nicht für die Wäsche!"
"Wenn Geschirr sauber wird, warum dann nicht auch Wäsche?" konterte die resolute Dame.
Ron, Harry, Hermine und Ginny betraten vorsichtig die Hütte.
"Hm, sieht unbewohnbar aus. Alles angekokelt und durchweicht. Mal schauen, was wir noch so von unseren Sachen retten können. Vielleicht ist es Zeit für uns nach London zurückzukehren", meinte Harry.
Hermine ließ sich erschöpft auf die Stufen der Treppe ins obere Stockwerk sinken und begann zu schluchzen. Eine dicke Träne tropfte ihr von der Nasenspitze, als sie leise zu stammeln begann: "Das habe ich alles nicht gewollt! So habe ich mir das alles nicht vorgestellt! Ich wollte doch nur einen erholsamen Urlaub auf dem Bauernhof! Ganz ohne den Stress im Ministerium! Ganz ohne Zauberei! Etwas körperliche Arbeit an frischer Luft, eben Leben auf dem Bauernhof wie vor hundert Jahren!"
Sie hatte das zusammengefaltete Prospekt aus ihrer Hosentasche gezogen und zeigte matt auf den knallbunten Aufdruck auf der ersten Seite: "Eine einmalige Gelegenheit, ein anderes Zeitalter kennen zu lernen!"
"Also mir gefällt es, trotz Feuer und Wasserschaden!" verkündete Charlie Weasley kauend. Im nächsten Augenblick verzog er angewidert das Gesicht und spuckte einen Bissen der gelblichen Frucht, die er neben dem Schweinegatter von einem Baum gepflückt hatte, im hohen Bogen zur Haustür hinaus.
"Mach' Dir keine Vorwürfe, Hermine", meinte Ginny, setzte sich neben sie und legte der Freundin tröstend die Hand auf die Schulter. "Es war ja zum Teil auch meine Idee."
"Genau!" mischte sich nun auch Ron polternd ein. Er schupste seine Schwester unsanft zur Seite und patschte seiner Frau ungeschickt auf den Rücken. "Mach' Dir keine Vorwürfe, Hermie! Jeder macht mal Fehler! Außerdem ist unser Urlaub doch sowieso so gut wie zu ende."
Ginnys tadelnden Blick anlässlich seiner unsensiblen Art beantwortete er mit einer kopfschüttelnden Grimasse.
Da stand plötzlich Martha MacDonald mit der Flinte im Anschlag vor ihnen und zielte auf ihren Sohn, der neben Harry stand. Die fünf britischen Zauberer rissen entsetzt die Münder auf.
"Du kleiner Tunichtgut! Du Lügner und Betrüger!" zischte die alte Dame Malcolm an. "Du Erbschleicher!"
Sie riss die Flinte hoch und gab einen donnernden Schuss in die Luft ab. Teile der ohnehin schon ramponierten Decke rieselten auf sie herab.
"Ich habe nie versucht, Deine dreckigen, roten Unterhosen in meiner nigel-nagel-neuen, magischen Geschirrspülmaschine zu waschen! Du hast nur immer wieder versucht, mir das einzureden! Du versuchst, mich in den Wahnsinn zu treiben, weil Du die Farm und mein ganzes Vermögen für Dich allein haben willst! Aber damit ist nun Schluss! Ich habe Dich durchschaut, Du Schuft! Noch heute verlässt Du mein Land! Ich will Dich hier nicht mehr sehen! Außerdem ist schon längst Zeit für Dich, auf eigenen Beinen zu stehen! Schau' Dich an! 80 Jahre alt und hängst noch bei Deiner Ma an den Rockzipfeln, Du…, Du…, Du…"
Sie wurde immer und immer lauter und geriet immer mehr in Rage. Dazu wirbelte der Lauf ihrer Flinte bedrohlich durch die Luft. Harry sah schon den Schuss, der sich jeden Augenblick lösen und einen Unschuldigen treffen würde.
"Martha", sagte Malcolm MacDonald ganz ruhig. "Martha, es ist genug! Du kannst aufhören. Ich denke, wir haben hier mal wieder jemanden, der das Kleingedruckte nicht gelesen hat."
"Mennoh!" schmollte Martha und ließ die Flinte sinken. "Wo ich doch gerade so gut in Fahrt war."
"War das mein Stichwort?" rief Bobert Bedford von der Veranda her. "Habe ich meinen Einsatz verpasst?"
"Feierabend, Bob!" rief Malcolm ihm zu und verdrehte die Augen. "Ich denke, unseren Gästen gefällt das Spiel nicht! Kommt ihr mal eben mit uns nach draußen?" fragte er dann Harry, Ron, Hermine, Ginny und Charlie.
Völlig verdutzt und ahnungslos folgten ihm alle auf die Veranda vor das zerstörte Bauernhaus. Aber war es wirklich noch zerstört? Bei einem Blick über die Schulter hatte Harry den Eindruck, es würde sich vor seinen Augen selbst reparieren.
Über den staubigen Hof kamen die drei Kühe und die Sau Hildegard auf die versammelten Menschen zu. Doch es waren gar keine Kühe und kein Schwein, wie sie zu ihrer aller größten Überraschung feststellen mussten, als sie sich von einem Augenblick auf den anderen in drei junge Männer und eine junge Frau verwandelten.
"Was ist los?" rief einer von ihnen herüber. "Ist schon Mittagspause? Oder haben sie den Fall schon gelöst?"
"Ich glaube, wir sollten drüben in der alten Welt mal unsere Vermittler wechseln!" meinte Malcolm kopfschüttelnd. "Sieht aus, als hätte das Reisebüro diesen hier auch wieder das Zusatzprogramm verschwiegen."
"Du meinst, die hier haben auch wieder nicht bewußt das Zusatzprogramm gebucht?" fragte Martha zerknirscht.
"Sieht ganz so aus", meinte Malcolm. Er trat an Hermine heran und nahm ihr das Prospekt aus der Hand. Er blätterte auf die letzte Seite und deutete auf einen Textabschnitt ganz unten am Rand.
"Sie suchen das Abenteuer?" las Hermine stockend vor. "Sie wollen sich nach harter Arbeit mit monströsen Monstrositäten, Fabelwesen und einem kniffligen Kriminalfall zum Mitraten unterhalten? Dann sind Sie bei uns genau richtig!"
"Was soll das nun wieder bedeuten?" verlangte Harry zu wissen.
"Wir sind Schauspieler!" erklärte Malcolm MacDonald ungerührt und zückte seinen Zauberstab. Er murmelte eine Beschwörung und tippte sich an die Stirn. Die Gestalt des alten, kauzigen Farmers fiel von ihm ab und vor ihnen stand ein junger Mann etwa in ihrem Alter. "Wir werden dafür bezahlt, unseren Gästen eine Art Theaterstück vorzuspielen. Aber davon hattet ihr ja scheinbar keine Ahnung."
Martha stöhnte auf. Sie fummelte mit beiden Händen hinter ihrem Rücken herum und hatte schließlich ihr altertümliches Korsett in der Hand. "Ihr habt ja keine Ahnung, wie dieses Ding drückt!" Zeitgleich hatte auch sie sich in eine junge, hübsche Frau verwandelt. Die betagte, aber resolute Grandma MacDonald war verschwunden.
"Trotzdem schade!" fuhr sie fort. "Spätestens morgen Mittag hättet ihr meine Leiche irgendwo im Haus oder auf dem Hof gefunden und herausfinden müssen, wer mich ermordet hat!"
"Und diesmal wäre ich der Täter gewesen!" verkündete Bobert Bedford stolz. Er war als einziger noch der gleiche große, schlanke, junge Mann, den sie erst vor wenigen Stunden kennengelernt hatten. Auch sonst hatte er sich nicht verändert, denn er stand schon wieder unangenehm dicht an Ginny und Hermine.
"Soll das heißen, nichts von dem, was wir in den letzten Tagen hier erlebt haben, war real?" wollte Harry wissen.
"Nun", meinte Malcolm, "eure Arbeit war schon irgendwie real." Er trat an Marthas Seite und nahm sie in den Arm.
"Wir heißen auch Malcolm und Martha", meinte sie verschmitzt, "nur eben nicht MacDonald."
"Und Mutter und Sohn sind wir auch nicht!" ergänzte Malcolm.
"Dafür verheiratet!" Martha hielt vor allem Ginny und Hermine den Finger mit ihrem glitzernden Ehering hin. "Drei Jahre sind es im Oktober."
Die beiden Hexen konnten sich gerade noch zurückhalten, das Schmuckstück voller Begeisterung zu bewundern.
"Und es gibt Leute, die für so was bezahlen?" wollte Charlie wissen. Er spuckte erneut aus, weil er gedankenverloren noch einmal in die bittere Frucht gebissen hatte, die er noch immer in der Hand hielt. "Ich meine, ihr werdet dafür bezahlt, Gästen ein Theaterstück vorzuspielen?"
"Ja, genau", meinte einer der jungen Männern, der vor kurzem noch eine singende Kuh gewesen war, "nur wissen die Gäste für gewöhnlich, worauf sie sich einlassen. Und erwarten nicht nur einen erholsamen Urlaub auf dem Bauernhof."
"Das habe ich wirklich übersehen", stöhnte Hermine und sackte am Rand der Veranda in die Hocke.
"Ich auch", seufzte Ginny und hockte sich neben sie.
"Und?" wollte Malcolm wissen. "Sollen wir weiter machen mit unserem Spiel? Ich meine, dummerweise haben wir euch ja jetzt schon den Täter verraten."
"Nöh, nöh, ist schon gut!" winkte Ron ab. "Wir haben ja auch nur noch einen Tag Urlaub. Besorgt mal lieber etwas Ordentliches zu essen!"
Das ließen sich die Schauspieler nicht zweimal sagen. Eine knappe Stunde später saßen alle um einen riesigen Barbecue-Grill, auf dem sich ein großes Spanferkel drehte.
"Das ist jetzt aber keins von diesen Ei-Le-Wos, oder?" wollte Charlie wissen.
"Nein", lachte Malcolm und zeigte in die Richtung, in der die Weide mit diesen seltsamen Geschöpfen gewesen war. "Das waren ganz gewöhnliche Schweine, Schafe, Kühe und Hühner, die unser Requisiteur mit einem Illusionszauber belegt hat. Die Thestrale waren auch nur gewöhnliche Pferde. Nur die Aetons waren echt, auch wenn wir dafür gesorgt haben, dass die Herde größer aussah. Eigentlich waren es nur zwei, die auf ihrem Weg in den Osten hier eine Zwischenlandung eingelegt haben. Alles nur für den Erlebnisurlaub der besonderen Art."
"Und das nächste Mal könnt ihr ihn vielleicht auch genießen", meinte Martha. Und nur Harry hörte Rons gemurmelte Antwort: "Das nächste Mal? Wovon träumt die denn nachts? Einmal und nie wieder."
Doch dann gab es gebratenes Essen satt, und Bier floss in Strömen, und so konnten die fünf Freunde einen verpfuschten Urlaub wenigstens noch halbwegs versöhnlich ausklingen lassen, bevor es am nächsten Morgen zurück in die Heimat, ins alte Europa ging.
--- EnTe ---
[first published June, 14th – July, 1st 2011]

HAPPY 5th ANNIVERSARY!!!
AntwortenLöschenFIVE YEARS! CAN YOU BELIEVE IT?