Es war einmal...

Als Anfang August 2007 der siebte und damit letzte Band einer Buchreihe der berühmten Joanne K. Rowling über einen gewissen Zauberlehrling namens Harry Potter erschienen und endlich gelesen war, traf sich im frisch errichteten Kundendiskussionsforum auf amazon.de eine Gruppe von mehr oder weniger erwachsenen Menschen, um sich über das Werk auszutauschen, und schließlich, weil keiner so recht glauben wollte, dass es vorbei sein sollte, aus eigener Kraft eine bis drei Fortsetzungen zu schreiben.

Schon bald spaltete sich aus dem Hauptschreiberfeld eine kleine, aber äußerst feine Splittergruppe ab, die sich fortan "Die Hobbydramatiker" nannte. Und als es den "Hobbydramatikern" mal wieder zu langweilig wurde, entstanden die hier neu veröffentlichten "Neuen und unglaubwürdigen Schandtaten der Hobbydramatiker". Zunächst nur auf die Länge eines Posts bei amzon.de beschränkt, entwickelten sie sich schnell zu wahren Kurzgeschichten voller Nonsens und Humor aber auch tragischer Momente, die den Lesern hoffentlich genauso viel Spaß beim Lesen bringen wie uns beim Schreiben. Über Kommentare würden wir uns sehr freuen.

Die Schandtaten:

23.3. – 3:23 Uhr (1) Allerhöchste Geheimstufe (1) Angriff der Bomische (1) Die Auferstehung (1) Die Silberhochzeit (1) Die Suche (1) Die Winterverschwörung (1) Dursleys Reloaded (1) Ein Junge überlebt - etwas anders (1) Ein Schweinchen namens Dudley (1) Ein tierisches Abenteuer (1) Feenwettstreit (1) Freitag der 13. (1) Harry Potter und das Vermächtnis der Hobbydramatiker (11) Harry Potter und der verrückte Fan (1) Harry Potter und die Weihnachtsbäckerei (1) Hogwarts Hüte und Hauselfen (1) Jahrestage (1) Kurz und schmerzlos (1) LA VIE EN ROSE (1) Nachwuchs (1) Schadtat Nr. 33 - Jahrestag (1) Schandtat Numero 01 (1) Schandtat Numero 02 (1) Schandtat Numero 03 (1) Schandtat Numero 04 (1) Schandtat Numero 05 (1) Schandtat Numero 06 (1) Schandtat Numero 07 (1) Schandtat Numero 08 (1) Schandtat Numero 09 (1) Schandtat Numero 10 (1) Schandtat Numero 11 (11) Schandtat Numero 12 (1) Schandtat Numero 13 (1) Schandtat Numero 14 (1) Schandtat Numero 15 (1) Schandtat Numero 16 (1) Schandtat Numero 17 (1) Schandtat Numero 18 (1) Schandtat Numero 19 (1) Schandtat Numero 20 (1) Schandtat Numero 21 (1) Schandtat Numero 22 (1) Schandtat Numero 23 (1) Schandtat Numero 24 (1) Schandtat Numero 25 (1) Schandtat Numero 26 (1) Schandtat Numero 27 (1) Schandtat Numero 28 (1) Schandtat Numero 29 (1) Schandtat Numero 30 (1) Schandtat Numero 31 (1) Schandtat Numero 32 (1) Schandtat Numero 33 (1) The Irish Ways or How to handle a Leprechaun (1) Und nichts als die Wahrheit... (1) Urlaub auf dem Bauernhof (1) VerRückt und duchgeKNALLT? (1) Was wäre wenn ??? (1) Wie Ron Weasley Asmodeus traf… (1) Wohl bekomm's (1)

Donnerstag, 21. Juni 2012

"Und nichts als die Wahrheit..."

Schandtat Numero 30

Es war ein strahlender Sommertag, und Harry Potter beschloss, mit dem Motorrad zum Ministerium zu fahren. Unterwegs holte er noch seinen Freund Ron Weasley ab, der die Motorradfahrten genauso genoss wie er selbst. Mit einem Desillusionszauber ließ er das Motorrad unsichtbar werden, bevor er sich mit Ron in das Telefonhäuschen quetschte und die Nummer des Ministeriums wählte, woraufhin sie gleich in die Tiefe sausten.

Unten angekommen erwartete sie ein Chaos. Ministeriumsmitarbeiter rannten verschreckt hin und her und ein aufgebrachter Kingsley Shacklebolt donnerte mit lauter Stimme: "KRISENSITZUNG!" Scheinbar wahllos deutete er auf einige Leute. "Sie..., Sie und Sie! Sofort in den Konferenzraum!" Aus dem Augenwinkel erblickte er Ron und Harry. "Und Sie beide kommen auch gleich mit!"

Noch bevor Harry etwas sagen konnte, sah er Hermine Granger, die Arme beladen mit Büchern und Pergamentrollen, die hinter dem Minister hereilte."Was ist denn los, Hermine?" rief er ihr durch das Chaos zu, doch sie schüttelte nur den Kopf. "Werdet ihr gleich erfahren!" rief sie zurück.

Im Konferenzraum herrschte große Aufregung. Aus fast allen Ministeriumsabteilungen waren Vertreter anwesend, und Harry nickte seinem Schwiegervater Arthur und seinem Schwager Percy kurz zu.

Nachdem ein wenig Ruhe eingekehrt war, erhob sich Kingsley Shacklebolt von seinem Platz."Es reicht! Es reicht jetzt endgültig! Wir müssen etwas unternehmen. Lange genug haben wir den Unsinn dieser Hexe geduldet, aber nun ist Schluss! Allein ihre Briefe an verschiedene suspekte Randgruppen reichen ja schon aus. Ganz abgesehen von ihrem Buch, das sich magisch vergrößern kann... Jetzt plaudert die Dame auch noch geheimes Wissen aus, das sie eigentlich nicht kennen sollte. Ausgerechnet im 'Tropfenden Kessel', dem 'Leaky Cauldron' erscheinen plötzlich Geheimdokumente, wie aus dem Nichts! Außerdem benutzt sie den gerade erfundenen Zauber des Zwitscherns. Sie wissen schon, diese magischen Kolibris, die Nachrichten schnell transportieren und die eigentlich unseren Auroren vorbehalten sein sollten. Diese Hexe muss gefunden und gestoppt werden!"

Noch bevor Harry fragen konnte, welche Hexe der Minister meinte, kam ein allgemeines Aufstöhnen aus den Reihen der älteren Mitarbeiter. "Och, nöh!" - "Nicht, die schon wieder..." - "Ich dachte, sie wäre schon lange tot..."

Arthur Weasley beugte sich zu Ron und Harry hinüber. "Vicky Peddy. Es geht um die alte Hexe Vicky, die sich dann irgendwann Wiki Pedia nannte und zu allem Möglichen und Unmöglichen ihre Kommentare und Randbemerkungen verfasste, ob das nun einen interessierte oder nicht. Vor hundert Jahren besaß fast jede Zaubererfamilie ein Exemplar ihrer Enzyklopädie. Doch die vergrößerte sich auf magische Weise, sodass die Bücher anfingen, ganze Häuser zu sprengen und daraufhin verboten wurden. Es gibt nur noch ganz wenige Exemplare, und die werden sorgfältig bewacht und beobachtet."

Harry horchte auf. Hatte er nicht erst vor kurzem einiges von dieser Hexe gehört? Auf seinem Irland-Trip? Hatte nicht Beag Fear, der Vertreter der irischen Leprechauns dauernd diese Hexe zitiert?

Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er neben sich Ron raunen hörte: "Leaky Cauldrons? Tropfende Kessel? Hatte Percy nicht an einer internationalen Standardisierung der Kesseldicke gearbeitet, damit sie nicht mehr undicht werden?"

Harry war sich nicht sicher, ob sein bester Freund einen Scherz gemacht hatte und er lachen sollte oder ob Ron mal wieder auf dem Zauberstab stand und nichts kapierte. Ein Blick zu Hermine zeigte ihm, wie diese gequält die Augen verdrehte.

Auch Percy Weasley hatte die Worte seines Bruders gehört. "Ja, der Artikel zur Standardisierung der Wanddicke von Zauberkesseln war wirklich eines meiner Meisterwerke. Schade, dass es die Verbindung zwischen Wiki Pedias Enzyklopädien da schon lange nicht mehr gab, sonst hätte ich ihn dort veröffentlichen können und sofort hätte jeder Zaubererhaushalt ihn lesen können, im ganzen Land und auf der ganzen Welt!" Sein Blick wanderte verträumt auf die Ansicht der sommerlichen Landschaft, die eines der magischen Fenster des Konferenzraumes zeigte.

Kingsley Shacklebolt warf der Tischecke, an der Harry mit den Weasleys und Hermine saß, einen drohenden Blick zu. "Wie gesagt", fuhr er in seinen Erklärungen fort, "als die Nachschlagewerke der Hexe Pedia anfingen, die Häuser ihrer Besitzer zu sprengen, weil sie sich mit immer mehr und mehr und vor allem unnützen Bildern und Informationen füllten und immer unübersichtlicher wurden, beschloss das damalige Ministerium, die Enzyklopädien zu verbieten und die Verbindungen zwischen ihnen, das ganze Netz, zu zerstören. Es war einfach viel zu gefährlich. Sobald am anderen Ende der Welt jemand etwas in sein Exemplar des Buches schrieb, war es auch schon bei uns zu lesen, und mit jedem Wort und jeder Seite wuchsen die Bücher, wurden größer und dicker, bis sie nicht einmal mehr von Mauern aufgehalten werden konnten. Auf der ganzen Welt gibt es nur noch fünf Exemplare, jedes an einem sicheren, stark geschützten Ort, in einem magisch vergrößerten Raum untergebracht. Unser Exemplar der 'Sammlung' liegt ganz weit unten in der Mysteriums-Abteilung."

Das aufgebrachte Murmeln, das daraufhin im Raum entstand, zeigte Harry, dass nicht alle Anwesenden davon gewusst hatten. Der Minister nickte nur leicht mit dem Kopf und ließ wieder Ruhe einkehren, dann fuhr er fort:

"Unser Exemplar der Enzyklopädie ist sicher verwahrt. Nur mit meiner persönlichen Genehmigung ist es gestattet, einen Blick hinein zu werfen. Und es ist strengstens verboten, irgendetwas hinzuzufügen. Und seit man vor etwa vierzig Jahren auch endlich die beiden letzten Ausgaben in Südamerika und Sydney weggeschlossen hat, ist es auch nicht mehr gewachsen. Seit etwa einem Monat allerdings tauchen plötzlich in allen möglichen und unmöglichen Büchern im ganzen Land an den ungewöhnlichsten Stellen Briefe der Hexe Wiki Pedia auf."

Einige der anwesenden Hexen und Zauberer nickten zustimmend. Offenbar war ihnen etwas Ähnliches passiert oder sie hatten davon gehört. Wieder setzte aufgeregtes Gemurmel ein.

"Und dass Wiki Pedia schon seit mehr als dreihundert Jahren tot ist, macht die ganze Angelegenheit nur noch mysteriöser.Miss Granger! Schlagen Sie das erst beste Buch auf, das vor Ihnen auf dem Tisch liegt und lesen Sie vor, was dort steht!"

Hermines Locken wirbelten durch die Luft, als sie überrascht den Kopf in Shacklebolts Richtung drehte. Scheinbar hatte sie keine Ahnung gehabt, wozu sie ihm die Bücher und Pergamentrollen hinterhergetragen hatte, und dass er sie so plötzlich ansprechen würde. Wahllos und unsicher zog sie ein Buch aus der Mitte des Stapels.

"Würden Sie uns sagen, welches Buch es ist?" ermunterte Kingsley sie.

"Newt Scamanders 'Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind'", las Hermine den Titel auf dem Einband laut vor. Harry erinnerte sich an dieses Buch aus seiner Schulzeit in Hogwarts und dem Fach Pflege Magischer Geschöpfe.

"Und jetzt lesen Sie die erste Seite vor!"

Hermine runzelte die Stirn und überflog die erste Seite des Buches. Dann weiteten sich ihre Augen erstaunt und sie las laut vor:

"Brief der Hexe Wiki Pedia an die Hüter der Enzyklopädie tief im Krater des Kilimandscharo:

Eine Enzyklopädie ist ein Nachschlagewerk, das zu einer umfangmäßig bestimmten Gesamtheit an Themenbereichen das vorhandene Wissen darstellt. Enzyklopädien, die sich nur auf ein spezielles Thema konzentrieren, werden auch als Fachenzyklopädien bezeichnet.

Das Wort Enzyklopädie - griechisch ἐγκύκλιος παιδεία oder enkyklios paideia, gebildet aus enkýklios (alltäglich, gewöhnlich) und paideía (Lehre, Bildung) - beschrieb in der Antike allgemeine oder alltägliche Bildung im Sinne eines Studium Generale oder eine Propädeutik der Wissenschaft. Enzyklopädien waren damals nicht alphabetisch, sondern systematisch geordnet und wirken auf heutige Leser wie Sachbücher. Als Zusammenstellung bereits vorliegender Texte handelte es sich oftmals eher um Anthologien als um ursprüngliche Werke."

Münder wurden aufgerissen und gaben dabei erstaunte Laute von sich. Harry und Ron sahen sich an. Und Hermine kniff einmal kurz die Augen zu, als wolle sie sich überzeugen, dass sie wirklich sah, was sie dort lesen konnte.

"Und jetzt blättern sie weiter, Miss Granger!" bat Kingsley Shacklebolt. Hermine tat es, nickte leicht und zeigte dann das Buch aufgeschlagen in die Runde. Es sah aus wie der ganz gewöhnliche Anfang von Newt Scamanders Buch.

"Genauso ist es mit inzwischen an die fünfzig Büchern im ganzen Königreich." Kingsley hatte sich wieder gesetzt und rieb sich die offenbar müden Augen. "In privaten Zaubererhaushalten, in magischen Buchhandlungen, in Bibliotheken hat man sie entdeckt. Schulbücher, Kochbücher, Fantasy-Romane, alles Mögliche, sogar eine Ausgabe der Hexenwoche war dabei. Nichts aus dem ursprünglichen Inhalt verschwindet, es werden einfach Seiten mit Texten der Pedia oder aus ihrem Nachschlagewerk hinzugefügt."

"Aber könnte das nicht alles ein großer Scherz sein?" Beck Davidham, der neue Leiter der Ministeriumsabteilung für Magische Spiele und Sportarten, hatte sich zu Wort gemeldet und war aufgestanden. Aber als er den ernsten und besorgten Ausdruck auf dem Gesicht des Ministers bemerkte, verschwand das Lächeln von seinem eigenen, und er sank zurück auf seinen Stuhl.

"Ich befürchte, es ist kein Scherz, Becks", meinte Kingsley, "vielmehr befürchte ich, dass eine Verbindung wie die damals zwischen den Enzyklopädien gerade zwischen allen magischen Büchern auf der ganzen Welt entsteht. Und bevor jetzt plötzlich alle Bücher anfangen zu wachsen und Häuser zu sprengen, ist es höchste Zeit, etwas zu unternehmen!"

Mit einem Satz war er aus seinem Stuhl aufgesprungen und hatte die Hände auf die Tischplatte vor sich geknallt. "Also, meine dringende Bitte an alle Mitarbeiter und alle Abteilungen: Haltet Augen und Ohren offen. Befragt die Hexen und Zauberer im ganzen Land. Sammelt die betroffenen Bücher ein. Findet heraus, was hier vor sich geht und was die Hexe Pedia mit der ganzen Sache zu tun hat. Entwickelt Strategien dagegen und stoppt es, was auch immer hier vor sich geht, bevor auch noch die Muggelwelt davon betroffen wird. Mein Büro steht ab sofort für jede Nachricht offen, egal ob gut oder böse. Und von heute an findet jeden Morgen um diese Zeit eine Krisensitzung statt. Noch hat es keinen Schaden gegeben, außer vielleicht etwas Verwirrung, also helfen Sie mir, dafür zu sorgen, dass es nicht noch schlimmer wird!"

Nachdem er geendet hatte, wurde das Murmeln im Raum lauter. Kleine Gruppen bildeten sich, in denen heftig und intensiv diskutiert wurde. Viele schnappten sich die Bücher und Pergamentrollen, die vor Hermine lagen und lasen ungläubig darin.

"Ich werde sehen, was meine Quellen in der Muggelwelt sagen", verkündete Arthur und machte sich auf den Weg. "Mal sehen, ob denen Wiki Pedia schon ein Begriff ist, und ob auch deren Bücher auf magische Weise wachsen und an Umfang zunehmen." Percy schloss sich ihm an, bereits eifrig damit beschäftigt, sich Notizen mit einer Feder zu machen.

Nach und nach leerte sich der Konferenzraum. Harry, Ron und Hermine waren einige der letzten, die sich dem Ausgang näherten. Doch bevor sie an ihre Arbeit gehen konnten, hielt Shacklebolt sie zurück.

"Wartet einen Augenblick, ihr drei!" rief er ihnen zu und kam zu ihnen herüber. "Ich habe eine Spezialaufgabe für euch!" Ron, der sich das Schulbuch vom Tisch mitgenommen hatte und darin blätterte, stieß gegen Harry, als dieser stehen blieb.

"Ich kenne euch nun schon einige Jahre", begann Kingsley. "Ich vertraue euch und euren Fähigkeiten. Ich weiß, was ihr zusammen alles erlebt und überstanden habt. Dagegen ist das hier wirklich ein großer Scherz."

Er lächelte gequält. Harry sah ihn erwartungsvoll an, Hermine blickte leicht verlegen auf ihre Schuhspitzen und Ron las weiter in dem Buch.

"Wie schon gesagt, sind Geheimdokumente des Ministeriums im 'Tropfenden Kessel' aufgetaucht, im Gästebuch, um genau zu sein. Und nur der Verschwiegenheit von Tom, dem Wirt, und seiner neuen Aushilfe, Hannah Abbott, haben wir es zu verdanken, dass wir die Dokumente wieder zurückbekommen haben und sie nicht in falsche Hände geraten sind."

Hermine sperrte kurz den Mund auf, dann brach es aus ihr heraus: "Geheimdokumente des Ministeriums? Sagten Sie nicht, es tauchen nur Texte von dieser Enzyklopädie-Hexe in fremden Büchern auf? Was haben denn die Geheimdokumente mit Wiki Pedia zu tun?"

"Leider sehr viel, Hermine! Leider viel zu viel!" Kingsley seufzte leicht. "Es war ja gar nicht die Absicht von Wiki Pedia, Bücher zu erfinden, die wachsen und Häuser in die Luft sprengen. Sicher, ihre Briefe und Randnotizen müssen nervig und besserwisserisch gewesen sein, aber eigentlich wollte sie nur, dass jeder Zauberer und jede Hexe jederzeit die neuste und aktuellste Ausgabe ihres Nachschlagewerks vorliegen hat. Jeder sollte sofort Zugriff auf jede ihrer Änderungen und Ergänzungen haben, ohne jedes Mal ein neues Buch kaufen zu müssen. Also muss sie einen Zauber gesprochen und die Bücher verbunden haben. Aber bis heute hat niemand diesen Zauber an den Enzyklopädien entdecken oder ihn wieder rückgängig machen können, obwohl er eindeutig vorhanden ist.

Am Anfang hatte Pedia ein Urexemplar bei sich zu Hause in Cornwall. Nur, was sie in dieses Urexemplar schrieb, erschien auch in den anderen Exemplaren auf der ganzen Welt. Dann setzte ein Phänomen ein, das wir heute 'Wiki Leaks' oder auch 'Wikis Lecks' nennen. Denn plötzlich tauchten auch in ihrem Urexemplar Dinge auf, die jemand in eines der anderen Exemplare schrieb. Und der größte Unsinn verbreitete sich mit irrsinniger Geschwindigkeit. Wenn man nur irgendein Schriftstück in eines der Nachschlagewerke legte, wurde es sofort zu einem Bestandteil aller anderen Werke.

Eine Zeitlang hat Wiki Pedia versucht, das ganze geheimzuhalten, aber schließlich hat sie sich doch an die Behörden gewandt und dabei geholfen, ihre eigenen Bücher aus dem Verkehr zu ziehen und zu vernichten. Dann ist sie eines Tages einfach verschwunden."

Ron stieß plötzlich einen Laut aus, der an ein erschrockenes Grunzen erinnerte. "Das ist Luna!" schrie er und zeigte aufgeregt in das Buch 'Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind'. "Luna ist in diesem Buch!"

Harry, Hermine und der Minister blickten ihn verwundert an, aber als sie ihm über die Schulter schauten, konnten sie eine magische Schwarz-Weiß-Fotografie wie ein kleines Fenster auf einer der Buchseiten sehen. Diese Seite zeigte kein Tierwesen und schien auch nicht in das Buch zu gehören. Das bewegte Bild zeigte eindeutig Luna Lovegood, die Freundin aus Schultagen, von irgendwo schräg unten. Man sah ihr Gesicht, einen Teil ihres Oberkörpers und des Raumes um sie herum. Sie saß an einem Schreibtisch und schrieb mit einer Pfauenfeder auf ein Stück Pergament. Sie war so konzentriert, dass ihre Zunge leicht zwischen ihren geschlossenen Lippen hervorstieß, und schien nicht zu bemerken, dass man sie fotografierte oder beobachtete.

Kingsley Shacklebolt stöhnte leicht. "Ich befürchte, es wird doch schlimmer. Jetzt überträgt das geheimnisvolle Netz schon Bilder von Buch zu Buch. Wollt ihr mir einen Gefallen tun?" fragte er die drei. Alle nickten, und diesmal war auch Ron ganz Ohr. "Ich habe hier eine unterschriebene Erlaubnis für euch. Bitte geht in die Mysteriums-Abteilung und werft einen Blick in unser Exemplar der Enzyklopädie. Vielleicht könnt ihr darin irgendwelche Hinweise entdecken."

Und so kam es, dass sich Harry, Ron und Hermine kaum eine halbe Stunde später geführt vom Zaubereiminister auf dem Weg durch ein Labyrinth aus Türen und Fluren tief ins Herz der Mysteriums-Abteilung befanden. Vor einer Tür, die von außen mit schweren Riegeln und dicken Ketten und Vorhängeschlössern verschlossen war, blieben sie kurz stehen. Um den Türrahmen wanden sich zwei lange, schlangenartige Wesen mit schwarzen, segmentartigen Körpern ohne Beine. Als sie ihnen ihre runden Köpfe zuwandten, sahen sie sie wie durch kleine, runde, silberne Brillen an. Die kleinen Hörner auf ihren Häuptern hatten die gleiche Farbe.

"Bücherwürmer!" erklärte der Zaubereiminister. "Sie bewachen die Enzyklopädie. Lassen keinen rein und nichts heraus." Die Würmer schienen zu grinsen und bleckten ihre spitzen, vergilbten Zähne. "Im Notfall würden sie auch alles Papier auffressen, das durch diese Tür kommt! Seid ihr bereit?"

In Harry breitete sich ein mulmiges Gefühl aus. Ron schien es ähnlich zu gehen, so unbehaglich wie er dreinschaute. Nur Hermine tänzelte ungeduldig von einem Bein auf das andere. Offenbar konnte sie es kaum erwarten, einen Blick in ein Buch zu werfen, das in einem gewöhnlichen Gebäude dreizehn Räume ausgefüllt hätte und ständig weiter wuchs, wenn man es nicht daran hinderte, wie Shacklebolt ihnen erklärt hatte.

"Also los!" sprach der Minister. "Sucht nach Hinweisen. Erforscht die Enzyklopädie. Aber bitte, bitte: Schreibt nichts hinein! Fügt nichts hinzu!"

Er zog eine Art Urkunde mit dem Siegel des Zaubereiministers aus seinem Umhang und hielt sie vor ein Guckloch in der Mitte der Tür. Ein Klicken und Schnarren war zu hören, so als hätte etwas im Inneren der Tür das Schriftstück erkannt und bereits einige weitere Schlösser und Riegel innerhalb der Tür geöffnet. Dann zog der Minister seinen Zauberstab, berührte alle anderen Verschlüsse der Tür der Reihe nach und murmelte dabei einige Beschwörungen. Die Bücherwürmer schienen voller Vorfreude zu grinsen. Mit einem unheimlichen Knarren öffnete sich die Tür einen Spalt breit, genau so groß, dass Harry, Ron und Hermine sich gerade noch hindurchquetschen konnten.

"Viel Spaß und viel Erfolg!" rief Kingsley Shacklebolt ihnen noch hinterher. "Ich erwarte heute noch einen Bericht von euch!" Dann fiel die schwere Tür mit einem stauberstickten Laut ins Schloss.

Rings um sie herum flammten kleine Fackeln an den Wänden auf. Sie befanden sich in einem kreisrunden Raum ohne Fenster. In der Mitte stand ein runder Tisch mit drei Stühlen davor. Und auf diesem Tisch lag ein Buch in einem abgewetzten Ledereinband. Auf den ersten Blick sah es aus wie ein ganz gewöhnliches, altes Buch. Erst als sich die drei dem Tisch näherten, erkannten sie das wahre Ausmaß, das die Enzyklopädie der Wiki Pedia im Laufe der Zeit angenommen hatte.

Der Fußboden unter dem Tisch war aus dickem, durchsichtigem Glas. Dadurch konnte man erkennen, dass das Buch auf dem Tisch nur die Oberfläche von etwas viel Größerem und Gewaltigerem war. Wie ein riesiger Stapel Papier erstreckte sich die Enzyklopädie Meter um Meter in die Tiefe, ebenso wie der runde Raum, der Harry allmählich an einen gemauerten Brunnen erinnerte. So sehr er sich auch anstrengte, er konnte nicht bis hinunter zum Anfang des Nachschlagewerkes und zum eigentlichen Grund dieses Brunnens schauen.

"Hey, hört mal!" rief Hermine aus. Sie hatte sich bereits auf einem der Stühle niedergelassen und zu Harrys Unbehagen die Enzyklopädie aufgeschlagen. "Das Buch beginnt mit einer Randnotiz:

Vicky Peddy ist Geschichte. Nennt mich Wiki, Wiki Pedia – Wiki wie Wicki und Pedia mit einer langen Betonung auf dem 'i'. Ich wurde am 15. Januar geboren, und mein Ziel ist es, eine frei lizenzierte und qualitativ hochstehende Enzyklopädie zu schaffen und zu verbreiten."

"Toll", meinte Ron etwas sarkastisch. "Freut mich, dass Du Dich freust, Hermi, aber ich stelle mir unter einem schönen Tag etwas Anderes vor. Sollen wir jetzt den ganzen Tag in diesem muffigen und staubigen Keller hocken?"

Doch Harry und Hermine beachteten ihn gar nicht weiter. Harry hatte sich den Stuhl neben Hermine geschnappt und schaute interessiert in das Buch. "Ich frage mich, wie das hier funktioniert", murmelte er. "Wir können doch jetzt nicht eine Seite nach der anderen aufschlagen. Hier muss es doch irgendwas wie eine Suchfunktion geben." Er versuchte, das Buch hochzuheben, wenn auch mit wenig Hoffnung auf Erfolg. Und plötzlich hatte er ein zweites Buch vor sich auf dem Tisch liegen.

"Hey, jetzt hast Du es kaputt gemacht!" beschwerte sich Ron, hatte aber auch schon einmal in den Teil der Enzyklopädie vor Hermine gegriffen. Nun lag auch vor ihm ein Teil des Nachschlagewerks. Ein Blick zeigte Harry, dass sich unter dem Tisch und dem Glasfußboden nun statt einem drei Papierstapel in die Tiefe erstreckten.

"Interessant, interessant", meinte Hermine und blätterte eine Seite nach der anderen um und las sich im Stillen durch, was dort geschrieben stand.

Auch Harry ging von Seite zu Seite vor, verlor aber schon bald das Interesse. Es schien, als habe in diesem Buch wirklich jeder zu allem und jedem seinen Kommentar abgegeben. Neben einigen Artikeln von Wiki Pedia, die einige nützliche Informationen enthielten, fand er aber auch jede Menge Überflüssiges und Unwichtiges. Kochrezepte standen hier neben Zaubersprüchen. Seitenlange Reiseberichte wechselten sich ab mit Eintragungen, die eher an Tagebücher erinnerten. Zauberstab- und Kesselhersteller machten ebenso Werbung wie Rennbesen-Verkäufer.

"Und dieses Buch soll der Grund für eine Krisensitzung sein?" dachte Harry gerade, da flogen die Seiten vor ihm wild und in atemberaubender Geschwindigkeit durcheinander. Wie in einem Wirbelsturm kreisten sie über dem Tisch, aber nicht über dessen Grenzen hinaus. Und als die Blätter wieder still vor ihnen aufgestapelt lagen, traute Harry seinen Augen kaum.

"Ich fass' es nicht!" stieß er hervor. "Ich habe an Krise gedacht", meinte er aufgeregt, "und nun schaut euch an, was hier steht!"

Hermine lugte auf seinen Teil der Enzyklopädie, um dann vorzulesen: "Hier schreibt Wiki Pedia in einem Brief an die Henker und Scharfrichter im Tower:

Eine Krise - Alt- und gelehrtes Griechisch κρίσις, krísis, ursprünglich 'die Meinung', 'Beurteilung', 'Entscheidung', später mehr im Sinne von 'die Zuspitzung' - bezeichnet eine problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation. 'Krise' wird in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen auf sehr unterschiedliche Weise thematisiert. In der Medizin und Psychologie, in der Wirtschaftswissenschaft und Soziologie (Soziologie als Krisenwissenschaft oder als Wissenschaft selbst in der Krise) wie auch in der Ökologie und Systemtheorie."

"Soll das heißen", meinte Ron aufgeregt, "ich brauche nur an irgendwas zu denken, und schon zeigt mir dieses Buch, was es an Informationen zu dem Thema hat?" Er wartete es gar nicht erst ab und landete kurz nacheinander auf einer Seite über Schokoladenpudding und danach auf einer Seite zu seiner Lieblings-Quidditch-Mannschaft. Dann dachte er intensiv an Harry und obwohl das Buch angeblich schon seit Jahrzehnten nicht mehr aktualisiert worden war, spuckte es jede Menge Informationen und Geschichten über seinen Freund aus.

Doch auch diese Art der Suche hatte schon bald ihren Reiz verloren. Hermine hatte auf diese Art versucht, Informationen über den Zauber zu finden, der die Nachschlagewerke miteinander verbunden hatte, oder über den Verbleib von Wiki Pedia, die nirgendwo in diesem Buch Vicky Peddy genannt wurde, jedoch ohne Erfolg. Und so blätterten die drei irgendwann nach wer weiß wie vielen Stunden nur noch lustlos eine Seite nach der anderen um.

"Gaukelei!" murmelte Harry irgendwann. "Was?" fragten Hermine und Ron, der gerade auf einigen heißen Seiten mit nur sehr leicht bekleideten Hexenschönheiten hängengeblieben war, gleichzeitig. "Kennt ihr nicht Gundel Gaukelei, die alte Numismatik-Hexe, die immer wieder in Ducktown versucht, dem Münzmagier Dagobert Scrooge seinen Glückstaler Nummer eins und damit die Grundlage seines Reichtums und seiner Magierkarriere zu stehlen? Pedia schreibt hier über sie in ihrem fünften Brief an die Peking-Restaurant-Besitzer", leierte Harry genervt herunter.

"Was machen wir hier eigentlich?" wollte Hermine wissen und schob ihren Teil der Enzyklopädie zurück in die Mitte des runden Tisches, wo er sich augenblicklich auf die beiden Teile von Harry und Ron aufteilte. "Wir sollen nach Hinweisen suchen und wir sollten dabei systematisch vorgehen. Es bringt ja nichts, wenn wir von einer zu anderen Seite springen. Konzentrieren wir uns doch mal auf das erste Buch, das von Wiki geschrieben wurde. Das ist natürlich unheimlich dick und umfangreich."

Harry blickte nachdenklich drein. "Wie lang sie wohl gelebt hat? Da kommen in einem Hexenleben ganz schön viele Beiträge zusammen..."

"Was sind das denn hier für Knöpfe?" wurde er von Ron in seinen Überlegungen unterbrochen. Jetzt erst bemerkte Harry, dass sich neben dem Buch ein kleines Kontrollpanel befand, mit Knöpfen, nummeriert von eins bis dreizehn. Noch bevor er etwas sagen konnte, hatte Ron schon wahllos auf einen Knopf gedrückt, und plötzlich sauste der gesamte gläserne Boden mitsamt Tisch und Stühlen in die Tiefe.

"Ebene eins", verkündete eine blecherne Stimme, und die Fahrt wurde gestoppt. Hermine und Harry, die erschrocken nach Luft geschnappt hatten, grinsten etwas verschämt. "Aha! So funktioniert das also. Mal schauen, was es hier für Einträge gibt." Harry zog ein paar Seiten heraus. "Koboldaufstände im 16. Jahrhundert... Konnten sich nicht von ihrer Entmündigung durch Zauberer befreien...", murmelte er halblaut vor sich hin, bemüht die krakelige Handschrift zu entziffern. "Entstehung des ersten Kobold-Verbindungsbüros..."

Er hielt Hermine die schon etwas vergilbten und brüchigen Seiten hin. "Dies scheinen noch Originaleinträge von Wiki zu sein. Wir sollten uns langsam nach oben durcharbeiten."


"Was?" Ron stöhnte auf. "Durch alle dreizehn Ebenen? Das dauert ja Monde! Außerdem hab' ich Hunger!" Hermine beachtete ihn jedoch nicht weiter sondern zog weitere Blätter etwas höher aus dem Stapel. "Schaut mal. Dies ist eine ganz andere Handschrift." Wieder griff sie etwas höher. "Und hier auch. Dies muss der Zeitpunkt des Todes von der Hexe Wiki gewesen sein. Ab hier führen andere die Einträge und Erklärungen weiter. Und ab diesem Zeitpunkt müssen auch die Bücher rasant gewachsen sein."

"Aber, wer hat ab da dieses Werk von Wiki fortgesetzt?" fragte Harry. "Und warum?"

Doch statt Hermine antwortete ihm Ron, und das auf eine äußerst und ungewöhnlich scharfsinnige Art und Weise: "Mein lieber Freund! Ich denke, wenn Du den Ausführungen des Zaubereiministers richtig zugehört hättest, dann könntest Du Dir diese Fragen selber beantworten. Alle Benutzer der Enzyklopädie haben das Werk der Pedia fortgesetzt. Ob mit Absicht oder nicht, sei jetzt mal dahingestellt. Und warum? Na, zuerst mal, weil der Verbindungszauber - oder soll ich ihn 'Vernetzungszauber' nennen? - mit dem Wiki die Bücher verbunden hat, irgendwie ausgeartet ist und plötzlich jeder etwas zur Enzyklopädie hinzufügen konnte."

Ein lautes, malmendes Geräusch erklang. Hermine und Harry sahen sich erschrocken um. Harrys Fingerspitzen berührten die gemauerte Wand, und er fragte sich, ob sie vielleicht gleich mit dem Glasfußboden unkontrolliert in die Tiefe sausen würden. "Was war das?" fragte Hermine kleinlaut und schaute nach oben, wo sich irgendwo in großer Höhe über ihnen die Tür mit den Bücherwürmern befand.

"Das, meine Liebe", Ron ging im Kreis um den Tisch herum, wobei er sich demonstrativ in einer Denkerpose das Kinn rieb, "war das Knurren meines Magens! Denn, wie ich bereits erwähnte, habe ich HUNGER! Und wenn wir jetzt hier noch stundenlang weiter in altem Papier wühlen und von einer Ebene zur anderen sausen, dann wird mir wirklich schlecht!Wenn ihr mich fragt, dann sind das hier die entscheidenden Fragen:

Was ist mit diesem Verbindungszauber schief gelaufen und warum konnte plötzlich jeder Benutzer die Enzyklopädie wachsen lassen? Und warum wirkt sich der Verbindungszauber der Hexe Pedia plötzlich auch auf andere Bücher aus? Und vielleicht noch, warum startet der Minister eine Riesenaktion gegen eine Hexe, die angeblich schon seit Jahrhunderten tot ist?"

Mit einem tiefen Atemzug schien Ron in sich zusammenzusacken, offenbar erschöpft von seiner langen und geistreichen Rede. "Ron?! Das war so… so… präzise und logisch gedacht!" Hermine sah bewundernd zu ihm auf und schmiegte ihren Haarschopf an seinen Oberarm. "Wenn ich gewusst hätte, wie sich Hunger auf Deine grauen Zellen auswirkt, dann hätte ich Dir schon öfter mal weniger zu Essen gegeben."

"Schluss jetzt!" knurrte Ron mit seinem Magen im Chor. "MITTAGSPAUSE! UND MAHLZEIT!"

Er drückte auf einen der Knöpfe auf dem Kontrollpanel, und schon sausten sie wieder Ebene um Ebene den Enzyklopädiestapel in die Höhe bis sie wieder bei der gesicherten Tür angekommen waren.

Harry zog die Urkunde mit dem Siegel des Zaubereiministers, die Kingsley ihnen übergeben hatte, aus seinem Umhang und hielt sie vor das Guckloch in der Mitte der Tür. Die Tür rasselte und klickte und knarrte und ließ sie, als schließlich alle Schließvorrichtungen geöffnet waren, zurück in die Gänge und Flure der Mysteriums-Abteilung.

"Mittagessen ist vielleicht gar keine so schlechte Idee", meinte Harry. "Vielleicht gibt es ja auch schon irgendwelche Neuigkeiten aus den anderen Abteilungen." Und so machten sie sich auf den Weg nach oben in die Ministeriumskantine.

Die Kantine war schon gut gefüllt, doch die drei fanden noch einen freien Tisch nachdem sie ihre Tabletts beladen hatten.

"Das scheint wirklich eine Mammutaufgabe zu werden", brachte Hermine zwischen zwei Bissen hervor. "Da weiß man ja überhaupt nicht, wo man ansetzen soll."

Ron schüttelte den Kopf. "Nicht jetzt, meine Liebe. Pause heißt Pause!"

Kaum hatte er diese Worte gesagt, schwirrte es plötzlich um seinen Kopf, und ein winzig kleiner Vogel ließ einen Papierstreifen auf seinen Teller fallen und verschwand sofort wieder.Harry blickte dem Tierchen noch mit offenem Mund nach, doch Hermine fischte schon nach dem Papierstreifen und entrollte ihn.

"Anmerkung von Wiki Pedia: Die Pause wurde vom Spartaner Pausanias erfunden, als dieser vom Metzeln genug hatte, die Arbeit aber lieber den Heloten überließ. Eine Pause macht nicht nur zu Hause Spaß. Die beliebtesten Farben sind die Blaupause und die Lila Pause. Die berüchtigten Pausenbrote finden in den Schulpausen zweierlei Verwendung: Einerseits werden sie, wie von den Müttern empfohlen, als Frühstück gegessen, anderseits landen sie gegen den Willen der Mütter und Lehrer in den Mülltonnen."

Kopfschüttelnd blickte sie auf. "Was für ein Unsinn! Und woher kam dieser Kolibri so plötzlich?"

"Kann man jetzt nicht einmal mehr etwas laut sagen, ohne dass man gleich mit Anmerkungen von dieser Wiki bombardiert wird?" Ron schüttelte genervt den Kopf.

Noch bevor Harry etwas erwidern konnte, hörte er plötzlich eine Stimme von schräg unten. Ein griesgrämiger Kobold hatte sich unbemerkt zu ihnen an den Tisch gesellt und sprach Harry nun an: "Mister Potter? Ich bin Rand Grak vom Kobold-Verbindungsbüro. Wir hörten, dass der Minister sie mit dem Fall Wiki betraut hat und würden gerne mit Ihnen darüber sprechen. Absolute Diskretion ist hier von Nöten. Bitte folgen Sie mir unauffällig."

Harry zuckte mit den Schultern und zog Ron und Hermine hinter sich her. "Was bei Merlins Bart wird das jetzt schon wieder?"

"Nicht jetzt! Nicht hier!" zischte der Kobold und seine behaarten Ohren zuckten bedrohlich.

Nervöse Blicke um sich werfend führte er sie durch verschiedene Gänge, bis sie zum Büro der Kobolde kamen. Geradezu hastig schob er die drei durch die Tür und verriegelte sie sofort hinter sich. Er murmelte einige unverständliche Worte in Koboldgack und atmete dann erleichtert aus.

"Bitte, nehmen Sie Platz. Grawlak wird sofort bei Ihnen sein." Er huschte durch eine Zwischentür und kam nach kurzer Zeit mit einem weiteren Kobold zurück. Begrüßungen wurden ausgetauscht, und der zweite Kobold stellte sich ihnen als Grawlak, Koboldverbindungsoffizier vor und kam dann auch schnell zur Sache. Harry, Hermine und Ron lauschten gespannt.

"Diese Angelegenheit ist äußerst delikat und bedarf strengster Diskretion", begann Grawlak seine Rede. "Vor hunderten von Jahren kam es zu einem Disput zwischen der Hexe Vicky Peddy und einem Kobold namens Enzyklos. Beide erhoben Anspruch auf einen von Kobolden hergestellten magischen Suppenkessel. Die Hexe behauptete, es wäre Familienbesitz, der Kobold, es wäre jetzt wieder Koboldeigentum, nachdem der Auftraggeber verstorben war.

Es war ein erbitterter Streit, aber ich will Sie nicht mit Einzelheiten langweilen. Fluch traf auf Fluch, und da es uns Kobolden ja versagt war, Zauberstäbe zu benutzen, nutzte der Kobold seine ureigene Magie. Was genau geschah und wie ist bis heute noch ein Rätsel.

Doch nach diesem Zusammentreffen verschwand die Hexe Vicky und an ihrer Stelle erschien die Hexe Wiki Pedia und begann mit Briefen und Anmerkungen zu allen möglichen und unmöglichen Dingen, die Welt zu kommentieren. Sehr harmlos auf den ersten Blick, und niemandem fiel das besonders auf. Ihr erstes Buch war sogar äußerst beliebt bei den Zauberern. Auch praktisch, da es sich auf magische Weise vergrößerte und man nie ein neues Exemplar kaufen musste.

Doch im Laufe der Jahrhunderte explodierten die Einträge dann, und die Bücher wurden verboten und vernichtet. Bis auf wenige Exemplare, die unter Bewachung standen. Und auch diese Bücher wären nicht weiter gefährlich, wenn es nicht in den letzten Monaten zu einem rapiden Wachstum gekommen wäre. Nicht nur dass das Buch immer dicker wird, jetzt erscheinen diese Anmerkungen auch noch per magischer Kolibris auf der ganzen Welt. Diese Sache muss sofort gestoppt werden."

Harry schüttelte den Kopf. "Ich verstehe das nicht so ganz. Und warum soll das diskret behandelt werden? Warum haben sie das dem Ministerium denn nicht direkt mitgeteilt?"

Der Verbindungsoffizier schien sich unbehaglich zu fühlen. Schließlich gab er sich einen Ruck. "Gold!" seufzte er schließlich. "Es geht um eine beträchtliche Summe Gold. Wenn etwas davon in der Öffentlichkeit bekannt wird, könnte es zu einer Krisensituation auf dem Finanzmarkt kommen."

Er sah die großen Fragezeichen auf den Gesichtern der drei Freunde und setzte erneut an: "Was auch immer bei diesem Zusammentreffen von Magie zwischen Enzyklos und Vicky geschehen ist, seit dieser Zeit bezahlen wir Kobolde für jeden Beitrag und Kommentar in dem Buch. Einen Bime pro Beitrag, das entspricht etwa einem hundertstel Knut. Hört sich erst mal nicht sehr viel an, doch es hat sich im Laufe der Jahre und Jahrhunderte summiert. Und in den letzten Monaten..." Erschüttert brachte er den letzten Satz nicht zu Ende.

"Häh?" Ron raufte sich gedankenverloren die Haare. "Das kapier ich immer noch nicht. Warum bezahlen die Kobolde dafür und wie?"

Grawlak nickte Rand Grak, seinem Koboldgehilfen, zu, und dieser holte große Listen und Pergamente auf den Tisch. "Es ist eine magische Verbindung. Für jeden Eintrag oder Kommentar werden die Goldreserven der Kobolde belastet und verschwinden einfach aus dem Depot, über Hunderte von Jahren zunächst unbemerkt, weil die Summen so gering waren." Er zeigte auf verschiedene Diagramme und Tabellen. "Doch jetzt sind unsere Reserven fast erschöpft. Es droht der wirtschaftliche Zusammenbruch, was passieren wird, wenn bekannt wird, dass die Deckung nicht mehr reicht... Das Bankwesen der Kobolde galt immer als stabil!" Er stöhnte gequält auf.

"Und wohin verschwindet dieses Gold?" fragte Hermine, die allmählich einen Zusammenhang sah.

"Wir wissen es nicht", schüttelte Grawlak betrübt den Kopf. "Aber wir vermuten einen Zusammenhang mit dem magischen Suppenkessel."

Für einen Moment starrten alle betroffen vor sich in die Luft. Jemand zapfte die Goldreserven in den Koboldbanken an? Etwa auch in Gringotts? Harry wurde leicht nervös und fragte sich, ob er nicht so schnell wie möglich seinen Goldvorrat in seinem Bankverlies überprüfen sollte.

Und das alles sollte etwas mit den Beiträgen der Enzyklopädie-Hexe Pedia oder Vicky Peddy, wie sie wohl mal geheißen hatte, zu tun haben? Hermine, deren Gesicht gerade noch wie von einer Erleuchtung gestrahlt hatte, biss sich nun wieder nachdenklich und zerknirscht auf der Unterlippe herum.

"Magischer Suppenkessel?" überlegte sie. "Habe ich nicht mal von einem magischen Kessel gehört, der von sich aus Brei gekocht hat, sodass die Familie, die ihn besaß, nie hungern musste? Ich meine, immer, wenn sie den Deckel hoben, dann war da eine neue Portion Brei. Und alle wurden satt davon. Und lag nicht jedes Mal eine Goldmünze auf dem Boden des Kessels, wenn der Brei aufgegessen war? Könnte es so eine Art von Kessel gewesen sein, um den es in dem Streit zwischen Vicky Peddy und Enzyklos ging?"

Grawlak zuckte mit den Schulten. "Vielleicht, ich weiß nicht. Eigentlich ist es nicht die Art der Kobolde, Gold zu verschenken. Da muss wirklich etwas gründlich schief gegangen sein mit der Koboldmagie. Und wir haben seit dem auch diesen Kessel nie wieder gesehen. Wiki Pedia und ihre mehr als große Familie haben ihn sehr gut vor uns versteckt, wie es aussieht."

Er wühlte in dem Durcheinander von Pergamenten und Listen und Tabellen auf seinem Tisch und zog die Zeichnung eines Suppenkessels heraus. "Da ist das gute Stück!" verkündete er stolz und zeigte die Zeichnung in die Runde, völlig unnütz, wie Harry fand. Er konnte auf dem Bild nur einen ganz gewöhnlichen Kessel erkennen, wie es ihn immer noch in vielen Zauberer-Küchen gab. Es war ein gewöhnlicher Eisenkessel ohne außergewöhnliche Verzierungen oder sonstige Besonderheiten. Absolut kein Vergleich mit anderen Koboldarbeiten, wie zum Beispiel dem prachtvollen Schwert von Godric Gryffindor.

"Suppe und Kessel?" maulte Ron. "Dabei muss ich an mein Mittagessen denken. Das wird nämlich langsam kalt in der Kantine!"

Hermine boxte ihm auf den Oberarm. "Habe ich Dich vorhin gelobt für Deine Denkweise, wenn Du Hunger hast?" fragte sie scherzhaft. "Wenn ja, vergiss es ganz schnell wieder! Harry?" wandte sie sich im gleichen Atemzug an den Freund. "Ich möchte noch mal in den Enzyklopädie-Raum in der Mysteriums-Abteilung. Vielleicht finde ich einen Wiki-Eintrag zu dem Zauberkessel und wo er zu finden ist."

Kaum hatte sie ausgesprochen, stand sie auch schon an der verschlossenen Tür des Kobold-Verbindungsbüros und verlangte von Rand Grak, hinausgelassen zu werden. Den protestierenden Ron zog die an der Hand hinter sich her.

Harry wandte sich noch einmal an Grawlak. "Danke, dass Sie uns die Geschichte mit Enzyklos und dem Suppenkessel erzählt haben", sagte er und nickte dem Koboldverbindungsoffizier zu. "Vielleicht hilft sie uns bei unseren Nachforschungen. Aber hier geht es um sehr viel mehr. Sie sollten sofort den Zaubereiminister informieren, nicht erst, wenn das letzte Koboldgold verschwunden ist!"

Grawlak nickte zerknirscht, setzte dann aber hastig ein Schreiben auf, in dem er Kingsley Shacklebolt um eine Unterredung bat. Rand Graks Vorschlag, diese Nachricht mit einem zwitschernden Kolibri zu verschicken, lehnte er allerdings entschieden ab.

Harry hatte unterdessen Ron und Hermine auf dem Weg durch die Ministeriumsgängen zur Mysteriums-Abteilung eingeholt, als er plötzlich ein metallisches Knarren und Kreischen irgendwo hinter sich hörte. Er konnte sich nicht einmal umdrehen, als ihn etwas Scharfkantiges an der Schulter streifte. Das Etwas kreiste mehrfach scheppernd um seinen Kopf, ließ dann einen Zettel direkt zwischen seine Füße fallen und war im nächsten Moment den Gang hinunter verschwunden.

"Was, beim Barte Merlins, war denn das nun wieder?" keuchte Harry. "Sah aus wie ein mechanischer Vogel mit Flügeln und Schnabel aus Metall oder so was", antwortete Ron und zog den Kopf ein, als erwarte er, dass das Ding jeden Augenblick zurückkommen würde.

"Potter! Potter!" Eine Bürotür in ihrer Nähe wurde geöffnet, und ein Zauberer mit einem aufgeschlagenen Buch in Händen schaute kopfschüttelnd auf den Gang hinaus. Es war Beck Davidham, der neue Leiter der Ministeriumsabteilung für Magische Spiele und Sportarten, genau vor dessen Räumlichkeiten das mechanische Ding die drei Freunde aufgehalten hatte.

"Was soll eigentlich dieser Radau hier draußen?" fuhr Davidham fort und blätterte dabei weiter in seinem Buch, das Harry irgendwie bekannt vorkam. "Und so alt und altmodisch sind Sie doch gar nicht, oder Potter? Haben Sie denn noch nie eine Eu-Mail bekommen?"

"Eine von diesen künstlichen Eulen, die sie in der Mysteriums-Abteilung entwickelt haben?" Hermine schaute verblüfft dem mechanischen Ding hinterher, schien aber als einzige etwas mit dem Wort 'Eu-Mail' anfangen zu können.

"Genau die", meinte Davidham etwas gelangweilt, "sind hundertmal schneller als herkömmliche Eulen, kosten kein Futter und hinterlassen keinen Dreck. Also ich bekomme mindestens vier am Tag." Gleichzeitig las er weiter in dem Buch und nickte, als würde er hier schwarz auf weiß bestätigt bekommen, was er schon die ganze Zeit gedacht hatte. Er war genau wie sein Vorgänger im Amt, Ludo Bagman, ein ehemaliger Quidditch-Profi, der allerdings im Laufe der Jahre etwas zu viel Speck angesetzt hatte.

Gut, dass Hedwig das nicht mehr erleben musste, dachte Harry geistesabwesend. Erst schwirrende Kolibris mit ihren Kurznachrichten, jetzt künstliche Eulen, die die Post brachten. Was würde als nächstes kommen? Quidditchspiele, die man mit Tinte und Feder auf Papier spielte, die aber so echt waren, als wäre man selbst in der Luft und nicht im Büro oder zuhause?

Gleichzeitig hatte er aber auch das Buch erkannt, das Beck Davidham bei sich trug. Es war 'Quidditch im Wandel der Zeiten' von Kennilworthy Whisp. Gerade als er in Erinnerungen an dieses Buch und die schöne Zeit, die er damit in Hogwarts verbracht hatte, versinken wollte und sich zugleich fragte, ob das Buch nicht früher dünner gewesen war, sprach Davidham ihn wieder an: "Wollen Sie Ihre Eu-Mail nicht lesen?"

Harry hob den Zettel zu seinen Füßen auf. Er war mehrfach gefaltet und trug seinen Namen als Adresse. "Was steht 'n da?" wollte Ron wissen und drängte sich dicht neben Harry, um mit ihm zusammen das verschnörkelte Gekrakel in blutroter Tinte zu entziffern. Dort stand:

"H. Potter,
Interesse an Wiki Pedia und ihrer Enzyklopädie?
Wenn ja:
Heute Nachmittag, 5 Uhr, Eberkopf, Hogsmeade.

R.K.
Und kommen Sie allein!"

"Hey!" schrie der Leiter der Sportabteilung plötzlich. "Was soll denn das? Das hat hier drin nichts zu suchen!" Harry sah von der seltsamen Nachricht zu dem Zauberer in der Bürotür auf. Dieser schien jedoch nicht von der Nachricht zu sprechen sondern irgendetwas im Buch 'Im Wandel der Zeiten' zu meinen. Und schon las er vor:

"Beck Davidham - oder deutsch: David Hinterschinken - ist ein englischer Quidditchspieler, der bei männlichen Dekorationsschlampen als Frisuren- und Modeikone gilt. Abseits des glamourösen Lebens setzt Davidham sich für Bulimie-Erkrankte ein, was er mithilfe der Organisation SIBM tut. Zudem heiratete er 2003 das Bulimie-Opfer Victoria Davidham. Berühmt wurde er vor allem bei der Weltmeisterschaft 1998, als er einen gegnerischen Spieler angöbelte. Außerdem hatte er noch einen entfernten Verwandten, der ehemals bei der Gurkentruppe Scotland Yard sein Geld verdiente."

Davidham klappte das Buch mit einem lauten Knall empört zu. "Ich kenne dieses Buch in- und auswendig! So etwas stand da bis vor kurzem nicht drin! Außerdem ist es absolut nicht wahr!"

"Lassen Sie mich raten", meinte Hermine, "ein Brief der Enzyklopädie-Hexe Wiki Pedia?"

Davidham schluckte, schlug aber das Buch wieder auf. Er suchte den Beitrag, den er gerade vorgelesen hatte und blätterte und blätterte. "Ich könnte schwören, dass das Buch gestern nur etwa hundert Seiten hatte", murmelte er aufgebracht und blätterte weiter. "Und jetzt bin ich schon auf Seite fünfhundertdreiundvierzig." Schließlich hatte er den Beitrag über sich selbst gefunden. "Brief an die Versammlung der Quidditch-Schiedsrichter", las er die Überschrift vor und überflog die Seite auf der Suche nach dem Absender. "Aber hey, nicht von Wiki Pedia. Von Stupi Dedia, steht hier, mit einer Durchschrift an ihren Verlobten Kamelo Pedia."

Hermine war schon fast den Gang hinunter, als sie sich auffordernd zu Ron und Harry umdrehte. "Nun kommt schon!" rief sie. "Es wird schlimmer! Wir müssen endlich handeln! Lasst uns sehen, was die Enzyklopädie zu magischen Suppenkesseln und ihren Verbindungen zu Briefen an Randgruppen und ihrem unkontrollierten Auftauchen in anderen Büchern hergibt! Und dann… und dann… Ach, ich weiß auch nicht!" Sie drehte sich um und hastete weiter auf die Mysteriums-Abteilung zu. Harry ließ die Nachricht mit der eigenartigen Einladung in den Eberkopf für den Nachmittag in seinen Umhang gleiten und folgte Ron.

"Ich", rief Beck Davidham ihnen nach, "bin dann mal in meinem Büro! Falls mich jemand braucht. Und tut was dagegen! Ich will mein Buch zurück, so wie es war!" Und ganz leise, sodass nur er selbst es hören konnte: "Das ist doch kein Scherz mehr. Ist schließlich mein Lieblingsbuch. Und ich habe nicht gegöbelt bei der WM 98!"

Sie blieben abrupt stehen, als sie die schwarze Tür erreichten, hinter der man die Enzyklopädie aufbewahrte. Irgendetwas hatte sich verändert seit dem Vormittag. Die beiden Bücherwürmer, die die Tür bewachten wirkten dick und vollgefressen. Träge konnten sie sich kaum am Türrahmen halten. Ihre silbernen Brillen saßen schief über ihren Augen, und ihre silbernen Hörner hingen schlaff herab.

Und hinter der Tür schien es zu knistern und zu flattern wie die Flügel eines aufgebrachten Vogelschwarms. Hermine ging vorsichtig, ein Ohr voran, einen Schritt auf die Tür zu. Unter einem Türspalt, der eigentlich nicht hätte da sein dürfen, lugte eine einzelne, lose Buchseite hervor. Hermine zog sie heraus, hob sie vorsichtig auf und gab sie Ron.

"Wiki Pedias achter Brief an die Wurst- und Fleischwaren-Großhändler", entzifferte Ron mühsam. "Als Spam oder Junk, also englisch für 'Abfall' oder 'Plunder', werden unerwünschte, in der Regel auf elektronischem Weg übertragene Nachrichten bezeichnet, die dem Empfänger unverlangt zugestellt werden und häufig werbenden Inhalt haben. Dieser Vorgang wird 'Spamming' oder 'Spammen' genannt, der Verursacher 'Spammer'.

SPAM ist ursprünglich ein Markenname für Dosenfleisch, bereits 1936 entstanden aus 'SPiced hAM', fälschlich auch 'Spiced Pork And Meat/hAM' oder 'Specially Prepared Assorted Meat' genannt. Während der Rationierung im Krieg war Spam eines der wenigen Nahrungsmittel, die in Großbritannien praktisch überall und unbeschränkt erhältlich waren. Die Omnipräsenz dieses Fleisches, ähnlich wie später die unerwünschter Botschaften - zum Beispiel als E-Mails, förderte die Entwicklung des Begriffs.

Als Synonym für eine unnötig häufige Verwendung und Wiederholung wurde der Begriff durch den Spam-Sketch der englischen Comedyserie 'Monty Python's Flying Circus' geprägt: In einem Café besteht die Speisekarte ausschließlich aus Gerichten mit Spam, die 'Spam' teilweise mehrfach hintereinander im Namen enthalten. Im Sketch wird das Wort 'Spam' insgesamt 132 Mal erwähnt.

Die Nutzung des Begriffs 'Spam' im Zusammenhang mit Kommunikation hat ihren Ursprung wahrscheinlich in den Multi-User-Dungeons. Dort bezeichnete Spam zunächst nicht Werbung, sondern das von manchen Nutzern praktizierte massenhafte Überschwemmen des Text-Interfaces mit eigenen Botschaften.

In den Zusammenhang mit Werbung wurde das Phänomen Spam zum ersten Mal im Usenet gebracht. Dort bezeichnet man damit mehrfach wiederholte Artikel in den Newsgroups, die substanziell gleich sind oder für dieselbe Dienstleistung werben.

Die erste Spam-E-Mail wurde wohl am 3. Mai 1978 versendet, allerdings erst im Jahr 1993 als solche bezeichnet."

Ron rümpfte die Nase. "Häh? Ich verstehe kein Wort!" meinte er, aber weil er jetzt einige Male das Wort 'Dosenfleisch' und 'Schinken' gehört oder gelesen hatte, knurrte ihm erneut der Magen.

Im nächsten Augenblick kam Leben in einen der Bücherwürmer. Er schnellte aus seiner trägen Haltung am Türrahmen in Rons Richtung und riss ihm die Buchseite aus den Händen. Unter lautem Schmatzen und Malmen verschwand das Papier im Maul des schlangenartigen Tieres, dann ertönte ein trockenes, knitterndes Rülpsen. Anschließend schloss der Wurm die Augen und gab ein leises Schnarchen von sich. "Total überfressen, die Viecher", kommentierte Ron, "wenn ihr mich fragt."

Hermine und Harry wechselten unbehagliche Blicke. Das Rauschen im Enzyklopädie-Raum wurde immer lauter. "Harry?" Hermine machte ihm den Weg zur Tür frei. Harry nickte und zog erneut die Urkunde mit dem Siegel des Zaubereiministers hervor, die ihnen schon am Vormittag Zutritt gewährt hatte. Wieder öffneten sich die Schließvorrichtungen wie von Geisterhand, als Harry das Schreiben vor das Guckloch in der Mitte der Tür hielt.

Im Inneren herrschte das Chaos. Die Luft war erfüllt von wirbelnden Buchseiten, die wild durcheinander flogen. Wie in einem Wirbelsturm umkreisten sie die Mitte des Raumes, also die Stelle, an der vormittags noch der Tisch mit den Stühlen gestanden hatte. Doch der Tisch mit den Kontrollknöpfen war verschwunden. Ebenso der gläserne Fußboden.

"Ebene vierunddreißig", verkündete die blecherne und emotionslose Stimme.

"Ebene vierunddreißig?" schrie Ron über den ohrenbetäubenden Lärm, den die aufgewirbelte Enzyklopädie verursachte. "Waren es vorhin nicht nur dreizehn Ebenen, die mit diesem Papierstapel voll waren?" Ein kleiner Papierschnipsel löste sich aus dem rauschenden Schwarm und wehte ihm auf die sommersprossige Nase.

"Ist Ihr Besen zu kurz?" konnte Ron lesen. "Hätten Sie ihn lieber lang und hart? Dann kommen Sie zu Long & Hardy, Ihrer Nummer Eins für Besen aller Art in der Winkelgasse in London."

"Ebene fünfunddreißig", erklang wieder die blecherne Stimme. Hermine hielt sich am Türrahmen fest und hielt ihren Kopf todesmutig ins Innere des Raumes und damit nur wenige Zentimeter von den rotierenden Papieren entfernt. Weit, weit über sich glaubte sie, den durchsichtigen Fußboden mit dem Tisch, an dem sie noch vor wenigen Stunden gesessen hatten, sehen zu können. "Es wächst!" rief sie Ron und Harry zu. "Es ist außer Kontrolle geraten und wird immer und immer größer!"

"Ebene sechsunddreißig." Nichts konnte die monotone Stimme oder die Enzyklopädie stoppen. Harry fischte sich nun seinerseits eine Buchseite, die sich aus dem Raum bewegt hatte, vor seinem Gesicht aus der Luft.

"Harald Töpfer - weitergeleitet von Harry Potter", las er ganz automatisch vor, "ist ein ehemaliges Trampeltier, das durch seinen Kampf mit Eh-Mist-ich-hab's-vergessen-aber-vielleicht-weißt-du-noch-wie-er-heißt bekannt wurde. Dieser war damals bekannter Sodomist, der unter anderem kleine Kamele tötete.

Da Haralds Vadda Jeims ihn angezeigt hatte, weil Eh-Mist-ich-hab's-vergessen-aber-vielleicht-weißt-du-noch-wie-er-heißt ihm eine Flasche Strohrum gestohlen hatte, übte er Rache an Jeims und schnitt Harald das ab, was ein Tier zum Kamel macht, seine Höcker. Merkwürdigerweise starb Harald nicht daran, aber das liegt nur daran, dass sein Gegner ihn nicht töten wollte.

Sein Vadda Jeims und seine Mudda Lilie wurden damals von seinem Steinfeind Lord Voll-der-Mord umgelegt. Der arme Harald wuchs also als Waisenkind bei seiner fetten Tante und dem gertenschlanken Onkel auf. Denen war es total peinlich, dass Harald keine Höcker mehr besaß, und deshalb sperrten sie ihn bis zu seinem 11. Lebensjahr ein.

Da wurden sie überraschend von einem Obdachlosen überrascht, der als Hausmeister für eine Sonderschule arbeitete und auf einem Kurztrip bei ihnen vorbeischaute. Da er seine Madenmassen von seinem behaarten Körper entfernen musste, benutzte er die Toilette, in der Harald 11 Jahre lang eingesperrt worden war. In der Hoffnung, der Schulleiter Weißer Brabbelbart könne ihn für Tierversuche gebrauchen und er selbst könne sich beim Weißen Brabbelbart einschleimen, nahm er ihn mit in die 'Warze', die Sonderschule, an der er arbeitete.

Da er für die Versuche nicht geeignet war, musste Harald fortan als Schüler an diesem Internat arbeiten. Als solcher war er suizidgefährdet, da er immerfort als 'Kastrierter' gehänselt wurde. Zweimal versuchte er dabei, sich während eines Sportkampfes zu ermorden, andere Male engagierte er Eh-Mist-ich-hab's-vergessen-aber-vielleicht-weißt-du-noch-wie-er-heißt, der aber aufgrund dessen schlimmen Gestankes nicht in dessen Nähe wollte."

"Was ist denn das für ein Unsinn?" brüllte Hermine. "Die Beiträge und Randnotizen von Wiki Pedia sind vielleicht nervig, aber das ist ja der totale Quatsch!"

"Seit wann bist Du ein Trampeltier ohne Höcker, Harry?" wollte nun auch Ron wissen.

"Das ist kein Beitrag von Wiki", meinte Harry. "Hier steht: Dieses schrieb Kamelo Pedia in seinem letzten Brief an die Vereinigung der versammelten Hilfsgemeinschaften. Mit Durchschrift an seine Verlobte Stupi Dedia.

Außerdem gibt es noch einen Nachtrag: In der festen Überzeugung, dass der auserwählte 'Kastrierte' uns aus dem Haupte des Keilers erretten wird!"

"Wie es aussieht", rief Hermine und trat von der Tür zurück, "schreibt da irgendwer an der Enzyklopädie weiter und weiter. Und ich glaube, es hat nichts mit den weggesperrten Exemplaren zu tun. Ich habe keine Ahnung, wer Stupi Dedia und ihr Verlobter Kamelo Pedia sein sollen, aber da ist er wieder, der Name Pedia."

Das Rascheln und Rauschen der Buchseiten im Inneren des kreisrunden Raumes wurde lauter und lauter. Längst hatte der Lärm die blecherne Stimme übertönt, sodass die drei den Überblick verloren hatten, bis zu welcher Ebene der Papierstapel des Nachschlagewerks inzwischen angewachsen war.

"Wir müssen die Tür verschließen", stieß Harry hervor. "Und das Beste hoffen", setzte er leiser hinzu. Mit vereinten Kräften stemmten sie sich von außen gegen das schwarze Holz. Die Bücherwürmer stießen protestierende, wenn auch extrem müde Laute aus. Dreimal nahmen sie Anlauf und drückten und schoben, und jedes Mal gab es Widerstand von Innen, wo das Papier aufzuquellen schien und unbedingt nach Draußen gelangen wollte. Dann endlich rastete der Schließmechanismus im Inneren der Tür ein. Die Riegel schoben sich von außen vor, Vorhängeschlösser verschlossen die schweren Ketten.

"Ob dieser Raum die Enzyklopädie der Pedia aufhalten kann?" fragte Ron und sprach damit Harrys schlimmste Befürchtungen aus. "Was, wenn sie noch weiter wächst und das ganze Ministerium in die Luft sprengt?"

"Wir müssen sofort den Minister informieren!" sagte Hermine. "Oder hast Du eine andere Idee, Harry? Harry? … Harry?"

Doch Harry hörte sie kaum, denn seine Gedanken kreisten um Kamele und Trampeltiere, um Keiler und Eber, um Häupter und Köpfe und eine ihnen nur zu gut bekannte Gaststätte in Hogsmeade, jenem Zauberer-Dorf ganz in der Nähe von Hogwarts, der Schule für Hexenkunst und Zauberei.

Im Büro des Zaubereiministers herrschte helle Aufregung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums standen in kleinen Gruppen herum und diskutierten lautstark und mit weit ausholenden Gesten. Auf einer Couch in der Ecke des Raumes saßen Grawlak, der Koboldverbindungsoffizier, und sein Gehilfe Rand Grak. Mit ihren kurzen, baumelnden Beinen, die kaum den Fußboden berührten, wirkten sie seltsam fehl am Platze. Kingsley Shacklebolt selbst hatte den schwarzen Umhang ausgezogen und die Ärmel seines weißen Hemdes aufgekrempelt. Auf seiner schwarzen Glatze und Stirn glänzten Schweißperlen.

Gerade, als Harry, Ron und Hermine den Raum betraten, drängte Arthur Weasley an ihnen vorbei, dicht gefolgt von seinem drittältesten Sohn Percy.

"Kingsley", sprach Rons Vater den Minister an. "Die gewöhnlichen Muggel-Bücher scheinen nicht betroffen zu sein. Es werden bislang nur magische Bücher gemeldet, die unkontrolliert wachsen." Er überreichte Shacklebolt eine Pergamentrolle mit einer Liste, die dieser hastig überflog.

"Allerdings", fuhr Arthur mit einem besorgten Gesichtsausdruck fort, "sind jetzt noch mehr magische Bücher in Muggelbibliotheken aufgetaucht. Der älteste Teil der Universitätsbibliothek von Cambridge ist vor einer halben Stunde eingestürzt. Sie hatten dort offenbar ein Buch über Zaubertränke. Und im Edinburgh Castle sprengt ein Buch zur Geschichte der Zauberei gerade die Kellergewölbe."

Kingsley seufzte schwer. "Du weißt, was zu tun ist, Arthur! Stell ein Team zusammen, das die Schäden beseitigt. Sammele die Bücher ein, soweit das möglich ist. Und nimm Dir die letzten Vergiss-Michs, die noch nicht im Einsatz sind, und lösche Muggelgedächtnisse. Geheimhaltung der Zauberergemeinschaft ist nach wie vor die oberste Devise." Arthur nickte und grüßte die drei Freunde kurz auf dem Weg nach draußen.

"Minister Shacklebolt? Minister Shacklebolt?" rief Hermine, als Kingsley sie noch immer nicht beachtete und sich stattdessen an die Kobolde auf der Couch wandte. "Herr Minister, die Enzyklopädie in der Mysteriums-Abteilung wächst auch weiter!"

"Erzählen Sie mir etwas Neues, Miss Granger", rief ihr der Minister über die Schulter zu. "Sie sehen ja, was hier los ist. Wir bekommen dieses Problem einfach nicht in den Griff. Und zu den wachsenden und verbunden Büchern kommt jetzt noch ein finanzielles Problem. Aber wie unser Vertreter der Kobolde, Grawlak, mir berichtet, wissen Sie schon davon. Gibt es bei Ihnen Neuigkeiten, Mister Grawlak?" wandte er sich an den kleinen Kerl.

Dieser zog betreten den Kopf ein, räusperte sich und begann dann stockend zu sprechen: "Ich fürchte, es sind keine guten Neuigkeiten. Das Gold fließt nach wie vor in Strömen aus den Koboldbanken ab. Und inzwischen sind nicht nur die Koboldguthaben betroffen, sondern auch die ersten Privatverliese unserer Kunden. Scheinbar wird jetzt nicht nur für jeden neuen Beitrag Gold abgezogen, auch jedes Mal, wenn jemand einen dieser Wiki-Beträge liest oder nur anschaut, verschwinden Sickel um Sickel und Knut um Knut. Wir haben noch keinen Weg gefunden, das zu stoppen. Tut mir leid!"

"Und noch immer keine Spur von diesem magischen Suppenkessel?" wollte der Minister wissen. Grawlak und Rand Grak schüttelten absolut synchron den Kopf.

"Aber", warf der Gehilfe des Verbindungsoffiziers ein, "wir stehen in Verbindung mit einem unserer Experten für Koboldmagie. Es gibt, so sagt er, Fälle in der glorreichen Koboldgeschichte, aus den Jahren lange vor den Koboldaufständen und auch lange vor der Unterdrückung durch die Zauberer…" An dieser Stelle legte er eine Pause ein, wie um zu sehen, wie der Zaubereiminister auf den Vorwurf der Unterdrückung reagieren würde. Als Shacklebolt ihn jedoch weiterhin interessiert ansah, fuhr er fort: "Vor langer Zeit gab es wohl viele Koboldzauber, die den Betrachtern oder Benutzern eines verzauberten Gegenstandes jedes Mal unbemerkt Geld aus der Tasche zogen, sobald sie den verhexten Gegenstand anfassten oder auch nur ansahen."

"Und so einen Zauber", Grawlak schien etwas ungehalten, dass sein Gehilfe hier so kluge Reden schwang, "muss wohl auch Enzyklos damals bei Vicky Peddy versucht haben. Warum der Zauber erst die Hexe Vicky Peddy in die Hexe Wiki Pedia verwandelt und sich dann auf ihre Enzyklopädie und schließlich auch andere Bücher ausgewirkt hat, wissen wir noch nicht. Aber in jedem Fall ist der Kessel die Verbindung zwischen geschriebenem Wort und Gold." Er nickte zufrieden, während sein Gehilfe Rand Grak leicht skeptisch die Augenbrauen kräuselte.

"Gut", meinte der Zaubereiminister, "wir suchen schon in allen Zauberer-Haushalten des Landes nach dem Kessel der Wiki und außerdem nach ihren Nachfahren. Bislang ohne Erfolg. Außerdem habe ich meine besten Mitarbeiter aus der Mysteriums-Abteilung auf diesen Koboldzauber angesetzt. Wenn Sie beide jetzt bitte zu ihnen nach unten gehen würden, dann kämen sie vielleicht schneller voran. Und schaffen Sie diesen Koboldmagie-Experten her!"

"Herr Minister! Herr Minister!" Diesmal war es Percy Weasley, der nach Shacklebolt rief. Er hatte schon die ganze Zeit über ein Blatt Papier in der Hand geschwenkt und versucht, die Aufmerksamkeit des Ministers zu gewinnen.

"Ihr seht ja, was hier los ist!" Kingsley tupfte sich die nasse Stirn mit einem großen, weißen Taschentuch ab. "Wenn ihr noch etwas Anderes herausgefunden habt, was uns weiterhilft, dann heraus damit. Ansonsten habt ihr immer noch mein vollstes Vertrauen. Versucht den Kessel zu finden. Oder die Ursache, warum in letzter Zeit wieder mehr und mehr Wiki- oder Pedia-Beiträge auftauchen. Geht jeder Spur nach. Meine Unterstützung habt ihr."

Ron und Hermine sahen Harry an, aber der schien noch immer weit weg in seinen Gedanken zu sein.

"Minister", Percy war leicht außer Atem, "ich habe hier eine Nachricht vom Premierminister der Muggel." Er wedelte wieder mit dem Blatt Papier. "Es ist ihm nicht verborgen geblieben, dass es Probleme in der Zaubererwelt gibt. Er bittet deshalb um eine Unterredung in Number 10, Downing Street, so schnell wie möglich."

Kingsley Shacklebolt atmete schwer, hatte sich aber bereits wieder seinen schwarzen Umhang übergezogen. "Na", murmelte er, "dann wollen wir ihn mal nicht warten lassen und beruhigen, so gut es geht." Damit machte er sich, dicht gefolgt von Percy Weasley, auf den Weg in die große Eingangshalle, zu den Kaminen, um über einen ganz bestimmten im Büro des Muggel-Premierministers diesem einen Besuch abzustatten.

Hermine sah Ron an, dann Harry. Ron wirkte verwirrter denn je, und Harry starrte Löcher in die Luft, als ginge ihn das hier alles gar nichts an. "Und was machen wir nun?" fragte Hermine schließlich. "Wo bleiben denn nun die Ideen?"

"Ist es nicht bald fünf Uhr?" fragte Harry leicht zusammenhanglos. Ron und Hermine wechselten leicht besorgte Blicke. Wollte Harry Feierabend machen? Oder eine Teepause?

"Ich glaube, ich habe eine Verabredung im Eberkopf", sagte Harry, "mit Wiki Pedia." Dann stürmte auch er aus dem Büro des Zaubereiministers in Richtung Eingangshalle und Flohpulver-Kamine.

Im Eberkopf war es noch immer genauso schmuddelig und düster wie Harry es von seinem allerersten und auch seinem letzten Besuch hier in Erinnerung hatte. Es roch nach kaltem Rauch und Asche lag in der Luft. Jedenfalls im Kamin gegenüber dem Tresen, in dem Harry herausgekommen war. Hinter ihm erschien nur wenige Minuten später Ron, dicht gefolgt von Hermine, aus den grünen Flammen.

"Mensch, Hermine!" fluchte Ron leise. "Das ist mein Fuß, auf dem Du da gerade herumlatscht!"

Harry beachtete sie nicht und stieg aus dem Kamin. Sägemehl auf dem Boden knirschte bei jedem seiner Schritte. Stumm sah er sich im menschenleeren Schankraum um. Das Licht der Sommersonne des späten Nachmittags hatte Mühe, die schmutzigen und schmierigen Fensterscheiben zu durchdringen. Der Pub war getaucht in ein zwielichtiges Halbdunkel. Die Flaschen und Zapfanlagen hinter dem Tresen lagen verlassen da. Kein Aberforth Dumbledore, Besitzer und Wirt des Eberkopfs und Bruder des verstorbenen Albus Dumbledore, polierte mit einem dreckigen Tuch den letzten Glanz aus seinen schäbigen Gläsern.

Nur durch die halb geöffnete Hintertür fiel etwas helleres Tageslicht aus dem Hinterhof in den Durchgang zur Schankstube. Von dort waren jetzt auch geschäftiges Klappern und das Blöken und Meckern von mehreren Ziegen zu hören.

"KRAWUMM!" Das laute Scheppern eines eisernen Kleiderständers zerriss die Stille, als Ron auf seinem unsicheren Weg durch das Halbdunkel darüber stolperte und ihn zu Fall brachte.

Sofort waren stampfende Schritte im Hinterhof zu hören, und Aberforths ärgerliche Stimme erklang: "Heute ist Ruhetag! Der Pub ist geschlossen! Und alle Fremdenzimmer sind belegt!"

Mit einem besonders plärrenden Meckern sprang eine kleine braun-weiß gescheckte Ziege in den Schankraum. Aber der Wirt des Eberkopfes war ihr dicht auf den Fersen und scheuchte sie wieder in den Hinterhof. "Raus mit Dir, Missy! Du hast hier drin nichts zu suchen!"

Dann drehte er sich um und stand Harry direkt gegenüber, von Angesicht zu Angesicht, beinahe Nase an Nase. "So, so", brummelte Aberforth. "Harry Potter höchstpersönlich. Hat sie es also tatsächlich geschafft, Dich hierher zu locken. Sieh' an!"

Er wandte sich ab und ging langsam hinter den Tresen, wo er eine alte Öllampe entzündete und sich für sich selbst ein Glas Feuerwhisky einschenkte. "Auch was?" bot er den drei Freunden an und schwenkte die Flasche in die Runde, aber alle drei schüttelten wortlos und ablehnend den Kopf.

Harry schien es regelrecht die Sprache verschlagen zu haben. Er kramte in den Taschen seines Umhangs nach der Nachricht, die er am frühen Nachmittag per Eu-Mail erhalten hatte. Als er sie aber Aberforth zeigen wollte, winkte dieser nur ab.

"Hätte mir eigentlich klar sein müssen, dass Du früher oder später hier auftauchen würdest, Harry. Seit gut einem halben Jahr hockt sie nun da oben in einem meiner Gästezimmer und lässt sich weder sehen noch hören. Kommt nicht mal zu den Mahlzeiten nach unten. Lässt sich Frühstück und Abendessen vor die Zimmertür stellen. Hat einen gesunden Appetit, die feine Dame. Isst für drei, wenn Du mich fragst. Aber auf die Dauer ist es schon etwas eigenartig, wenn man höchstens mal ihre Arme sieht, wenn sie das schmutzige Geschirr in den Gang stellt…"

Er machte eine Pause, um sein Glas Whisky in einem Zug zu leeren und sich ein neues einzuschenken. "Nun ja, ich stelle keine Fragen. Solange sie bezahlt. Aber dann, seit heute Morgen, schickt sie mir jede Stunde einen von ihren nervigen, zwitschernden Kolibris mit Nachrichten. Und alle sagen das gleiche. Wenn Harry Potter kommt soll ich ihn gleich zu ihr rauf schicken. Sie scheint Dich wirklich ganz dringend sehen zu wollen, Harry!"

Hermine war mit jedem von Aberforths Worten näher gekommen. "Wer ist sie?" fragte sie misstrauisch. "Doch nicht etwa wirklich…" Aber ein Hustenanfall des Wirtes unterbrach sie. Er kippte sein nächstes Glas und stellte es dann lautstark auf den Tresen, der bereits mit runden Glasrändern übersät war. Dann setzte er ein geheimnisvolles Lächeln auf und wies auf die Treppe im hinteren Teil des Schankraums, die zu den Gästezimmern hinaufführte.

"Seht selbst! Sie ist in Zimmer drei, dem letzten auf der rechten Seite, am Ende des Ganges. Aber sie wird nicht erfreut sein über Deine Begleitung, Harry. Ich bin hier unten, falls etwas sein sollte."

Mit diesen Worten eilte er wieder in den Hinterhof und ging dort weiter klappernd der Tätigkeit nach, bei der sie ihn unterbrochen hatten.

Ron und Hermine wechselten unbehagliche Blicke, aber Harry war schon auf der Treppe und schon fast im oberen Stockwerk angekommen, als sie ihm endlich folgten.

Die Zimmertür von Nummer drei schwang mit einem entsetzlichen Quietschen auf, als Harry gerade anklopfen wollte. Er hielt kurz den Atem an und trat zögernd ein. Hier oben war es noch dunkler und schummeriger als unten im Schankraum. Das kleine Fenster, das auf den Hinterhof hinausging, war mit einem schweren, dunklen Vorhang verhangen. Die Möbel im Raum und die Türen zum Wandschrank und zu dem kleinen Waschraum zu seiner Linken waren nur als vage Schemen zu erkennen. Die Luft war schwer und abgestanden und erfüllt vom Geruch eines süßlichen Damenparfums. Zugleich konnte er ein eigenartiges Kratzen und Schaben und das Rascheln von Papier oder Pergament hören. In dem großen, breiten Bett direkt gegenüber der Tür lag halb sitzend eine Gestalt, die sich jetzt langsam aufrichtete.

"Harry?" Eine hohe, mädchenhafte Stimme klang zu ihm herüber. "Mein lieber, lieber Junge. Harry, Held der Zaubererwelt. Der Auserwählte. Potter, der junge Mann, der Du-weißt-schon-wen überlebte. Einzig bekannter Überlebender des Avada-Kedavra-Todesfluchs. Und Bezwinger des Dunklen Lords. Harry Potter, mein Lieber, es ist so schön, dass Du es einrichten konntest."

Das Kratzen und Rascheln wurde immer lauter. Und Harry hatte das Gefühl, als beobachteten ihn Dutzende einzelne Augen aus dem Halbdunkel um das Bett herum. Er fühlte sich wie hypnotisiert, wie ein Kaninchen im Angesicht einer Schlange oder eine Fliege gefangen im Netz einer Spinne.

"Schluss jetzt mit dieser Geheimnistuerei!" Die Zimmertür wurde weiter aufgestoßen, und Hermine trat herein. Ron stand jetzt neben Harry und hielt seinen Zauberstab auf die Gestalt im Bett gerichtet. Hermine, ebenfalls mit gezücktem Zauberstab, trat entschlossen auf das Fenster zu und riss die Vorhänge herunter. Die Sommersonne aus dem Südwesten erhellte augenblicklich den Raum und warf breite, staubige Streifen herein. "Wer sind Sie und was wollen Sie?"

Doch diese Frage erübrigte sich, denn alle drei kannten die Gestalt im magentafarbenen Morgenrock, die sich nun geblendet und mit einem unterdrückten Schmerzensschrei vom Fenster und dem hellen Tageslicht wegdrehte. Blonde Locken kräuselten sich um das blasse und gleichzeitig vollkommen überschminkte Gesicht. Eine große Brille mit Flügeln rechts und links der Gläser schillerte bunt wie der Panzer eines großen Käfers. Dahinter lagen eingesunkene, rot- und blaugeränderte Augen - ob von Müdigkeit und Erschöpfung oder durch übermäßig viel Schminke, konnte Harry nicht sagen.

Kaum hatte sie sich an das Licht gewöhnt, drehte Rita Kimmkorn ihm ganz langsam das Gesicht zu. Dieselbe Bewegung imitierte auch gut ein Dutzend giftgrüner Schreibfedern, die zusammen mit Pergamentrollen und Papieren rund um das Bett herum verteilt schwebten. Ihre Spitzen, die in rote, blaue oder grüne Tinte getaucht waren, waren alle erwartungsvoll auf Harry gerichtet und konnten so im Moment nicht das kratzende und schabende Geräusch verursachen, das vor Kurzem noch zu hören gewesen war. Erst als Rita ihre blutrot angemalten Lippen lüftete und Harry ein Lächeln mit Lippenstift verschmierten Zähnen schenkte, stürzten sich die Flotte-Schreibe-Federn wieder auf ihre jeweiligen Schreibwaren und schrieben wie wild drauflos.

"Harry, Harry, Harry, Harry, Harry, Harry, …", wiederholte die ehemalige Journalistin und Buchautorin so oft kopfschüttelnd Harrys Namen, dass dieser schon aufschreien wollte, er wüsste, wie er hieße, aber dann fuhr sie raunend fort: "Harry, Du hast also die kleine Miss Zimperlich, die kleine Miss Makellos und ihren sommersprossigen Freund mitgebracht. Hatte ich nicht in meiner Nachricht geschrieben, dass Du allein kommen sollst? Aber schön, sie stören mich nicht weiter."

Sie richtete sich etwas auf und zupfte am Halsausschnitt ihres Morgenmantels herum. Dabei ließ sie Harry keine Sekunde aus den Augen. Unter schwarz verklebten Augenlidern warf sie ihm tiefe Blicke zu, die sie vielleicht für verschwörerisch und verführerisch zugleich hielt. Das gewaltige Gestell ihrer bunten Brille mit den aufgesetzten, falschen Edelsteinen schien ihre Augen zu reflektieren. Zugleich wirkten die Flotte-Schreibe-Federn um sie herum wie seltsame Verlängerungen und Vervielfältigungen ihrer Arme, Hände und Finger und die ganze Frau dadurch mehr denn je wie eine große, hungrige Spinne in ihrem Netz, die versuchte, ihre Beute zu hypnotisieren.

Während Ron noch mit staunend offenem Mund dastand, ging Hermine auf eine der Schreibfedern zu und versuchte zu entziffern, was diese da so eifrig in roter Tinte zu Papier brachte.

"Wiki Pedias neunter Brief an die Boulevardzeitung 'Gelbe Presse' ", sprach sie leise die Worte mit, die sie las,

"Liebe Sonne,

der Ausdruck Prominenz - vom lateinisch 'prominentia' = das Hervorragende; aus 'pro minere' - wird im Alltag meist zur Bezeichnung der Gesamtheit der prominenten Persönlichkeiten verwendet, kann aber auch neutral das wie immer erworbene Ausmaß der individuellen Bekanntheit in der Öffentlichkeit meinen und dann nicht nur auf Menschen, sondern beispielsweise auch auf Orte bezogen werden. Das Wort ist im Deutschen erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Gebrauch gekommen und stellt ein Äquivalent zu dem wörtlich gleichbedeutenden Begriff 'Eminenz' dar, der traditionell auf die Anrede von 'hohen' katholischen Würdenträgern beschränkt ist.

Als Prominente oder kurz Promis bezeichnet man vorwiegend Personen wie Schauspieler, Musiker und andere Entertainer, aber auch Politiker oder etwa Sportler, die oft in der Öffentlichkeit auftreten, sodass über sie häufig auch in Presse, Rundfunk und Fernsehen berichtet wird.

Serverus Snape, seinerzeit Lehrer für Zaubertränke an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberkunst, bezeichnete den prominenten Harry Potter bereits in seiner ersten Zaubertrank-Unterrichtsstunde ironisch als Hogwarts 'neue Berühmtheit'."

Hermine runzelte die Stirn. Warum schrieb diese Feder einen offenbar neuen Brief von Wiki Pedia, ohne dass Wiki Pedia selbst anwesend war? Was ging hier nur vor sich?

Rita räkelte sich, und die Federn schrieben weiter und weiter. Harrys Blick wanderte zu einem großen, trüben Spiegel an der Wand über dem Bett. Hatte er dort gerade einen Farbblitz gesehen, oder hatte er sich das nur eingebildet? Der Stapel aus Kissen und Decken in Ritas Rücken knisterte, als sie sich dagegen lehnte und weiter und weiter auf Harry einredete.

"Harry Potter, mein Held!" Sie grinste breit mit ihrem roten Mund. "Die Ausbildung geht gut voran, wie ich hören und sehen durfte? Der Zaubereiminister hält große Stücke auf Dich? Im Privatleben ist alles in Ordnung? Die Liebe ist noch frisch und romantisch wie am ersten Tag? Alles ist noch immer voller Rätsel und Geheimnisse und gerade so aufregend und spannend, dass es nicht langweilig aber auch nicht lebensbedrohlich wird? Und jetzt dieser merkwürdige Fall der Wiki Pedia mit ihrer wachsenden Enzyklopädie? Man könnte direkt neidisch werden."

Hermine horchte auf. Harry runzelte die Stirn. Woher wusste Rita Kimmkorn davon, dass Kingsley Shacklebolt Harry, Ron und Hermine mit Nachforschungen über die Enzyklopädie beauftragt hatte? Woher hatte sie gewusst, dass sie ihn allein mit dem Namen 'Wiki Pedia' würde hierher locken können, als sie ihre Eu-Mail-Nachricht geschrieben hatte?

"Woher ich das alles weiß?" Konnte sie jetzt auch noch Gedanken lesen? Sie rieb sich leicht die Schläfen, und Harry musste sich wundern, dass sie sich dabei nicht mit ihren mindestens fünf Zentimeter langen Fingernägeln die eigene Stirn zerkratzte. "Diese Verbindung zwischen den magischen Büchern ist wirklich ein mehr als praktischer Zauber. Sieh' selbst!"

Ihr Zeigefinger mit einer der rotlackierten Krallen am anderen Ende deute auf ein Taschenbuch, das auf einem kleinen Tisch in einer Ecke des Gästezimmers lag. Wie ferngesteuert ging Harry darauf zu und schlug es auf. Es war einer der Liebesromane, die Rita vor einiger Zeit geschrieben und veröffentlicht hatte.

"Blättere weiter!" forderte sie ihn auf.

Auf Seite acht fand Harry ein etwa postkartengroßes Bild, das auf den ersten Blick wie ein ganz gewöhnliches Schwarz-Weiß-Foto aussah. Es zeigte einen Konferenzraum von oben, etwa aus der Perspektive eines Buches im obersten Fach eines Bücherregals. Doch Moment mal! War das nicht der Konferenzraum im Ministerium, in dem am Morgen die Krisensitzung stattgefunden hatte? Ja, genau! Auf dem Bild betrat doch tatsächlich gerade Percy Weasley den Raum, ordnete einige Unterlagen auf dem großen Besprechungstisch, bevor er sie sich unter den Arm klemmte und wieder hinausging. Harry blätterte hastig weiter. Auf einer der nächsten Seiten war ein weiteres bewegtes Bild zu sehen, das das Innere des Büros des Zaubereiministers zeigte.

Hermine und Ron schauten dem Freund über die Schultern. Zu dritt sahen sie, dass Kingsley in seinem Büro war, offenbar zurück von seinem Besuch beim Muggel-Premierminister. Drei der sogenannten 'Unsäglichen', also Mitarbeiter der Mysteriums-Abteilung, und drei Kobolde standen um seinen Schreibtisch. Die Kobolde waren Grawlak und Rand Grak, den dritten kannten sie nicht. Vielleicht war das der Experte in Sachen Koboldmagie, von dem sie früher schon gehört hatten. Der Minister zeigte gerade auf eine Skizze des magischen Suppenkessels der Wiki Pedia und bewegte die Lippen. Und wenn die drei im Gästezimmer des Eberkopfes genau hinhörten, konnten sie sogar verstehen, was er sagte.

"Also, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann hätte der Koboldzauber, den Enzyklos damals gegen Vicky Peddy eingesetzt hat, unter normalen Umständen für beide Seiten nur Vorteile gehabt?" Die Kobolde nickten eifrig, und Shacklebolt fasste weiter zusammen: "Peddy hätte, wie es ihre Absicht gewesen war, ihre Beiträge und Randnotizen in der Zaubererwelt verbreiten können, und Ihr Artgenosse hätte dafür über den magischen Kessel Gold bekommen, jedes Mal wenn sie etwas geschrieben und veröffentlicht hätte?" Wieder nickten die schrumpeligen, kleinen Kerlchen. "Klingt mir aber nach einem viel größeren Geschäft für Enzyklos als für die Enzyklopädie-Hexe!" stieß Shacklebolt ärgerlich hervor.

"Das", meinte der Koboldverbindungsoffizier schneidend, "wäre nur ein ganz, ganz kleiner Ausgleich gewesen für alles, was uns die Zauberer in den letzten Jahrhunderten angetan haben. Und es gibt keine Leistung ohne Gegenleistung. Jedes Ding hat seinen Preis! Und wenn diese Peddy Enzyklos den Kessel ohne Diskussionen und Gegenzauber übergeben hätte, dann wäre es nie so weit gekommen! Und es hätte nie eine Wiki Pedia gegeben, und wir hätten heute nicht diesen ganzen Ärger!"

Rand Grak berührte seinen Chef leicht an der Schulter, offenbar bemüht, eine Eskalation der Situation zu vermeiden. Aber der Zaubereiminister hob auch so beschwichtigend die Arme und fragte weiter: "Und wie und warum wirkt dieser verdammte Zauber noch weiter, nachdem Wiki Pedia schon seit so vielen Jahren tot ist?"

Der Koboldmagie-Experte trat einen Schritt nach vorn und setzte zu einer Erklärung an, aber Grawlak unterbrach ihn grob, indem er das, was der andere Kobold herausgefunden hatte, einfach selber noch einmal wiederholte.

"Nachdem die Kombination aus dem Koboldzauber und dem Fluch der Hexe Vicky Peddy aus ihr die Hexe Wiki Pedia gemacht hatte, und der Suppenkessel in ihrem Besitzt geblieben war, wurden scheinbar sowohl der Kessel als auch die magische Fähigkeit der Vernetzung von Büchern und der unendlichen Verbreitung von Beiträgen und Schriftstücken von Generation zu Generation weitergegeben. Wir glauben, dass der Name Pedia dabei eine entscheidende Rolle spielt. Jeder, der diesen Namen trägt, kann sowohl den magischen Suppenkessel als auch den Vernetzungszauber nutzen. Und wieder einmal ist der Irrglaube der Zauberer, sie könnten Gegenstände und Zauber einfach so weitergeben, auch wenn der Auftraggeber gestorben ist, an allem schuld! Hätte die Peddy-Familie den Suppenkessel rechtmäßig an seinen Hersteller zurückgegeben, dann wäre das alles niemals passiert, und wir wären jetzt nicht in dieser Situa…"

Der Koboldverbindungsoffizier war auf einen Stuhl gesprungen und hatte begonnen, ärgerlich auf und ab zu hüpfen. "Schon gut! Schon gut!" Kingsley Shacklebolt unterbrach ihn in seinem Wutausbruch, und Rand Grak zupfte ihm am Ärmel, um ihn wieder von dem Stuhl herunter zu holen. "Und was genau können wir nun gegen diesen Zauber tun? Ich glaube kaum, dass wir auf Dauer mit verschwindendem Gold und explodierenden Büchern leben können!"

Jetzt meldete sich doch der Experte in Sachen Koboldmagie zu Wort: "Zunächst einmal müssen wir den magischen Suppenkessel finden. Und wenn dann…"

"GENUG! ACCIO, BUCH!" Das Taschenbuch schlug zu und flatterte durch den Raum direkt in Rita Kimmkorns lange, lackierte Krallen. "Praktisch, diese magischen Verbindungen, nicht wahr?"

Hermine stemmte aufgebracht die Hände in die Hüften. "Das ist Spionage!" protestierte sie. "Noch schlimmer als damals, als Sie als Käfer durch die Gegend geflogen sind und unschuldige Menschen ausgehorcht haben! Was haben Sie nur getan?"

Die giftgrünen Schreibfedern hörten schlagartig auf zu schreiben und gaben stattdessen ein eigenartiges Zischen von sich, als sie alle gleichzeitig ihre Federspitzen Hermine zuwandten.

"Kleine besserwisserische Miss Perfekt!" zischte Rita und funkelte hasserfüllt zu Hermine herüber. "Hast Dich überhaupt nicht verändert, was? Steckst Deinen großen Zinken noch immer in Dinge, die Dich absolut nichts angehen. Nicht wahr, Miss Naseweis?"

Sie seufzte und sank in ihre Kissen zurück. Dabei wischte sie sich mit dem Handrücken über die Stirn, als hätte sie grauenhafte Kopfschmerzen. Auf ein leichtes Nicken von ihr kritzelten die Schreibfedern weiter vor sich hin.

"Aber, Harry, mein lieber, lieber, hübscher Junge. Wenigstens Du musst mich doch verstehen! Erinnerst Du Dich nicht mehr an unsere großen, gemeinsamen Erfolge damals beim Trimagischen Turnier? Oder an den weltbewegenden Enthüllungsbericht über die Rückkehr von Lord… Du-weißt-schon-wem, und meinen unermüdlichen Kampf, die Wahrheit ans Licht zu bringen? Das war doch schon immer meine Devise: Die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit!" Sie schluchzte dramatisch auf.

Die Wahrheit? Harry erinnerte sich vor allem an die Lügen und Halbwahrheiten, die sie verbreitet hatte. Sicher, sie hatte seine Geschichte von Cedric Diggorys Tod und Lord Voldemorts Rückkehr geschrieben und im 'Klitterer' veröffentlicht, aber nur, weil Hermine sie mit ihrem Wissen darüber, dass sie ein nicht registrierter Animagus war, erpresst hatte. Und nur zu gut erinnerte er sich an die reißerische Biographie, die sie über Albus Dumbledore verfasst hatte.

"Und wie hat man es mir gedankt?" Ein weinerlicher Unterton hatte sich in Ritas sich überschlagende Stimme geschlichen. "Man hat mich verachtet, mich sogar eingesperrt, erst in ein Einmachglas, dann sogar ins Zauberer-Gefängnis von Askaban!" Ihre Unterlippe zitterte, als sie mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Hermine deutete. Ja, als in einen Käfer verwandelten Animagus hatte Hermine sie mal in einem Einmachglas eingeschlossen. Und nach Askaban hatte man sie gebracht, als sie ganz entgegen das Geheimhaltungsabkommen der Internationalen Zaubervereinigung versucht hatte, eine Kinderbuchreihe an einen Muggelverlag zu verkaufen.

"Hatty Propper, die Zauberschülerin mit der S-Narbe, hätte ein Erfolg werden können! Aber die ganze Welt war gegen mich! Auch finanziell waren die letzten Jahre eine Katastrophe für mich. Warum gönnt ihr mir denn da nicht einen ganz kleinen Erfolg. Harry?"

Harry wusste noch immer nicht, was er sagen sollte. Sein Blick hing wieder magisch angezogen an dem großen, schwarzen Spiegel über dem Bett. Auf der stumpfen, angelaufenen Fläche in dem matten Rahmen waren doch tatsächlich blaue und rote Linien zu erkennen.

"Harry, bitte, bitte!" Rita kniete jetzt auf dem Bett und streckte bettelnd ihre Hände nach ihm aus. "Ich habe endlich eine Methode gefunden, mit meiner Schreiberei jede Menge Leser zu erreichen und jede Menge Gold zu verdienen. Und jeder muss lesen, was ich schreibe, jeden Beitrag, jede Randnotiz. Aber mir gehen langsam die Ideen aus. Und da musste ich sofort an Dich und Dein aufregendes Leben denken."

"Und weil Harry ein 'Prominenter' ist, wollen natürlich auch noch viel mehr Leute über ihn und sein aufregendes Leben lesen? War es das, was Sie sich gedacht haben?" warf Hermine herausfordernd ein.

"Wer redet eigentlich mit Dir, Miss Neunmalklug?" fauchte Rita sie an. Die Autorin hievte sich mühsam aus dem Bett hoch. Ihr magenta-roter Morgenrock entblößte dabei leicht die zerknitterte Unterwäsche, die sie darunter trug. Sie schlüpfte in ein Paar roter Plüschpuschen, die neben dem Bett gestanden hatten, und schlurfte auf Harry zu. "Du kannst mir helfen, mein hübscher Junge!" Sie versuchte, Harrys Hand zu ergreifen. "Wir können uns gegenseitig helfen! Du erzählst, meine Federn und ich schreiben. Was hältst Du davon? So wie damals, weißt Du noch? In der Besenkammer vor dem Trimagischen Turnier oder in den 'Drei Besen' in Deinem fünften Schuljahr? Oder Du könntest auch selber schreiben. So eine Art Tagebuch, ein Logbuch über die Reise durch Dein spannendes und aufregendes Leben. Oh, ich bin so voller Ideen! Ich habe so große, große Pläne. Ich beteilige Dich auch am Gewinn. Sagen wir mit zwanzig Prozent der Einnahmen. Oder sagen wir fünfundzwanzig, nein, dreißig Prozent! Ich sehe es vor mir. Siehst Du es nicht auch? Sag einfach nur ja!"

Sie stand jetzt direkt neben Harry und hatte ihm einen dünnen Arm um die Schultern gelegt. Mit dem anderen machte sie eine weite, ausladende Geste in Richtung des großen Spiegels über ihrem Bett, das sie wohl schon seit einiger Zeit nur noch zu den Mahlzeiten verlassen hatte."Siehst Du es nicht direkt vor Dir?"

Auf dem vormals blinden Spiegel erschien in riesigen, kunterbunten Buchstaben der folgende Schriftzug:

"Wiki Pedias neue, verbesserte Enzyklopädie
-
Eine Millionen Wege für Hexe und Zauberer in Glück und Reichtum

Herausgeber Rita Kimmkorn und Harry Potter"

"Siehst Du es nicht vor Dir? Mein Talent und Dein Name, was soll da noch schief gehen? Wenn wir dieses Buch gemeinsam herausgeben, dann werden wir berühmt und reich, irrsinnig reich! Das Gold wird in Strömen fließen, ohne Ende, wenn wir es erst errichten, das magische ZWISCHENNETZ!"

Harry rückte von ihr ab. "Was ist das magische Zwischennetz? Was haben Sie getan?" stammelte er. "Haben Sie den magischen Suppenkessel der Wiki Pedia?"

Eine Flotte-Schreibe-Feder hatte gerade mit blauer Tinte ein kleines Stück Pergament vollgeschrieben, das nun in hohem Bogen auf Ron zuflog. "Brief von Stupi Dedia an die Vereinigung der versammelten Hilfsgemeinschaften. Mit Durchschrift an ihren Verlobten Kamelo Pedia", entzifferte Ron.

"Dieses Zwischennetz wurde von IHNEN erfunden, um in möglichst kurzer Zeit maximal viel Spam zu verschicken. Sie baden gerade Ihre Hände darin!

Es wird von elektronischen Spinnen aus Schnur gewebt - siehe auch: Web! Server - und von darin herumhängenden Netzdesignern in einem extrem hässlichen Zustand gehalten. Wenn Sie die Welt davon befreien möchten, können Sie ja auch das Zwischennetz herunter fahren! Extraterrestrische Herkunft?

Eine Verschwörungstheorie besagt, dass das Zwischennetz außerirdischer Herkunft sei: Die Web! Abteilung von Winzigweich habe mit geheimer Zustimmung der UK-Regierung auf Billiglohnbasis mehrere Zauberer von fremden Planeten als Praktikanten eingestellt - sogenannte intern ETs, welche dann in deren Auftrag eine neuartige Technologie zur Gedankenkontrolle in militärischen Anwendungen - ferngesteuerte Soldat, siehe auch Drohnen - entwickelt hätten."

Ron runzelte die Stirn und kratzte sich am Hinterkopf, las aber weiter:

"Das Zwischennetz ist ein extrem gefährlicher Platz - deswegen sollte man nicht zu weit rausschwimmen, da alle Bewohner der anderen Netze ins Zwischennetz kommen. Das heißt, falls Frau Googel sie nicht schon vorher erwischt.

Im Zwischennetz stehen mehrere unbekannte Gebäude, zum Beispiel das IRC. Im Westernetz wohnen bekanntlich Viren und Trojaner. Das Osternetz ist die Brutstätte der Überraschungseier und Spammails. Das Südernetz gehört auch IHNEN und ist geheim. Gerüchten nach sollen dort elektronische Kamele gezüchtet werden. Nordernetz ist erst kürzlich wieder aufgetaucht. Schützen Sie sich also mit einer Feuerwand, aber ein bisschen flott! Wir kontrollieren das!!!"

Aus dem Waschraum erklang ein klingendes Geräusch. Gleichzeitig drang ein anderer Laut hinter der Tür zum Wandschrank hervor. Rita Kimmkorn schloss die Augen und ließ selig grinsend und dabei nickend den Kopf auf die Brust sinken.

"Was ist hier los?" fragte Harry, packte sie an den Schultern und drehte sie zu sich herum. Er schüttelte sie leicht. Hermine sprang ihm zur Seite und drang ebenfalls auf sie ein: "Wissen Sie eigentlich, was da draußen in der Zaubererwelt vor sich geht? Wie können Sie im Namen von Wiki Pedia Beiträge schreiben und veröffentlichen?" Ihre Stimme klang hoch und leicht panisch. "Und wer sind diese Stupi Dedia und ihr Verlobter Kamelo Pedia?"

Ron räusperte sich. Als Harry und Hermine sich zu ihm umdrehten, hielt er schon wieder ein Stück Pergament in der Hand, diesmal mit grüner Tinte beschrieben.

"Wie schreiben Kamelo Pedia und seine Verlobte Stupi Dedia in ihrem brandaktuellen Brief an den auserwählten 'Kastrierten' und die versammelten Hilfsgemeinschaften? Rettet uns endlich vor der Wanze im Haupte des Keilers!"

Das Geräusch aus dem Wandschrank mit der Holztür klang wie ein gedämpftes Klopfen. Hermine stand am nächsten dabei und streckte die Hand noch dem Türgriff aus.

"NEIN!" brüllte Rita Kimmkorn. "So soll es nicht enden! Nicht so! Finger weg da, Du kleine Schnüfflerin!"

Wie auf ein unhörbares Kommando hin stellten alle Schreibfedern auf einmal ihre Arbeit ein und sausten stattdessen zischend in Blitzgeschwindigkeit auf Hermine zu. Ron warf sich heldenmutig dazwischen und riss Hermine mit sich zu Boden, sodass die zweckentfremdeten Wurfgeschosse Spitze voran in der Tür zum Wandschrank landeten und federnd darin stecken blieben.

"NEIN! NEIN! Meine perfekten Pläne! Es lief doch alles gerade so unglaublich gut für mich. Kann ich denn niemals im Leben etwas Glück und Gold haben? Ist das denn zu viel verlangt?" Rita drehte sich im Kreis und raufte sich die wippenden Spirallocken. Sie war wirklich erschreckend dünn und ausgemergelt. Und die Ringe unter ihren Augen gehörten eindeutig nicht zu ihrem verpfuschten Makeup.

Während Ron und Hermine sich gegenseitig wieder auf die Beine halfen, öffnete Harry vorsichtig den Wandschrank. Darin hockten, eng aneinandergeklammert, geknebelt und mit einem dicken Tau gefesselt, ein junger Mann und eine junge Frau, die ihn nun aus weit aufgerissenen und feuchten Augen dankbar und erleichtert anstarrten. Der junge Mann klopfte noch einmal auffordernd mit einer Hand, die er hatte freibekommen können, hinter sich an der Rückwand des Wandschrankes.

Rita hatte sich auf das Bett geworfen, wälzte sich von einer Seite auf die andere und lachte und lachte.

"Bei Diogenes' Tonne!" erklang eine tiefe, raue Stimme von der Zimmertür her. Als Harry sich umdrehte, stand dort Aberforth Dumbledore und starrte ungläubig auf die beiden im Schrank. "Ich hatte ja keine Ahnung. Ja, gut, sie war schrullig und zurückgezogen, aber mit so was konnte doch keiner rechnen! Und sie hat auch immer pünktlich ihre Miete bezahlt!" Mit geöffnetem Mund und hängendem Kiefer schweifte sein Blick auf die noch immer wie irre lachende Rita.

"Holen Sie einen Heiler, schnell!" riss Harry ihn aus seinem Erstaunen. "Ich glaube, wir könnten ihn brauchen." Der Wirt des Eberkopfs nickte und verschwand eilig die Treppe hinunter.

Harry, Ron und Hermine beeilten sich derweil die beiden Gefangenen von ihren Fesseln zu befreien. Erlöst und erleichtert spuckten die beiden ihre Knebel aus und bedankten sich überschwänglich. Die junge Frau warf sich Hermine um den Hals und begann hemmungslos zu weinen. "Es war so furchtbar!" schluchzte sie. "Es war einfach grauenhaft!"

Der junge Mann mit der breiten höckerigen Nase mit den großen Nasenlöchern schüttelte Harry und Ron dankbar die Hand. Dann zog er eine verbogene Brille aus seiner Hosentasche und zog sich die Bügel hinter die abstehenden Ohren. "Danke!" keuchte er nach Luft schnappend. "Die letzten Monate waren wirklich die Hölle. Und diese Frau da", er deutete auf Rita Kimmkorn, "ist das personifizierte Böse auf Stöckelschuhen."

Er stellte sich ihnen als Kamelo Pedia vor, Ur-Ur-Ur-Enkel der berühmt-berüchtigten Enzyklopädie-Hexe Wiki Pedia, die vor einem verunglückten Koboldzauber einmal Vicky Peddy gewesen war. Bis zu ihrer Begegnung mit Rita Kimmkorn vor einigen Monaten hätten er und seine Verlobte, Stupi Dedia, still und bescheiden in einer kleinen Hafenstadt an der Westküste gelebt und einen magischen Fotoladen betrieben. Sie hätten kaum noch an seine berühmte Vorfahrin gedacht und auch ihr Erbe, das irgendwo auf dem Dachboden vor sich hin staubte, so gut wie vergessen gehabt.

Dann sei Rita Kimmkorn aufgetaucht. Sie habe Geschichten gehört über Wiki Pedia und ihre geheimnisumwitterte Enzyklopädie, hatte sie gesagt. Und sie wolle vielleicht ein Buch darüber schreiben. Offenbar hatte ihr etwas Reißerisches vorgeschwebt mit Anti-Kobold-Tendenzen und einer angeblichen Zensur-Verschwörung des Zaubereiministeriums, das den Besitz von Wiki Pedias Enzyklopädie bei Strafe verbot. Sie hatte ihnen etwas Geld gegeben und darum gebeten, sich die Erbstücke der Hexe Wiki ansehen zu dürfen. Gleichzeitig hatte sie sich aber auch bei Kamelo und Stupi eingenistet, sie mit ihrem falschen Charme um den Finger gewickelt und einige Wochen auf ihre Kosten gelebt.

Dann hatte sie den magischen Suppenkessel bei den Dingen auf dem Dachboden entdeckt und sich mit ihrem untrüglichen Instinkt für Sensationen und Geheimnisse sofort auf ihn gestürzt. Auf der Unterseite waren einige Runen in Koboldgack eingraviert, die sie mit Hilfe eines Lexikons als die Schriftzeichen für "Wort", "Gold" und "Netz" entziffert hatte. Allerdings hatten ihr diese Worte absolut gar nichts gesagt, bis sie eines Abends durch Zufall hinter die Bedeutung und die Funktionsweise des Kessels und des Koboldzaubers gekommen seien.

Sie saßen jetzt in Aberforths Wohnzimmer, dem Raum mit dem geheimnisvollen Bild von Ariana, der Schwester der Dumbledores, über dem Kaminsims, das den Geheimgang nach Hogwarts verbarg. Kamelo und Stupi saßen nah beieinander auf dem Sofa und hielten sich zärtlich die Hände. Harry, Ron, Hermine und der Wirt des Eberkopfs saßen auf Sesseln und Stühlen im Raum verteilt. Seit der Heiler von Hogsmeade sich von Kamelos und Stupis gutem Gesundheitszustand überzeugt und Rita in einen künstlichen Schlaf versetzt hatte und wieder gegangen war, warteten sie auf die magische Strafverfolgung. Rita Kimmkorn hatten sie vorsichtshalber in ihrem Gästezimmer eingeschlossen.

"Ich war an dem Abend mit Rita allein im Haus", fuhr Kamelo Pedia in seiner Erzählung fort. "Stupi war für ein paar Tage zu einer Freundin gefahren, weil sie die dauernde Anwesenheit dieser Kimmkorn kaum noch ertragen konnte. Aber ich war noch nicht so weit, sie vor die Tür zu setzen. Hätte ich es nur getan!" Stupi strich ihm verzeihend über die Wange. "Ich saß in meinem Sessel am Kamin und vermisste meine Verlobte ganz schrecklich. Ich las aber dabei in unserem Lieblingsbuch."

An dieser Stelle nahm Stupi kurz den Faden auf. "Ihr müsst wissen, wir haben da ein gemeinsames Buch, das wir beide über alles lieben. Über dieses Buch haben wir uns kennengelernt, weil wir beide es unbedingt haben wollten, es aber nur noch ein Exemplar in der Buchhandlung gab. Am Anfang wollten wir uns abwechseln mit dem Buch, aber dann haben wir es irgendwann gemeinsam gelesen. Und es wurde unser absolutes Lieblingsbuch."

"Inzwischen hat jeder von uns ein Exemplar", fuhr Kamelo fort, "und immer, wenn wir getrennt sind, nimmt jeder von uns zu einer vereinbarten Zeit sein Exemplar zur Hand und wir lesen, jeder da, wo er gerade ist, unser Lieblingskapitel aus dem Buch."

"So sind wir immer zusammen und nie getrennt", seufzte Stupi Dedia leicht verlegen. "Das ist ja so romantisch", seufzte auch Hermine, während Ron Harry hinter vorgehaltener Hand einige Würg- und Brechbewegungen andeutete.

Kamelo Pedia erzählte weiter: "Ich saß also in meinem Sessel und hatte gerade zur vereinbarten Zeit unser Lieblingskapitel in dem Buch gelesen, aber meine Sehnsucht nach Stupi war stärker denn je. Ganz in der Nähe stand der magische Suppenkessel, an dem Rita unzählige Zauber ausprobiert hatte. Sie selbst kramte in der Küche herum und fiel über unsere Vorräte her.

Ich nahm also ein Stück Pergament und eine Feder zur Hand und schrieb meiner Stupi einen Liebesbrief, in dem ich sie bat, mich nicht mehr lange alleinzulassen, weil ich sie so schrecklich vermisste. Aber dann fiel mir ein, dass unsere Posteule, Pegasus, mit einem gebrochenen Flügel im Käfig hockte, und dass das Eulenpostamt schon längst geschlossen hatte. Also legte ich den Brief in unser Buch, und wollte ihn am nächsten Morgen verschicken. Solange wollte ich das Buch zurück ins Regal stellen. Ich stand also auf und berührte dabei leicht den Rand des Kessels.

Ich muss mir wohl irgendwie Gedanken gemacht haben, ob es keinen anderen Weg geben könnte, Stupi diesen Brief noch an diesem Abend zukommen zu lassen, und siehe da, keine halbe Stunde später flatterte die Eule von Stupis Freundin mit der Nachricht ins Haus, dass mein Liebesbrief auf wundersame Weise in Stupis Exemplar unseres Lieblingsbuches aufgetaucht sei. Ihr könnt euch denken, wie erstaunt und verblüfft ich war." Stupi nickte wild zur Bestätigung. "Selbst Rita war vollkommen aus dem Häuschen. Sie vergrub ich immer weiter in alte Aufzeichnungen über Ur-Ur-Ur-Großmutter Wiki und ihre Enzyklopädie, die sie magisch selbst auf größte Entfernung fortgesetzt hatte. Und schließlich fanden wir es heraus.

Ich hatte offenbar von meiner Verwandten die Fähigkeit oder Gabe geerbt, Bücher und andere Schriftstücke miteinander zu verbinden und Texte zeitnah an anderen Orten, in anderen Schriftstücken auftauchen zu lassen.

Rita war fasziniert von diesem Zauber. In ihren Augen erklärte er die Schriftzeichen 'Wort' und 'Netz' auf dem Boden des Kessels, aber noch lange nicht, was der Kessel selbst damit zu tun hatte, und schon gar nicht das Wort 'Gold'.

Stupi war inzwischen in unser gemeinsames Haus zurückgekehrt und war Zeuge, wie die ersten Sickel wie aus dem Nichts auftauchten und in den Kessel klimperten. Nun war alles klar. Jedes Mal, wenn ich etwas schrieb und es durch Bücher auf Reisen in andere Schriftstücke schickte, erschien auf magische Weise Geld in dem Koboldkessel.

Schon bald entdeckten wir, dass auch Stupi diesen unbewussten Zauber ausüben konnte, wenn nur der Kessel und ich in der Nähe waren. Und natürlich sprang dieser Funken auch auf Rita Kimmkorn über. Anfangs machte sie sich einen Spaß daraus, als Wiki Pedia neue Beiträge, Briefe und Randbemerkungen in allen möglichen Büchern und an allen möglichen Stellen zu hinterlassen. Dann packten sie die Geldgier und der Größenwahn."

Kamelo unterbrach sich in seiner Erzählung und schluckte schwer. Stupi fuhr fort: "Jeden Tag tauchte eine neue Flotte-Schreibe-Feder auf. Und jeden Tag schrieb sie mehr und mehr. Sie trug immer mehr und mehr Gold aus dem Haus, immer mit dem Vorwand, sie würde es für uns anlegen. Sie entwickelte sogar eine Erweiterung des Verbindungszaubers, mit dem sie Informationen aus Büchern aus der ganzen Welt saugen und Bücher an den entferntesten Orten miteinander vernetzen konnte. Als wir dann entdeckten, dass sie auf diese Weise begonnen hatte, das Zaubereiministerium auszuspionieren, wollten wir sie rauswerfen, und mit dem ganzen Wahnsinn aufhören."

Kamelo zuckte zusammen in Erinnerung an die grausamen Wochen, die hinter ihnen lagen. "Sie ist vollkommen ausgerastet. Sie keifte, sie könne nicht mehr leben ohne den Pedia-Zauber. Und faselte dauernd von der Errichtung eines Zwischennetzes. Sie brauche mich und meine magische Verbindung zum Suppenkessel. Also überwältigte sie uns, verfluchte und betäubte uns, schnappte sich den Kessel und zog mit uns von einem Versteck ins andere. Wir waren in der Zeit bestimmt in fünfzig verschiedenen Hotels und Gasthäusern."

Stupi nickte betrübt. "Sie war wie eine Süchtige! Das Schreiben schien alle Kraft aus ihr zu saugen. Sie aß zuletzt kaum noch etwas, schlief wenig, konnte aber einfach nicht mehr aufhören. Am Ende standen die giftgrünen Federn so gut wie nie mehr still. Und dabei entwickelte sie einen ungesunden Verfolgungswahn."

Kamelo übernahm wieder: "Nirgendwo blieben wir lange. Ständig hatte sie Angst vor Entdeckung. Oder vor Überfällen. Niemand sollte wissen, wie reich sie inzwischen war. Sie bezahlte ihre Rechnungen, gab aber ansonsten kaum etwas von ihrem ergaunerten Vermögen aus. Einige Male gelang uns fast die Flucht, aber dann setzte sie wieder einen neuen Lähmzauber gegen uns ein."

Stupi Dedia seufzte wieder: "Auch als wir zeitweise Kontrolle über einige der magischen Schreibfedern erlangen konnten, und versucht haben, mit eigenen Beiträgen die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, konnten unsere Nachrichten uns nicht retten. Bis wir hier im Eberkopf gelandet sind."

Kamelo Pedia drückte ganz fest ihre beiden Hände in seine: "Bis Harry Potter persönlich uns gerettet hat!" Und schon lagen sie sich erleichtert in den Armen.

"Und wo ist dann jetzt der magische Suppenkessel?" fragte Harry, dem ihre traute Zweisamkeit allmählich auf die Nerven ging. "Der muss in ihrem Zimmer sein!" erklärte Kamelo. "Da wir den Wandschrank kaum verlassen haben, kann ich nicht genau sagen, wo, aber er muss irgendwo in meiner Nähe sein, sonst hätte der Zauber nicht mehr lange gewirkt."

"Dann lasst uns nachsehen!" erklärte Harry, hatte sich bereits den Zimmerschlüssel vom Kaminsims geangelt und eilte zu Zimmer Nummer drei.

Unter dem Bett war der Kessel nicht, auch nicht im Wandschrank. Blieb nur noch der kleine, angrenzende Waschraum. Als Harry die Tür aufriss, traute er seinen Augen nicht. Toilette, Badewanne und Waschbecken sowie Ablage und Spiegel waren kaum noch zu sehen. Im Raum stapelten sich Sickel, Knuts und Galleonen bis zur Decke. Und dazwischen stand der unscheinbare, aber magische Suppenkessel, ebenfalls bis zum Rand gefüllt mit und überquellend von Gold.

"NEIN!" Unaufhaltsam war Rita Kimmkorn aus ihrem Bett hochgeschnellt und hatte sich zwischen Harry und das Geld gestellt. "Ihr könnt mir das nicht nehmen! Das ist alles meins! Das habe ich mir alles schwer verdient!" Sie drehte sich wieder einmal im Kreis und streckte ihre abgemagerten Arme aus, als wolle sie ihren Schatz umarmen. "Damit fange ich ein neues, besseres Leben an", keifte sie. "Vielleicht tue ich sogar Gutes! Ich kann das! Ich mache das!"

Und mit der nächsten Drehung geriet sie ins Stolpern und stieß gegen die Münzstapel. Diese schwankten zunächst nur bedrohlich, dann gaben sie nach und brachen klimpernd und scheppernd über der rasenden Reporterin zusammen.

Gut eine Woche später standen Harry, Ron und Hermine im Büro des Zaubereiministers. Kingsley Shacklebolt saß ganz entspannt und leger in Hemdärmeln hinter seinem Schreibtisch. "Ich muss mich noch mal bei Euch dreien bedanken!" meinte er lächelnd. Sonnenlicht ließ seinen kleinen, goldenen Ohrring leuchten. "Ihr habt wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Auch wenn es wohl auf ewig ein Rätsel bleiben wird, warum die Kimmkorn Dich schließlich in den Eberkopf gelockt hat. Nun ja, schieben wir es auf ihre zunehmende geistige Verwirrung."

Harry schwieg zugleich geschmeichelt und betreten.

"Und weil ihr so gut bei der Lösung des Falles der Vicky Peddy oder der Wiki Pedia geholfen habt, bekommt ihr von mir eine Woche Sonderurlaub. Unternehmt was Schönes mit Euren Freunden oder der Familie!"

Harry konnte sehen, wie Ron innerlich einen Freudensprung machte, oder es ihm vom Gesicht ablesen. Genau in dieser Woche waren englische Wochen in der Quidditch-Liga. Ginnys Quidditch-Mannschaft hatte also an jedem Tag der Woche ein Auswärtsspiel in einer anderen, attraktiven Stadt. Und Ginny hatte für jedes dieser Spiele Freikarten für ihre Freunde und ihre Familie besorgen können.

"Und der fatale Vernetzungszauber konnte jetzt endgültig gebrochen werden?" fragte Hermine den Minister. Kingsley nickte, schwankte aber leicht mit dem Kopf. "Also, der unkontrollierte Wachstum von Büchern und die Verbreitung von Wiki-Unsinn auf der ganzen Welt konnte vorerst gestoppt werden. Auch der Geldabzug aus den Koboldbanken hat aufgehört. Vernetzt sind jetzt nur noch die letzten fünf verbliebenen Exemplare der ursprünglichen Enzyklopädie. Aber die stehen nach wie vor unter strengster Bewachung auf den fünf verschiedenen Kontinenten."

"Und wie wurde der Fluch genau gebrochen?" fragte Hermine weiter. Harry musste grinsen, als er sah, dass Ron nun nicht nur innerlich die Augen verdrehte. Er wollte so schnell wie möglich raus aus dem Ministerium und seinen Sonderurlaub antreten.

Kingsley verschränkte die Hände hinter dem kahlen Kopf und lehnte sich zurück. "Zunächst einmal hat Kamelo Pedia den Kobolden das Geld und den magischen Suppenkessel zurückgegeben. Also selbst, wenn wir den Fluch nicht hätten lösen können, wäre wenigstens das Geld dort geblieben, wo es hingehört, nämlich in einer Bank, dort wo der Kessel ist.

Und dann hat Kamelo Pedia endlich seine Stupi Dedia geheiratet. Wollt ihr die Hochzeitfotos sehen, die sie mir geschickt haben?" Er schob ihnen ein magisches Fotoalbum über den Tisch, in dem Hermine neugierig und Ron und Harry nur lustlos blätterten.

"Und was hat das mit dem Fluch zu tun?" fragte Harry schließlich. Kingsley grinste. "Kamelo ist nun kein Pedia mehr. Er hat den Namen seiner Frau angenommen und nennt sich nun Kamelo Dedia. Damit gibt es jetzt keinen lebenden Pedia mehr auf dieser Welt. Der Fluch kann nicht mehr von Pedia zu Pedia weitervererbt werden und erlischt mit dem Verschwinden dieses Namens oder dieses Wortes. Eigenartig diese Koboldmagie, was?"

Alle drei mussten nicken. "Und wie geht es Rita Kimmkorn?" fragte Hermine schließlich. "Sie erholt sich gut im St. Mungos", erklärte Kingsley. "Sie wird jeden Tag kräftiger und wie es aussieht auch vernünftiger. Experten aus dem Krankenhaus und auch aus der Mysteriums-Abteilung streiten sich noch, ob sie unter dem Fluch stand oder nach dem Krankenhausaufenthalt in Askaban für ihre Taten verantwortlich gemacht werden muss."

"Vielleicht besuche ich sie mal und unterhalte mich mit ihr", murmelte Hermine, was ihr einige mehr als verwunderte Blicke von Harry und Ron einbrachte.

"So", verkündete der Zaubereiminister schließlich, "jetzt aber nichts wie raus mit Euch und genießt Euren Sonderurlaub. Ich glaube, die Zaubererwelt ist noch nicht bereit für eine totale Vernetzung, für ein allumfassendes Zwischennetz."

"Wer ist das schon?" meinte Harry und lächelte immer noch, als sie wenig später hinaus in einen weiteren, strahlenden Sommertag traten.

***Ende***

[first published March, 22nd – April, 9th 2011]

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